Das Gehirn

Satire zum Thema Gesellschaftskritik

von  deflyn23

Noch nie hatte irgendjemand davon gehört. Die meisten glaubten sowieso nicht im geringsten an Dinge dieser Art und Größenordnung, und schon allein deshalb war es ihnen auch noch nie in den Sinn gekommen, über etwas so Abstruses wie einen Apparat nachzudenken, der sich im Kopf eines jeden Geschöpfes befand und es zum Denken befähigte.
„Sehen wir einmal hier nach…“, murmelte eine der merkwürdigen Gestalten, die in einen noch merkwürdigeren Raum um etwas herumstanden. Der Raum gestaltete sich selbst in einem klinisch perfekten Weiß, eine Farbe, die aus einem Licht resultierte, das den Raum selbst darstellte. Er schien sich selbst darin zu gefallen.
Die Gestalten trugen etwas, das man in Anbetracht des Raumes als Tarnkleidung hätte bezeichnen können. Ihre Kittel, Hauben, Handschuhe und Sandalen passten sich perfekt an den Raum an. Auch die Textilfetzen, die sie sich, mit Schnüren um die Ohren befestigt, über die Mitte ihrer Gesichter gespannt hatten, stimmten farblich überein. All dies zusammen ergab ein Bild, das jeden Zuschauer hätte erblinden lassen, so weiß war es in dem Raum; glücklicherweise hatten sich die Augen der Gestalten ebenfalls und bereits schon vor langer Zeit weiß gefärbt, weshalb ihnen von daher keine Gefahr drohte.
Die Mitte des Raumes, um die die Gestalten neugierig und ratlos herumstanden, bildete eine Art übergroßer Tisch, mit massiven Beinen, die metallisch glänzten. Sie trugen eine Platte, die ebenfalls die Bezeichnung massiv verdient hätte, denn das war sie in der Tat. Und angenehm dunkel, fast schwarz im Vergleich zum Rest ihrer Umgebung.
Auf ihr lag eine Gestalt, die den Anwesenden im Raum vermutlich nicht ganz unähnlich war. Wenn man sich Gedanken darüber macht, wie die Merkwürdigen wohl unter ihren merkwürdigen Kleidern aussehen, kommt man vermutlich zu diesem Schluss. Die Gestalt auf dem Tisch war unbekleidet und schien tot zu sein. Zumindest ließ die geöffnete Schädeldecke diese Vermutung zu.
Die Gestalt, die am nächsten an der Öffnung stand, war schon seit einiger Zeit damit beschäftigt, sich einen möglichst intellektuellen Gesichtsausdruck zu wahren, während sich ihre beiden Hände im Kopf des Toten befanden.
„Es… äh, also fühlt sich an wie Wachs“, ließ sie sich zu einem ersten Urteil hinreißen, weil sie natürlich die erwartungsvollen Blicke der anderen wahrnahm, ohne dies aber zu deutlich zu zeigen.
„Kaltes, aber dennoch flüssiges Wachs.“, stellte die Gestalt nun fest.
Ein Raunen ging durch die Gruppe der Versammelten. Worte wie paradox und absolut unglaublich! fielen.
„Besteht denn die Möglichkeit, dass dieser Apparat uns die Gabe verleiht, zu denken?“, trat eine andere Gestalt an die Operierende heran.
„Nun…“, sie zog ihre Hände aus dem Kopf und betrachtete ihre jetzt nicht mehr so weißen und sterilen Latexhandschuhe, „ich halte es für unwahrscheinlich. Ein solches Gewirr, ein solches Chaos, halte ich als Ursprung all unserer geordneten Gedankengänge nicht geeignet. Noch dazu diese Konsistenz…“, die Gestalt befreite sich von den Handschuhen und fuhr fort, „viel zu weich und biegsam, um dem Druck unserer leistungsfähigen Gedanken stand zu halten.“
Als sich die Gestalt komplett gereinigt und sterilisiert hatte, wandte sie sich an die Versammelten: „Verbrennt diesen Körper und lasst Öffnungen dieser Art verbieten. Sagt den Leuten, hier gibt es nichts zu sehen. Sollen sie lieber Karten spielen gehen.“

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram