Sicherlich gibt es schon irgendwelche psychoanlytischen Grundsatz- Untersuchungen darüber, warum man zu ganz bestimmten Terminen so gerne zu spät kommt oder sie auch gleich ganz vergisst.
Wenn man von Männern hört, die ihre eigene Hochzeit verschlafen, dann ahnt frau doch gleich, dass diese Ehe ja wohl unter einem schlechten Stern steht, denn zumindest ER hat ja scheinbar sämtliche Verdrängungsmechanismen in Gang gesetzt, um sein Unglück noch etwas hinauszuschieben.
Zahnarzthelferinnen können wohl auch ganze Opern davon singen, dass es nie möglich ist, den geplanten Zeitablauf einzuhalten, weil die Patienten vor lauter Bohrer- Phobie ständig erst später als erwartet erscheinen.
So was kann mir natürlich nicht passieren. Schließlich habe ich keinerlei schlechte Erfahrungen mit Zahnärzten. Meine Beißerchen sind mit einer schier unerschütterlichen Gesundheit gesegnet. Mit 24 Jahren habe ich meinen letzten Milchzahn verloren, - (nach Aussage des Dentisten, - ich konnte es ja selbst nicht glauben !) und mit 28, als alle Altersgenossen schon von schlimmsten Bohr- Sitzungen, schmerzhaften Zahnbehandlungen und gezogenen Weisheitszähnen berichteten, bekam ich meine erste Plombe.
Sämtliche Besuche auf dem Sessel bescherten mir lediglich das Entfernen des Zahnsteins und das gute Gefühl, dass Schokoladenschmelz bei mir eine gesundheitsfördernde Verbindung mit Zahnschmelz eingeht. (Wie viel Dankesschreiben von Süßigkeitenherstellern und Schoko- entzogenen Kindern würden wohl bei mir eingehen, wenn ich das wissenschaftlich fundamentieren könnte ?????)
Nun überraschte mich meine Zahnärztin beim letzten Besuch mit der Aussage, dass jetzt doch eine ausgiebigere Behandlung nötig wäre. Der Zahnschmelz, der sich unter das Zahnfleisch geschoben hat, müsste dringend entfernt werden.
Allein diese Vorstellung hat ja nun wirklich nichts Angenehmes mehr an sich, aber da ich mutig den Tatsachen ins Auge sehen wollte, konnten mich auch die mitfühlenden Ausführungen einiger besonders netter Leute aus meinem näheren Bekanntenkreis, die mir alles, was sie selber dabei erlebt hatten, in den schauerlichsten Farben ausmalten, - nicht schocken.
Was sollte mir schon passieren? Schließlich habe ich schon in anderen Körperregionen ganz andere Schmerzen ausgehalten und überhaupt: So was ist doch ein Klacks ! Davor habe ICH doch keine Angst !
Seltsamerweise kam ich an diesem Morgen zu spät zu meinem Termin, - aber das war ganz erklärlich, weil ich noch so viele Dinge zu Hause erledigen musste, die unaufschiebbar waren.
Fröhlich begrüßte ich die Helferinnen im Vorraum. Irgendwie schauten die mich ganz mitleidig an. So ein Blödsinn.
”Wird schon nicht so schlimm werden. Tut bestimmt auch gar nicht weh!” - beruhigte ich das nette, junge Mädchen, die mir das wohlbekannte Tuch um den Hals band.
Völlig entspannt lag ich dann in dem Behandlungsstuhl und wartete, dass es nun endlich losginge. Das rhythmische Klopfen meiner Fingernägel auf den Lehnen nervte mich unangenehm. Wo blieb die Ärztin denn nur? Warum ließ sie mich denn hier so lange warten? Als wenn ich nichts Besseres zu tun hätte.....
Nach unendlich langer Zeit, -es waren mindestens drei Minuten vergangen -, kam die Dame im weißen Kittel mit strahlendem Blendax- Lächeln herein. ”Na, dann wollen wir mal !”
Na ja, ich will eigentlich nicht, aber bitte..... wenn ihr das so einen Spaß macht.
Sie bestand darauf, mir den Oberkiefer zu betäuben, obwohl ich doch der Meinung war, dass das alles gar nicht so schlimm sein könne. Doch ich wollte die Gute ja nicht verärgern.....
Die Spritze sah bedrohlich groß aus, - solche großen Geräte werden sicherlich sonst bei anderen nie verwendet, - weiß der Himmel, was sie sich dabei dachte, ausgerechnet mir so ein Monsterteil zu verpassen.
Aber alles kein Problem, - geübt in diversen Entspannungstechniken, konzentrierte ich mich auf möglichst schöne Gedanken, - versuchte an den nächsten Urlaub zu denken..... wie ich in der Sonne am Strand liege, ein Schwarm Möwen kreist um mich herum. Plötzlich kommt eine im Sturzflug auf mich nieder und pickt mir schmerzhaft in die Oberlippe ...... - Das war nix. Die nächste Reise führte mich auf eine blumige Waldlichtung, - ein Pferd graste neben mir, kam immer näher.......... und biss mich in den Unterkiefer. es schmerzte scheußlich und prompt war ich wieder zurück in diesem Stuhl, wo Frau Doktor nun dabei war, kräftig unter meinem Zahnfleisch zu wühlen.
So langsam bekam ich das Gefühl, sie wolle mir die Zähne einzeln ausgraben. Das kann doch nicht normal sein !!! So, wie sie da prockelte, konnte doch kein Zahn mehr halten.
Aber sie blickte immer noch sehr zuversichtlich und merkte wohl gar nicht, dass sie mir langsam jegliche Wurzeln herausmeißelte.
Irgendwann, - es muss Stunden später gewesen sein - war sie endlich fertig. Zumindest mit dem Oberkiefer. Sie meinte, dass sie den unteren Teil lieber in einer zweiten Sitzung machen wolle. Nun ich wollte ihr die Ruhepause wohl gerne gönnen, --- insgeheim überlegend, ob ich wohl jemals wieder diese Räume betreten würde.....
Die Betäubung ließ erst viel später nach, - bis dahin konnte ich nicht mal eine Zigarette rauchen, weil die Oberlippe es nicht schaffte, sich um den halben Stängel zu drücken, damit ich hätte daran ziehen können. --- Sehr unangenehm !
Ansonsten bin ich noch immer der Meinung, dass meine Behandlung eine außergewöhnlich schwerwiegende gewesen sein muss, Nur so kann ich es mir erklären, dass ich während der Sitzung einen halben Meter tiefer in den Stuhl gerutscht bin.
Oder war die Ärztin eben doch einfach nur unfähig und brutal ????
Es wird doch nicht womöglich an mir liegen ???
War ich etwa nicht anders, als jeder andere Patient, der bei Schmerzen an den Zähnen zum jammernden und weinerlichen Weichei wird ?????