Rote Herzen in Orange!

Short Story zum Thema Stolz

von  tastifix

Irgendwann ist es in den meisten Teenager- oder auch Jungerwachsenenherzen soweit. Eine bestimmte Sehnsucht steigt hoch, lässt sich nicht mehr bezähmen, noch nicht einmal mehr per allseits gepriesenem Verstand. Der ist nämlich futsch, verbannt für lange, lange Monate.


Dann ist es eines Tages passiert.

In der Folgezeit behandele ich die betreffende Tochter, als ob sie aus Zucker ist, vergegenwärtige mir während jedes, noch so kurzen Gespräches, kommt es auf das besagte Thema, insgeheim im Blitzestempo sämtliche Psycholgie-Schachzug-Regeln. Ich lerne nullkommanix, meine Plapperschnute zu bremsen und stattdessen jedes Wort, bevor ich es äußere, sicherheitshalber mindestens dreimal auf die berühmte Goldwaage zu legen. Es ist verteufelt anstrengend, bringt mir aber die triumphale Erkenntnis:
"Mensch, das habe ich wieder gut hingekriegt. Die strahlt ja wie die Sonne höchstpersönlich!"


Unsere Unterhaltung läuft in etwa so ab:

"Es macht wirklich Spaß mit Knautschi."
"Natürlich, Mama!"
"Wie lieb der mit uns läuft. Er trotzt überhaupt nicht und legt sich auch nicht mit den Anderen an."
"Selbstverständlich nicht, Mama!"
"Seit er bei uns ist, sind wir richtig fix geworden!"
"Knautschi ist eben tüchtig!"
"Zudem ist er in allem soo bescheiden!"
Meine Tochter grinst:
"Wie ich Mama. Hat er von mir...!"
Ich schlucke:
"Nee, so ganz trifft das nicht zu. Du fr... isst mindestens das Doppelte!"

Tochters Miene verdüstert sich. Ist es die Aussage an sich oder etwa nur die Formulierung...?
Doch den pädagogischen Zweig des Lyzeums habe ich schließlich nicht umsonst besucht, mache also meinen Schnitzer schleunigst wieder wett:
"Beide habt ihr eine tolle Figur!"
Über das Gesicht meiner Tochter geht ein deutliches Leuchten.
"Puuh, gerade noch die Fettnäpfchen-Kurve gekratzt!", atme ich im Stillen auf.

Dieses Fettnäpfchen-Radiergummi wirkt wahre Wunder. Es bleibt nicht allein bei jenem leichten Freudenschimmer. Mein Nachwuchs wird regelrecht gesprächig:
"Mama, er ist ja so süüß!"
Hastig pflichte ich bei. Krampfhaft überlege ich:
"Schnell noch ein Lob obendrauf!"
"So etwas Niedliches sieht man selten!", bekräftige ich.
Damit befinde ich mich wieder auf der sicheren Seite.

Tatsächlich schweigen wir beide die nächsten zwei Minuten, jede in ihre Gedanken vertieft und setzen gutgelaunt unseren Weg fort. Zunächst geschieht auch nichts Aufregendes.

Nach dieser Denkpause allerdings landet Knautschi, der wegen unserer Loberei schon gar nicht mehr weiß, wie er seine Schnauze noch höher strecken kann, im absoluten Schwarm-Himmel.

Ein hoch eleganter, dunkelblauer BMW der Luxusklasse rauscht an uns vorbei. Ein wenig verunsichert forsche ich im Gesicht meiner Tochter. Verkraftet sie diese unverfrorene Prestige-Provokation... Wird es Knautschis Seele den Rest geben?

"Der sieht ja wirklich gut aus!", bemerke ich vorsichtig, wiederum jedes Wort auf die schon erwähnte Goldwaage legend.
Mein Nachwuchs stutzt einen Moment. Sie schwebt sichtlich in höheren Spären und erwidert im Brustton der Überzeugung:
"Ja, aber gegen meinen Knautschi ist er ein Nichts. Knautschi ist der Schönste von allen!"
Ein zweites Mal an diesem Tage hat die Sonne eine ernst zu nehmende Konkurrenz.

Darf ich vorstellen?

Knautschis offizieller Name:
Knautschi-Orangi von Micra zu Nissan!!

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram