Von Vulkanen
Essay zum Thema Kultur
von Ephemere
Kommentare zu diesem Text
Jack (33)
(19.05.13)
(19.05.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Ja, aber gerade deshalb wird es so oft verwechselt und fehlinterpretiert.
Hm, du beginnst sehr gut, aber am Ende gibt es doch einige Kritikpunkte:
a) "Sie sehen sich damit nicht gegen die gesellschaftlichen Normen gestellt, sondern jenseits davon."
Das stimmt und ist dennoch sehr vereinfacht dargestellt. Denn Damit sie 'groß' werden können, so handeln, wie sie es tun (wollen) ist es immer nötig, dass sie im gesellschaftlichen System mitspielen können und damit Teil des Systems werden. Darum sind sie eben auch immer Teil ihrer Zeit, auch wenn sie sie extrem prägen. Sonst würden sie auch keine Bewunderer finden.
b) "Dabei sind sie alles Andere als Zerstörer, Aufrührer oder gar Sadisten:"
Sorry, aber das ist schlechthin Blödsinn. Jeder 'große' Künstler hat seine - zumeist toten - Hasswiderpart, der ja "sooo fürchterlich oberflächlich war und alle Ehre - ihm Gegensatz zu mir - nicht verdient hat.' Da brauchst du dir ja nur das Gebaren mancher 'Künstler' hier auf KV ansehen, die jeden guten Text als persönliche Beleidigung betrachten.
Und für die historischen 'Großen' gilt das ja nun überhaupt nicht! Europa mag von Napolens Feldzügen profitiert haben, weil so moderne, demokratische und aufgeklärte Gedanken Verbreitung fanden und diese zerstörten das ancien régime. Dabei war das, man muss es so deutlich sagen, nur ein ironischer Kollateralschaden der Geschichte. Wären die Ideale der französischen Revolution faschistisch gewesen, hätte Napoleon diese mitgebracht, denn für ihn war all das bloß Verwaltung der eroberten Gebiete.
c) "Sie sind auch nicht die ausbeuterischen Despoten, als die sie sich mitunter verhalten."
Dasselbe. Nicht selten kommen die 'Großen' wie ein verrückter James-Bond-Bösewicht daher, denen es oft je nicht nur um Geld/Macht geht, sondern um die Errichtung einer 'neuen Weltordnung'.
Ähnlich verhält es sich mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Vielen Menschen erscheint sie heute menschenverachtend und willkürlich. Und das war sie auch, aber dennoch war ihr Auslöser eine aberwitzige Idee des Deutschtums - die die Nazis nicht erfunden haben, die es schon vor ihnen in der Gesellschaft gab(damit: siehe a)), aber sie haben sie auf ihre zerstörerische Spitze getrieben.
d) "Wir hingegen – wir sind nicht groß und werden es nie sein."
Nun, dieser Satz scheint soweit zu stimmen, ist jedoch eigentlich nur ein Allgemeinplatz, weil es hier um die Quantität und nicht die Qualität geht. Ob diese oder jene nun zurecht 'Große' genannt werden, soll einmal dahingestellt bleiben, aber die nächsten warten ja schon in der Masse, um, weil das was sie tun gerade gesellschaftlich opportun ist, 'groß' zu werden.
Und nicht dass du mich jetzt falsch verstehst. Ich finde deinen Essay sehr lesenswert!
a) "Sie sehen sich damit nicht gegen die gesellschaftlichen Normen gestellt, sondern jenseits davon."
Das stimmt und ist dennoch sehr vereinfacht dargestellt. Denn Damit sie 'groß' werden können, so handeln, wie sie es tun (wollen) ist es immer nötig, dass sie im gesellschaftlichen System mitspielen können und damit Teil des Systems werden. Darum sind sie eben auch immer Teil ihrer Zeit, auch wenn sie sie extrem prägen. Sonst würden sie auch keine Bewunderer finden.
b) "Dabei sind sie alles Andere als Zerstörer, Aufrührer oder gar Sadisten:"
Sorry, aber das ist schlechthin Blödsinn. Jeder 'große' Künstler hat seine - zumeist toten - Hasswiderpart, der ja "sooo fürchterlich oberflächlich war und alle Ehre - ihm Gegensatz zu mir - nicht verdient hat.' Da brauchst du dir ja nur das Gebaren mancher 'Künstler' hier auf KV ansehen, die jeden guten Text als persönliche Beleidigung betrachten.
Und für die historischen 'Großen' gilt das ja nun überhaupt nicht! Europa mag von Napolens Feldzügen profitiert haben, weil so moderne, demokratische und aufgeklärte Gedanken Verbreitung fanden und diese zerstörten das ancien régime. Dabei war das, man muss es so deutlich sagen, nur ein ironischer Kollateralschaden der Geschichte. Wären die Ideale der französischen Revolution faschistisch gewesen, hätte Napoleon diese mitgebracht, denn für ihn war all das bloß Verwaltung der eroberten Gebiete.
c) "Sie sind auch nicht die ausbeuterischen Despoten, als die sie sich mitunter verhalten."
Dasselbe. Nicht selten kommen die 'Großen' wie ein verrückter James-Bond-Bösewicht daher, denen es oft je nicht nur um Geld/Macht geht, sondern um die Errichtung einer 'neuen Weltordnung'.
Ähnlich verhält es sich mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Vielen Menschen erscheint sie heute menschenverachtend und willkürlich. Und das war sie auch, aber dennoch war ihr Auslöser eine aberwitzige Idee des Deutschtums - die die Nazis nicht erfunden haben, die es schon vor ihnen in der Gesellschaft gab(damit: siehe a)), aber sie haben sie auf ihre zerstörerische Spitze getrieben.
d) "Wir hingegen – wir sind nicht groß und werden es nie sein."
Nun, dieser Satz scheint soweit zu stimmen, ist jedoch eigentlich nur ein Allgemeinplatz, weil es hier um die Quantität und nicht die Qualität geht. Ob diese oder jene nun zurecht 'Große' genannt werden, soll einmal dahingestellt bleiben, aber die nächsten warten ja schon in der Masse, um, weil das was sie tun gerade gesellschaftlich opportun ist, 'groß' zu werden.
Und nicht dass du mich jetzt falsch verstehst. Ich finde deinen Essay sehr lesenswert!
Vielen Dank für die Auseinandersetzung mit dem Essay - für das Lob, noch mehr aber für die Kritik.
Zu den Punkten:
a) Dass sie im Kontext ihrer Normen agieren müssen, um erfolgreich zu sein, ist - wie für jeden Menschen - unbestreitbar. Dass sie sich jenseits davon empfinden bedeutet nicht, dass sie sie nicht gelegentlich zu ihrem Nutzen anwenden können. Oft jedoch sind sie darin nicht sonderlich geschickt und wollen es zumal nicht sein, sondern geben eben nichts auf die Bewunderer im Heute bzw. in der Masse und bauen vielmehr auf die Leuchtturmwirkung bei Wenigen oder darauf, dass ihre Sache in der Zukunft Gehör finden wird...Sokrates wurde zum Tode verurteilt, van Gogh verlacht, Strawinski wurde für "Sacre du Printemps" ausgebuht und geschlagen, Nietzsche war ein Ausgestoßener, Jesus wurde ans Kreuz genagelt (wenn man die Historizität glaubt), etc. - die "Größe" wurde ihnen erst im Nachhinein zugesprochen, zu Lebzeiten hätten sie nur die Wenigsten "groß" genannt. Und die Bewunderer ex post bewunderten sie nicht zuletzt WEGEN dieser Weigerung, ihre Überzeugungen für den Markt zurechtzustutzen.
b) Ich sagte nicht, dass sie nicht quälen, aufrühren oder zerstören --- sondern dass sie keine Zerstörer, Aufrührer oder Sadisten sind. Das ist ein großer Unterschied: Zerstörung, Qual, Revolution sind ihren Mittel zu ihrem Zweck, dem sie ihr Leben gewidmet haben und der ihnen fast alle Mittel heiligt. Sie sind ihnen nicht Selbstzweck...sie haben an der Zerstörung keine Freude, sondern am Schaffen, meinen aber, etwas Bestehendes zerstören zu müssen, um ihrem Neuen Raum zu machen. In Charakter wie Wirkung sind das verschiedene Paradigmen...ihnen geht es um die Freiheit ZU etwas, nicht um die Freiheit VON etwas. Dass man sich um ZU etwas Bestimmten frei zu sein, VON vielen Dingen - womöglich auch lautstark und gewaltsam - befreien muss, ist dann lediglich "Kollateralschaden". Und ich glaube nicht an die Notwendigkeit einer Dialektik ("Hasswiderpart")...oft war das mehr der Einsamkeit der Großen geschuldet (ein obsessiver Hass, eine andauernde Fehde, ist besser als niemanden zum Kommunizieren zu haben) als dass es für ihr Werk wirklich nötig gewesen wäre. Und "große Künstler" in den Foren- und Kommentardiskussionen von kV zu suchen war nicht Dein Ernst, oder?
c) s.o. - das mit dem "verrückten Bond-Bösewicht", oder vielleicht eher dem "Joker" aus Batman stimmt gerade bei politischen "Großen" nicht selten, doch auch hier: Es geht nicht um den Rausch an der Macht, sondern die asketische Opferbereitschaft für das Ideal...Fanatismus statt Geilheit, eher Che Guevara und Steve Jobs oder als Nero und BCG-Matrix. Dass dabei aber ebenso Fürchterliches herauskommen kann, sei nicht bezweifelt.
d) Im Gegenteil, es geht hier um die Qualität, nicht die Quantität: Um den Fanatismus, alles auf eine Karte zu setzen, alles einer Begabung, einer Vision unterzuordnen. Dazu sind die Meisten nicht bereit - und das wiederum ist es, das die Großen groß macht (während zum Glück andersherum noch lange nicht jeder Fanatiker und "Visionär" groß wird).
Lieben Gruß
Jan
(Antwort korrigiert am 04.06.2013)
Zu den Punkten:
a) Dass sie im Kontext ihrer Normen agieren müssen, um erfolgreich zu sein, ist - wie für jeden Menschen - unbestreitbar. Dass sie sich jenseits davon empfinden bedeutet nicht, dass sie sie nicht gelegentlich zu ihrem Nutzen anwenden können. Oft jedoch sind sie darin nicht sonderlich geschickt und wollen es zumal nicht sein, sondern geben eben nichts auf die Bewunderer im Heute bzw. in der Masse und bauen vielmehr auf die Leuchtturmwirkung bei Wenigen oder darauf, dass ihre Sache in der Zukunft Gehör finden wird...Sokrates wurde zum Tode verurteilt, van Gogh verlacht, Strawinski wurde für "Sacre du Printemps" ausgebuht und geschlagen, Nietzsche war ein Ausgestoßener, Jesus wurde ans Kreuz genagelt (wenn man die Historizität glaubt), etc. - die "Größe" wurde ihnen erst im Nachhinein zugesprochen, zu Lebzeiten hätten sie nur die Wenigsten "groß" genannt. Und die Bewunderer ex post bewunderten sie nicht zuletzt WEGEN dieser Weigerung, ihre Überzeugungen für den Markt zurechtzustutzen.
b) Ich sagte nicht, dass sie nicht quälen, aufrühren oder zerstören --- sondern dass sie keine Zerstörer, Aufrührer oder Sadisten sind. Das ist ein großer Unterschied: Zerstörung, Qual, Revolution sind ihren Mittel zu ihrem Zweck, dem sie ihr Leben gewidmet haben und der ihnen fast alle Mittel heiligt. Sie sind ihnen nicht Selbstzweck...sie haben an der Zerstörung keine Freude, sondern am Schaffen, meinen aber, etwas Bestehendes zerstören zu müssen, um ihrem Neuen Raum zu machen. In Charakter wie Wirkung sind das verschiedene Paradigmen...ihnen geht es um die Freiheit ZU etwas, nicht um die Freiheit VON etwas. Dass man sich um ZU etwas Bestimmten frei zu sein, VON vielen Dingen - womöglich auch lautstark und gewaltsam - befreien muss, ist dann lediglich "Kollateralschaden". Und ich glaube nicht an die Notwendigkeit einer Dialektik ("Hasswiderpart")...oft war das mehr der Einsamkeit der Großen geschuldet (ein obsessiver Hass, eine andauernde Fehde, ist besser als niemanden zum Kommunizieren zu haben) als dass es für ihr Werk wirklich nötig gewesen wäre. Und "große Künstler" in den Foren- und Kommentardiskussionen von kV zu suchen war nicht Dein Ernst, oder?
