Was soll das Geschrei?

Kommentar zum Thema Aktuelles

von  Jean-Claude

Liechtenstein ... was soll das Geschrei? Alle haben es gewusst. Ich finde es nicht erstaunlich, dass Herr Z. das tut, was alle Anderen seines Kalibers auch tun. Nun ist ein kleiner Teil durch einen gekauften Denunzianten aufgeflogen. Noch nicht einmal die Spitze des Eisbergs ist zum Vorschein gekommen. Sofort schreien alle: Verbrechen, Verbrechen ... einer sogar Kapitalverbrechen (hat wohl was verwechselt). Schon komisch, dass die Meisten von uns Steuersünden erst ab einer bestimmten (außerhalb unserer Reichweite liegenden) Größenordnung als Verbrechen ansehen. Ein klein wenig das Finanzamt (oder die Versicherung) bescheißen ist schon in Ordnung, aber so ... Als ob man das Verwerfliche an der Größenordnung festmachen könnte. Es kommt mir so vor, dass die, die am lautesten schreien, nur neidisch sind, weil sie keine Gelder besitzen, die sie am Fiskus vorbei schleusen könnten. Die Liechtensteiner sehen die Größenordnung gelassen. Als Reaktion werden die (heute schon guten) Sicherungsmaßnahmen verstärkt und die Herrschaften können anschließend noch ungenierter praktizieren. Der Vater des heutigen Fürsten soll dem früheren Finanzminister Waigel auf eine entsprechende Bitte hin geantwortet haben: „Ein Staat, der seinen Bürgern mehr als die Hälfte ihres Einkommens wegnimmt, handelt unmoralisch und Unmoral unterstütze ich nicht.“ Nachdenkenswert, finde ich.
Nun kommt Albert (der aus Monaco) nach Berlin. Merkel will ihm ordentlich die Leviten lesen. Albert gilt als ausgesprochen reinlich. So wird sie bei dem, was er sie zu tun auffordert, optimale Bedingungen vorfinden.
Dass mit unserer Steuergesetzgebung etwas nicht stimmt, wissen alle. Wie sonst könnte es sein, dass in einer Studie, die Steuergesetzgebung auf Gerechtigkeit, Fairness und Ausgewogenheit untersucht hat, wir den allerletzten Platz belegen, obwohl wir mehr Steuerliteratur produzieren als der gesamte Rest der Welt. Wir sind wieder einmal die Größten. In solchen Augenblicken suche ich immer unser Land auf Globus, der auf meinem Schreibtisch steht.
Ein wenig Leid tun mir die kleinen Fische unter den jetzt Erwischten. In Deutschland werden  Steuersünder wesentlich schlechter und gemeiner behandelt als Vergewaltiger oder Kinder- und Frauenmörder. Haben Sie einmal eine "Steufa" (Steuerfahndung) erlebt? Mit der Silbe "fa" habe ich Probleme.
In meiner näheren Umgebung hat sich Folgendes zugetragen: Am Gründonnerstag um vier Uhr hat man einen US-Bürger (der kein deutscher Steuerbürger war) zusammen mit seiner deutschen Ehefrau aus dem Bett heraus verhaftet. Man hatte eine Steuerermittlung fingiert, um ihn zu einer Aussage gegen seinen Schwiegervater zu erpressen. Die Einzelheiten erspare ich mir, sie sind zu grausam und perfide. Der Mann behielt trotz allem seinen Humor und teilte den Ermittlern um 14 Uhr mit, er wolle ein Geständnis ablegen. Darauf gab er zu Protokoll: „Ja, es stimmt, ich habe John F. Kennedy erschossen ...“ Um 16 Uhr war der Spuk vorbei. Die amerikanische Botschaft hat ihn aus den Fängen der deutschen Justiz befreit. Er verließ zusammen mit seiner Familie umgehend das Land und hat geschworen, nie mehr deutschen Boden zu betreten. Ich hoffe, dass Sie niemals in das Visier dieser Leute geraten. Das passiert, öfter als Sie glauben, auch völlig Unschuldigen. Sie haben dann keine Rechte mehr und für die Fahnder gelten keine. (Das gilt natürlich nur bis zu einer Schadensumme bis zu einer Million Euro. Darüber gelten wieder ganz andere Gesetze.)
Bauchgrimmen bereitet mir auch, dass die Sache Liechtenstein von Leuten untersucht wird, die eine recht ambivalente Beziehung zum Recht zu haben scheinen. Oder haben Sie schon einmal einen deutschen Staatsanwalt streng objektiv ermitteln sehen, wie es das Gesetz ihm vorschreibt. Ich nicht. Die Herren biegen und beugen das Recht täglich und manchmal bricht es dabei. Betriebsunfall. Tut uns Leid. Meistens aber ohne Entschuldigung. Wenn Sie Glück haben eine kleine  Entschädigung (fünf Euro pro Tag für zu Unrecht erlittene Haft). Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Leute dem Druck, der unweigerlich auf sie zukommt, standhalten werden. Es gibt zu wenig Aufrechte in dieser Spezies. Es wird wohl so ausgehen wie immer: Die Kleinen hängt man ... (siehe brandaktuell VW).
Die größeren Verbrechen begehen, meiner Meinung nach, diejenigen, die es sehenden Auges (und es ändern könnten) zulassen, dass ... große Teile unserer Gesellschaft verelenden und in Armut versinken, ... die Kinderarmut (und damit die Chancenlosigkeit) sich in den letzten vier Jahren verdoppelt hat, ... man schon klammheimlich darüber nachdenkt, wie man die Alten zu einem (rechtzeitigeren) Ableben bringen kann und das alles in einer Zeit, in der Steuergelder nur so sprudeln und Unternehmen, vor allem Banken, sich mit der Verkündung von  Rekordgewinnen überbieten.
Für solche Verbrechen wurde noch nie einer eingesperrt. Im Gegenteil. Die erhalten noch ein Staatsbegräbnis. Wenn ich da nur an den Einen denke, der nachweislich unrechtmäßig mit Millionen jongliert hat und bis heute unbehelligt ist. Hoffentlich unterläuft seiner(m) Nachfolger(in) beim Staatsakt der (freudsche) Versprecher:
„Er hat am Vaterland verdient ..."
So, nun höre ich auf. Sonst bin ich nächste Woche in der „Geschlossenen“. Da kommen die hin, wenn das Strafgesetzbuch auch nach dem Biegen und Beugen nichts hergibt, die die Dinge beim Namen nennen.

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Kommentare zu diesem Text

teccla007 (51)
(27.02.08)
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 Jean-Claude meinte dazu am 27.02.08:
Danke für deinen Kommentar. Leider werden noch immer viel zu Wenige nachdenklich. Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe ...
Liebe Grüße Jean-Claude
teccla007 (51) antwortete darauf am 27.02.08:
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Nihil (35)
(08.03.08)
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