Am späten Abend betritt Tochter Martina mein Zimmer:
„Mama, magst Du gleich mal Rummy Cup spielen?“
Da schon ziemlich müde, muss ich mich erst einmal sammeln.
„Gerne!“
Von jeher schwärmen wir für Gesellschaftsspiele. Wir quatschen dann noch eine ganze Weile ...
Plötzlich klopft es. Martina öffnet. Der baumlange Kerl dort vor uns ist tatsächlich der Bürgermeister der weit entfernten Landeshauptstadt Erfindburg, gekleidet wie ein Mitglied des englischen Oberhauses anlässlich eines Festaktes in einen hoch eleganten Cut und sogar mit einem Zylinder auf dem KOpf.
Die Hose stützt sich mit ihrer messerscharfen Bügelfalte Millimeter genau auf die Schuhe, die bei einem olympischen Strahl-Wettbewerb mit hundertprozentiger Sicherheit auf dem obersten Podest landen würden. Die Nickelbrille auf der Nase und der penibel gepflegte Bart gibt ihm noch zusätzlich etwas Würdevolles. In seiner Hand trägt er einen schmucken, silbernen Spazierstock.
Sein Blick fällt auf mich, eine Frau in einem da wahrlich unmöglichen Look. Im zerwühlten Bett Ich hocke ich mit total verwuschelten Haaren und selbstverständlich ohne jede Schminke. Das zerknitterte Nachthemd schlottert mir um die Beine und reicht gerade mal bis zur Wade. Als absoluter Clou bestechen dann weiter unten die grell rosa Bettsocken aus einem äußerst groben Material.
Der Bürgermeister verzieht keine Miene.
„Gestatten, dass ich mich vorstelle: ´Herr von Lug und Trug!` - Übrigens, Gnädigste, Sie sehen bezaubernd aus!“
´Der Name passt!`, denke ich dazu recht ungnädig, bewahre notgedrungen Haltung und lächele doch nur sehr verkrampft zurück.
Mit einem ausgesprochen bemüht charmanten ´Einen Moment, bitte!` hechte ich knapp an ihm vorbei hastig aus dem Bett und schleppe fix unseren mittlerweile extrem wackligen, bei jeder Bewegung laut knarrenden Küchenstuhl herbei.
´Ist ja beinahe schon ein Schaukelstuhl!`
Schnell flüstere ich Martina zu:
„Koch mal Kaffee!“
„Wie denn, Mama?“
´Tja, wie ging das bloß noch?`
Egal.
„Nimm einen Kaffeelöffel Pulver und acht Tassen Wasser dazu! Und vergiss die Milch nicht!“
Unterdessen lässt sich der Bürgermeister auf dem Stuhl nieder, der durchdringend zu knarren und gefährlich zu schaukeln beginnt.
„Es sitzt sich fantastisch auf ihm!“
´Deine Fantasie möchte ich haben! Aber die gehört bekanntlich in deinem Job dazu!`
Mit Kaffeekanne, Tassen und Büchsenmilch bewaffnet kehrt Martina zurück. Das Pulver-Wasser-Milch-Gebräu schmeckt zum Kotzen. Aber:
„Kööstlich!!“
´Der kohlt, ohne rot zu werden. Na ja, ist eben ein Politiker!`
Der Höflichkeiten sind nun genug ausgetauscht. Nun kommt Herr von Lug und Trug zur Sache und eröffnet mir den gewichtigen Grund seines Besuches. Er schaut mir ernst, danach noch ernster und schließlich beunruhigend ernst in die Augen.
Dann fragt er:
„Wie wäre es mit einer Partie ´Lügen haben kurze Beine` ... ??“
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