c) s.o. - das mit dem "verrückten Bond-Bösewicht", oder vielleicht eher dem "Joker" aus Batman stimmt gerade bei politischen "Großen" nicht selten, doch auch hier: Es geht nicht um den Rausch an der Macht, sondern die asketische Opferbereitschaft für das Ideal...Fanatismus statt Geilheit, eher Che Guevara und Steve Jobs oder als Nero und BCG-Matrix. Dass dabei aber ebenso Fürchterliches herauskommen kann, sei nicht bezweifelt.
d) Im Gegenteil, es geht hier um die Qualität, nicht die Quantität: Um den Fanatismus, alles auf eine Karte zu setzen, alles einer Begabung, einer Vision unterzuordnen. Dazu sind die Meisten nicht bereit - und das wiederum ist es, das die Großen groß macht (während zum Glück andersherum noch lange nicht jeder Fanatiker und "Visionär" groß wird).
Lieben Gruß
Jan
(Antwort korrigiert am 04.06.2013)
Habe deine Antwort mit Spannung gelesen. Werde dir darauf noch einmal antworten - aber nicht heute, weil ich im Augenblick mich nicht entsprechend fühle...
"zu Lebzeiten hätten sie nur die Wenigsten "groß" genannt."
Spätere Bewunderer tun aber in der Regel eines: Sie verzerren das Bild des bewunderten Menschen. So ist es z.B. heute fast unmöglich, den Menschen Jesus hinter all den Mythen und Legenden zu erkennen und - gewollt oder nicht gewollt - damit geht auch ein nicht unerheblicher Teil dessen, was er dachte, tat und wollte verloren. Im Ergebnis wird er 'groß' gemacht, damit andere in seinem Fahrwasser sich auch groß fühlen können.
" Ich sagte nicht, dass sie nicht quälen, aufrühren oder zerstören --- sondern dass sie keine Zerstörer, Aufrührer oder Sadisten sind. Das ist ein großer Unterschied: Zerstörung, Qual, Revolution sind ihren Mittel zu ihrem Zweck, dem sie ihr Leben gewidmet haben und der ihnen fast alle Mittel heiligt.
Ich hatte einmal eine Hörspiel auf einer LP "Mickybold und die Ritter der Tafelrunde" in der ein Drache sagte: "Gesetze! Ich kenne keine Gesetze. Ich mache mir meine Gesetzte selber. Aber auch daran halte ich mich nicht!" Das ist a) absurd und b) macht es diese 'Großen' unberechenbar für jeden, der nur zufällig in ihre Nähe kommt. Zu behaupten, sie wären keine Zerstörer ist dann fast schon einen autistische Behauptung.
"Es geht nicht um den Rausch an der Macht(...)
"alles einer Begabung, einer Vision unterzuordnen."
Danke für Deine spannende Replik! Hierzu:
- Verzerren des Bildes: unbedingt, deshalb soll der Essay auch dazu anregen, das Gefährliche an diesen "Großen" zu sehen...und mit "gefährlich" meine ich durchaus auch "hässlich" und in gewisser Hinsicht "krank" und nicht nur das verruchte "verboten" aus Sonnenallee. Man darf das nicht heroisieren, sondern muss versuchen, Beiden Seiten der Medaille möglichst nüchtern Rechnung zu tragen (womöglich daher mit weniger Pathos als in meinem Essay). Nebenbei sei angemerkt, dass sich gerade Jesus nicht unbedingt als Beispiel für diese Verzerrung, das Bild, das den Abgebildeten überwuchert und auffrisst, eignet - denn seine Historizität, ob es jemals einen konkreten, einzelnen Menschen hinter dem Bild gab ist durchaus umstritten.
