Stahlherz

Kurzprosa zum Thema Traum/ Träume

von  rela

Lieber Harry,

Heute Nacht hatte ich einen bösen Traum.
In eine Klinik hat man mich gebracht.
Weißt du, mein Herz tut mir oft so weh, wenn ich an dich denke.
Weil ich dein Lachen nicht mehr hören kann.
Nur noch in der Erinnerung, darf es leben.

Tränen sind nicht zeitgemäß, haben sie mir gesagt, in der neuen Welt.
In einen kalten, sterilen Raum haben sie mich gebracht.
Viele Ärzte waren da.
Beobachtet haben sie mich, getuschelt, und manche haben sogar über mich gelacht.
Einer kam zu mir und zeigte mir einen Gegenstand, den er in den Händen hielt.
Es war ein Herz aus Stahl.

Einpflanzen wollten sie mir dieses Herz.
Robust sei es, sagten sie mir, kalt und unverwüstlich.

Was ist mit meinen Erinnerungen, fragte ich.
Wer braucht schon Erinnerungen an alten Schmerz, an Menschen die nicht mehr sind,
antworteten sie.

Was ist mit der Liebe, fragte ich.
Da lachten sie und erklärten mir, dass ich lieben werde, mit dem Stahlherzen.
Mich selbst würde ich lieben können, wie nie zuvor.

Und meine Freunde, fragte ich.
All die Menschen, die mich mögen, und die ich mag.
Du brauchst keine Freunde mehr, sagten sie mir.
Das neue Herz macht dich stark und Sentimentalitäten werden überflüssig.

Überlege gut.
Du bist nicht mehr die Jüngste, doch mit dem Stahlherzen liegt noch eine
lange Zukunft vor dir.
Geh mit der Zeit, sagte der Arzt mit dem kalten Blick.

Da fühlte ich das Blut in meinem Herzen pulsieren.
Die Erinnerungen, die Freunde, die Liebe.
All das müsste ich hergeben, für dieses unverwüstliche Stahlherz.

Ich dachte an die Schmerzen, die man meinem Herzen noch zufügen könnte
und es pochte so wild und laut, dass ich davon aufwachte.

Es war ein Traum, nur ein böser Traum.
In meiner Brust, fühle ich mein sterbliches Herz schlagen.
Ich lebe, lieber Bruder. Kannst du es hören?
Ich lebe.

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Kommentare zu diesem Text

Herzwärmegefühl (53)
(15.11.07)
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 rela meinte dazu am 16.11.07:
Danke. liebe Moni. Du hast ganz sicher kein Stahlherz. Der Preis für tiefe
Gefühle ist nun mal ein sterbliches Herz. Ich zahle ihn gerne und ich glaube, du denkst wohl ebenso. Traurigkeit und Freude kann man annehmen und wenn dann irgendwann das sterbliche, fühlende Herz einmal zu schlagen aufhört wird es wissen, dass es seine Aufgabe "Leben" richtig gemeistert hat.
Freue mich sehr über deine Worte und den lieben Gruß. Rela

 TrekanBelluvitsh (15.04.13)
Ein düsterer Blick in die Gegenwart(, den ich teile). Diese 'Ärzte' findet mal heute überall, ganz gleich welchen Beruf sie ausüben. Und es ist schon große Kraft von Nöten, sich dagegen zu wehren und dass das lyrische Ich sie in der Konfrontation mit diesen 'Medizinverabreichern' findet, ist zumindest ein Hoffnungsschimmer.

 rela antwortete darauf am 23.04.13:
Das lyrische Ich hat sich sich gewehrt und sich nicht dem kalten Singsang der Stahlherzen ergeben obwochl der Preis dafür doch ziemlich hoch ist. Sich selbst treu bleiben oder mit dem Strom der Kaltwelt schwimmen. Zwei Möglichkeiten und ich wünsche meinem lyr. Ich, dass es die richtige Wahl getroffen hat.
Meine kleine Geschichte, als Traum erzählt, ist natürlich stark übertrieben und trägt dick auf. Dabei soll sie nur etwas ganz kleines, bescheidenes ausdrücken - die Menschlichkeit.
Danke für Deine Zeilen. Rela

 TrekanBelluvitsh schrieb daraufhin am 23.04.13:
Ist es nicht die Aufgabe jeder Literatur dick aufzutragen? Wie sollte sie sonst wirken?
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