- "extrem positivistische Deutung". Keineswegs - ich bin der Meinung, dass ich in dem Essay deutlich genug gemacht habe, dass die Risiken für die Gesellschaft nicht die Sadisten, Zerstörer etc. sind...das sind Spinner, die schnell als solche gesehen werden und die daher selten größere Gefolgschaft erreichen, sondern: "Kriege, Terror, Faschismus und Repression gehen [aus] von den Unversöhnten, die nach Transzendenz auf Erden streben" und denen dafür der Zweck jedes Mittel heiligt, inklusive derer, die man oben genannten Gruppen zuordnen würde. Denn sie können mit ihrer Vision, Besessenheit, mit dem, was über sie selbst hinausgeht (oder hinauszugehen scheint) bezirzen, überzeugen, Wirkmächtigkeit entfalten - auch in einer Demokratie. Eine Gesellschaft kann sich nur wenige von ihnen leisten und muss ihnen viele Versöhnte, Geerdete entgegenstellen, sonst versinkt sie in Extremismus jeder Art. Zugleich sind es aber diese Vulkane, die eine Gesellschaft provozieren, an- und aufstacheln, aufmischen - und ihr damit ermöglichen, neue Sichtweisen zu integrieren, neuen Umweltbedingungen Rechnung zu tragen.
Mit Deiner Bemerkung "b) macht es diese 'Großen' unberechenbar für jeden, der nur zufällig in ihre Nähe kommt. Zu behaupten, sie wären keine Zerstörer ist dann fast schon einen autistische Behauptung." triffst Du den Nagel auf den Kopf, aber ziehst m.E. den falschen Schluss: Denn BEIDES stimmt: gerade weil sie keine Zerstörer (um des Zerstörens Willen) sind, sind sie unberechenbar...sie segnen und fluchen, sähen und sengen, sind WILLKÜRLICH (freilich nicht aus Sicht dessen, der ihr Leitmotiv, ihre Vision, ihren Fluch kennt oder gar teilt...aus deren Sicht sind sie überaus konsequent). Der Zerstörer, der Sadist, ist geradezu ermüdend berechenbar - und daher in der Regel recht gut einzuhegen.
- "es geht nicht um den Rausch an der Macht": Du schreibst "natürlich geht es auch um Macht" und hast damit natürlich recht. Der Schlüssel ist das "AUCH". Das habe und hätte ich nie bestritten. Man kann auch sagen "es geht nur um Macht", aber das ist eine Frage der Definition. Ich meinte - und das hast Du ja auch so verstanden - dass es nicht um die Macht geht, als Selbstzweck willkürlich zu sein und sich an ihrer Ausübung aufzugeilen, sondern um die Macht geht, etwas umsetzen, zu gestalten, auch gegen Widerstände (und darin eisern konsequent zu sein, auch sich selbst gegenüber). Macht als Mittel ist gewünscht, nicht Macht als Aphrodisiakum. Die Grenzen sind zweifelsohne fließend. Indes kann man mit einigem Recht behaupten, dass überhaupt der Größenwahn, sich eine Vision zuzubillen, deren man sich selbst und alle anderen unterwerfen will, in deren Dienst man etwas (um)formen möchte, lediglich eine Verkleidung, eine Sublimierung eines Willens zur Macht ist. Dann landet man allerdings schnell in Nietzsche/Schopenhauerischen Macht- oder Freud/Reichschen Triebbegriffen, die so weitgehend sind, dass sie eine feinere Distinktion in unserem Zusammenhang kaum ermöglichen.
- alles einer Vision unterordnen: kein Widerspruch m.E. , vielmehr schrieb ich: "Große Künstler interessieren sich nicht für das Publikum, große Philosophen nicht für die Philosophie, große Politiker nicht für Meinungsumfragen und große Unternehmer nicht für Marktforschung, auch wenn sie sich mitunter aus Berechnung dazu bekennen." Womöglich hätte ich das noch weiter ausführen sollen, denn: ja, Du hast Recht - wenn sie sich aus Berechnung dazu bekennen, fügen sie sich doch zumindest auf Zeit in bestehende Ordnungen ein bzw. finden sich damit ab...zwar mit innerer Erhebung über sie und mit dem Ziel, sie zu überwinden, doch in der Regel überwuchert die Institution den Einzelnen, bevor er sie verändern kann. Insofern ist das vielleicht der blinde Fleck vieler "Großer": Dieser Selbstbetrug, solche Allianzen nur auf Zeit und um ihres eigenen Ziels willen zu schließen, währen sie indessen in einer Weise Tanzbär und Erfüllungsgehilfe der Ordnungen werden, die sie eigentlich nur "von innen heraus" benutzen wollten.
- Verzerren des Bildes: unbedingt, deshalb soll der Essay auch dazu anregen, das Gefährliche an diesen "Großen" zu sehen...und mit "gefährlich" meine ich durchaus auch "hässlich" und in gewisser Hinsicht "krank" und nicht nur das verruchte "verboten" aus Sonnenallee. Man darf das nicht heroisieren, sondern muss versuchen, Beiden Seiten der Medaille möglichst nüchtern Rechnung zu tragen (womöglich daher mit weniger Pathos als in meinem Essay). Nebenbei sei angemerkt, dass sich gerade Jesus nicht unbedingt als Beispiel für diese Verzerrung, das Bild, das den Abgebildeten überwuchert und auffrisst, eignet - denn seine Historizität, ob es jemals einen konkreten, einzelnen Menschen hinter dem Bild gab ist durchaus umstritten.
- "extrem positivistische Deutung". Keineswegs - ich bin der Meinung, dass ich in dem Essay deutlich genug gemacht habe, dass die Risiken für die Gesellschaft nicht die Sadisten, Zerstörer etc. sind...das sind Spinner, die schnell als solche gesehen werden und die daher selten größere Gefolgschaft erreichen, sondern: "Kriege, Terror, Faschismus und Repression gehen [aus] von den Unversöhnten, die nach Transzendenz auf Erden streben" und denen dafür der Zweck jedes Mittel heiligt, inklusive derer, die man oben genannten Gruppen zuordnen würde. Denn sie können mit ihrer Vision, Besessenheit, mit dem, was über sie selbst hinausgeht (oder hinauszugehen scheint) bezirzen, überzeugen, Wirkmächtigkeit entfalten - auch in einer Demokratie. Eine Gesellschaft kann sich nur wenige von ihnen leisten und muss ihnen viele Versöhnte, Geerdete entgegenstellen, sonst versinkt sie in Extremismus jeder Art. Zugleich sind es aber diese Vulkane, die eine Gesellschaft provozieren, an- und aufstacheln, aufmischen - und ihr damit ermöglichen, neue Sichtweisen zu integrieren, neuen Umweltbedingungen Rechnung zu tragen.
Mit Deiner Bemerkung "b) macht es diese 'Großen' unberechenbar für jeden, der nur zufällig in ihre Nähe kommt. Zu behaupten, sie wären keine Zerstörer ist dann fast schon einen autistische Behauptung." triffst Du den Nagel auf den Kopf, aber ziehst m.E. den falschen Schluss: Denn BEIDES stimmt: gerade weil sie keine Zerstörer (um des Zerstörens Willen) sind, sind sie unberechenbar...sie segnen und fluchen, sähen und sengen, sind WILLKÜRLICH (freilich nicht aus Sicht dessen, der ihr Leitmotiv, ihre Vision, ihren Fluch kennt oder gar teilt...aus deren Sicht sind sie überaus konsequent). Der Zerstörer, der Sadist, ist geradezu ermüdend berechenbar - und daher in der Regel recht gut einzuhegen.
- "es geht nicht um den Rausch an der Macht": Du schreibst "natürlich geht es auch um Macht" und hast damit natürlich recht. Der Schlüssel ist das "AUCH". Das habe und hätte ich nie bestritten. Man kann auch sagen "es geht nur um Macht", aber das ist eine Frage der Definition. Ich meinte - und das hast Du ja auch so verstanden - dass es nicht um die Macht geht, als Selbstzweck willkürlich zu sein und sich an ihrer Ausübung aufzugeilen, sondern um die Macht geht, etwas umsetzen, zu gestalten, auch gegen Widerstände (und darin eisern konsequent zu sein, auch sich selbst gegenüber). Macht als Mittel ist gewünscht, nicht Macht als Aphrodisiakum. Die Grenzen sind zweifelsohne fließend. Indes kann man mit einigem Recht behaupten, dass überhaupt der Größenwahn, sich eine Vision zuzubillen, deren man sich selbst und alle anderen unterwerfen will, in deren Dienst man etwas (um)formen möchte, lediglich eine Verkleidung, eine Sublimierung eines Willens zur Macht ist. Dann landet man allerdings schnell in Nietzsche/Schopenhauerischen Macht- oder Freud/Reichschen Triebbegriffen, die so weitgehend sind, dass sie eine feinere Distinktion in unserem Zusammenhang kaum ermöglichen.
- alles einer Vision unterordnen: kein Widerspruch m.E. , vielmehr schrieb ich: "Große Künstler interessieren sich nicht für das Publikum, große Philosophen nicht für die Philosophie, große Politiker nicht für Meinungsumfragen und große Unternehmer nicht für Marktforschung, auch wenn sie sich mitunter aus Berechnung dazu bekennen." Womöglich hätte ich das noch weiter ausführen sollen, denn: ja, Du hast Recht - wenn sie sich aus Berechnung dazu bekennen, fügen sie sich doch zumindest auf Zeit in bestehende Ordnungen ein bzw. finden sich damit ab...zwar mit innerer Erhebung über sie und mit dem Ziel, sie zu überwinden, doch in der Regel überwuchert die Institution den Einzelnen, bevor er sie verändern kann. Insofern ist das vielleicht der blinde Fleck vieler "Großer": Dieser Selbstbetrug, solche Allianzen nur auf Zeit und um ihres eigenen Ziels willen zu schließen, währen sie indessen in einer Weise Tanzbär und Erfüllungsgehilfe der Ordnungen werden, die sie eigentlich nur "von innen heraus" benutzen wollten.
Ich möchte nur noch zu einem kleinen Teil Stellung beziehen:
Einige Überlegungen in der jüngsten Vergangenheit und auch z.B. das Lesen der Himmler-Bio von Peter Longerich oder das Beschäftigen mit forensischer Psychologie und Psychologie im Allgemeinen hat meine persönliche Sicht der Dinge noch einmal dahin radikalisiert (oder: noch einmal misanthropiert), dass wir von ein sehr großen Menge von Menschen umgeben sind, die auf der Kippe stehen.
Damit meine ich, dass die nur von gesellschaftlichen Regeln und Konventionen und Gesetzen daran gehindert werden, als Zerstörer aufzutreten oder ihrem Sadismus freien Lauf zu lassen (Ich bin zu wenig Psychologe um einen genauen Trennstrich ziehen zu können, aber es scheint mir doch ein bedeutender Unterschied zwischen Zerstörern und Sadisten zu bestehen. Sprich: Alle Sadisten sind (potentielle) Zerstörer, aber nicht alle Zerstörer sind Sadisten). Aggressivität und der Hass auf ihre Feinde - eine Gruppe die sie zumeist vollkommen willkürlich definieren - ist für ihr eigenes Selbstbild konstituierend und sie setzen das nur nicht in Taten um, weil sie a.) eben von gesellschaftlichen Konventionen daran gehindert werden, b.) einfach zu feig dazu sind.
Zu b.): Aber nur weil sie das sind, heißt das nicht, dass sie nicht davon träumen. Der Wiener forensische Psychologe Thomas Müller hat einmal (sinngemäß) gesagt: "Man wacht nicht morgens auf und ist ein Serienmörder."
Was er damit meint ist, dass diejenigen, die solche Taten begehen, sie zuvor schon vielfach in Gedanken durchgespielt haben.
Allerdings denke ich, dass ein solches Verhalten nicht allein auf 'Große' beschränkt ist. Mit anderen Worten: Wir sind von jede Menge Himmlers da draußen umgeben... und wenn man Kommentare mancher User aufmerksam liest, auch hier auf KV.
(...) dass die Risiken für die Gesellschaft nicht die Sadisten, Zerstörer etc. sind...
Damit meine ich, dass die nur von gesellschaftlichen Regeln und Konventionen und Gesetzen daran gehindert werden, als Zerstörer aufzutreten oder ihrem Sadismus freien Lauf zu lassen (Ich bin zu wenig Psychologe um einen genauen Trennstrich ziehen zu können, aber es scheint mir doch ein bedeutender Unterschied zwischen Zerstörern und Sadisten zu bestehen. Sprich: Alle Sadisten sind (potentielle) Zerstörer, aber nicht alle Zerstörer sind Sadisten). Aggressivität und der Hass auf ihre Feinde - eine Gruppe die sie zumeist vollkommen willkürlich definieren - ist für ihr eigenes Selbstbild konstituierend und sie setzen das nur nicht in Taten um, weil sie a.) eben von gesellschaftlichen Konventionen daran gehindert werden, b.) einfach zu feig dazu sind.
Zu b.): Aber nur weil sie das sind, heißt das nicht, dass sie nicht davon träumen. Der Wiener forensische Psychologe Thomas Müller hat einmal (sinngemäß) gesagt: "Man wacht nicht morgens auf und ist ein Serienmörder."
Was er damit meint ist, dass diejenigen, die solche Taten begehen, sie zuvor schon vielfach in Gedanken durchgespielt haben.
Allerdings denke ich, dass ein solches Verhalten nicht allein auf 'Große' beschränkt ist. Mit anderen Worten: Wir sind von jede Menge Himmlers da draußen umgeben... und wenn man Kommentare mancher User aufmerksam liest, auch hier auf KV.
Dass sehe ich genauso, deswegen ist es essentiell wichtig für eine jede Gesellschaft, dass es in der Dialektik zwischen Bewahrern und Aufrührern, von Normen geleiteten Menschen und solchen, die sich jensetis der Normen stellen, stets mehr Bewahrer und Normengeleitete gibt.
Es braucht die Empörer, die Agents Provocateurs, die Normen in Frage stellen und die Möglichkeiten anderer oder neuer Regeln und Lebensweisen aufzeigen, weil sonst eine Gesellschaft in ihrem Konservativismus bräsig wird und an mangelnder Anpassungsfähigkeit scheitert. Es ist auch nötig, dass sie in ihrer Konsequenz rücksichtslos sind, sonst wird jede Utopie und jeder Widerstand schon im Keim assimiliert.
Doch hätten solche - von "Vulkanen", die wirklich fruchtbare Erde hinterlassen, bis zu Schmalspurhimmlern, die eher Mitglied der Droogs sein könnten - über längere Zeit eine Gestaltungsmehrheit, würde alles in unkalkulierbarer Willkür und Exzessen versinken; bald wäre dann von einer Gesellschaft nur noch desintegrierte Anarchie oder ein riesiges Gulag übrig.
Es braucht die Empörer, die Agents Provocateurs, die Normen in Frage stellen und die Möglichkeiten anderer oder neuer Regeln und Lebensweisen aufzeigen, weil sonst eine Gesellschaft in ihrem Konservativismus bräsig wird und an mangelnder Anpassungsfähigkeit scheitert. Es ist auch nötig, dass sie in ihrer Konsequenz rücksichtslos sind, sonst wird jede Utopie und jeder Widerstand schon im Keim assimiliert.
Doch hätten solche - von "Vulkanen", die wirklich fruchtbare Erde hinterlassen, bis zu Schmalspurhimmlern, die eher Mitglied der Droogs sein könnten - über längere Zeit eine Gestaltungsmehrheit, würde alles in unkalkulierbarer Willkür und Exzessen versinken; bald wäre dann von einer Gesellschaft nur noch desintegrierte Anarchie oder ein riesiges Gulag übrig.
"ist es essentiell wichtig für eine jede Gesellschaft, dass es(...) stets mehr Bewahrer und Normengeleitete gibt.
Es braucht die Empörer, die Agents Provocateurs, die Normen in Frage stellen und die Möglichkeiten anderer oder neuer Regeln und Lebensweisen aufzeigen,
Es braucht die Empörer, die Agents Provocateurs, die Normen in Frage stellen und die Möglichkeiten anderer oder neuer Regeln und Lebensweisen aufzeigen,
Aber, ganz gleich wie man zu ihnen steht, ist die Entstehung der Piratenpartei und gutes und auch beruhigendes Beispiel für das Politische in unserer Gesellschaft, denn sie konnten entstehen und wachsen (und wieder in sich zusammenfallen, was eben mit ihrer sehr begrenzten Programmatik zusammenhängt) ohne das religiöse, politische oder sonstige Spinner gewaltsam gegen sie vorgingen. Ich denke, dass zeigt eine grundsätzliche Bereitschaft zur Veränderung - der natürlich der menschlich Drang des Bewahren-wollen ganz erheblich entgegen steht.
Don't get me wrong, es gibt vieles, was mich an diesem Land ärgert, aber ich denke, die Gesellschaft und politische Kultur in den allermeisten Ländern der Welt ist da keine Alternative. Also kann man - jeder in seinem Bereich - den Mund aufmachen und muss hoffen - und sich darauf einstellen, das diese Hoffnungen in der Regel enttäuscht werden! Kleine Dosen halt...