Es war einmal ein weit entferntes Königreich mit wundervollen Ländereien, die sich vom blauen See bis hin zum eisigen Kargland erstreckten. In diesem Königreich, in einer kleinen Hütte, droben auf dem grünen Hügel, lebte Hans.
Der Hans war ein junger Bursche, ein Müllersmann, voll Heiterkeit und Lebenslust. Seine größte Freude war es, nach getaner Arbeit, barfüßig über die satten Wiesen der weiten Weiden zu wandern. Dabei immer ein Lächeln auf den Lippen und sein Täschchen, das locker im flotten Schritte seines Wanderns über seine Schulter baumelte. Ihn begleiteten stets die gleichen Dinge, die ihm nie langweilig wurden: ein gerupftes Stück Brot vom frisch gebackenen Laib, das seine Oma täglich buk, ein ordentliches Stück herzhaft duftendem Käse, ein flottes Lied -im Geiste; und bei besonders guter Laune geträllert- und natürlich sein geliebtes Kraut. Auch sein Vater rauchte und schmauchte liebend gerne das Kraut, so wie dessen Vater schon zuvor. Und auch dessen Vater rauchte und schmauchte bereits das Kraut, so wie schon seine Väter zuvor. Manch Sage berichtete, dass selbst die Urväter schon gerne Kraut rauchten.
Das Krautschmauchen hatte wahrlich Tradition in diesem fernen Königreich. Es war nicht irgendein Kraut, es war ein ganz besonderes. Nur ganz wenige beherrschten die Kunst des Anbaus und vor allem der rechten Verarbeitung. Dieses Wissen wurde von Generation zu Generation weitergegeben, in einer ganz speziellen Gilde von gar finst'ren Hexern. Von diesen bezogen alle Bürger des Königreiches ihr geliebtes Kraut. Mittlerweile war bekannt, dass das Rauchen des Krautes die gefürchtete Lungenfäule hervorrief und gar noch viel üblere Dinge. Die einen schobens auf dunkele Zauber, die die Hexer wirkten, die anderen auf andere Umstände. Manch Verwirrter schob es auf die Sünde. Doch die meisten schobens einfach beiseite. Zu gerne rauchten sie doch ihr Kraut.
Dem alten König, Friedrich der Gutmütige, war dies reichlich gleich. „Sollen doch die Menschen tun, wonach es ihnen verlangt“, sagte er stets und lächelte dabei. Der neue König hingegen, Eugen der Garstige, war ein König anderen Geistes. Zwar tat er auch Gutes, wie die vielen Ländereien des Königreichs zu einen, doch wollte er stets darüber walten und lenken, was seine Untertanen zu tun und lassen haben – ja sogar, was sie denken sollten. So wirklich ernst konnte den Jungspund allerdings kaum einer nehmen, denn mal unter uns: der hellste Stern am Firmament war der garstige Eugen nun wirklich nicht. Manch einer mochte sagen, dass seine Kontrollsucht nur durch seinen Stumpfsinn und seine Gier übertroffen wurde.
Wie so vieles schon zuvor, missfiel dem Eugen auch das alte Kraut. Zu viele seiner Untertanen wurden krank davon und konnten fortan nicht mehr anständig für ihn knechten. Jedoch war die Hexergilde wahrlich gut mit Eugen befreundet. Und aufgrund ihres äußerst regen Handels konnten sie Eugens schäumende Wut über die große Seuche seines Reiches doch stets mit einem großen Säcklein voller Gold besänftigen. Und Eugen LIEBTE Gold. Man munkelte er hätte sich gar manchen Zahn abgebrochen, bei dem Versuch seine geliebten Taler sogar noch zu essen.
Doch zurück zu Hans.
Als Hans eines schönen Tages, die Sonne schien und die Vöglein zwitscherten, wiedermal auf Wanderschaft ging -oh, es gab doch so viel zu entdecken- da traf er, unten am summenden Bach, einen Fremden auf einem Stein sitzend an. Da Hans eh eine kleine Pause brauchte -in letzter Zeit brauchte er immer öfter eine- und ihm nach einem Pläuschchen war, setzte er sich zu dem Fremden, der sich als Hon vorstellte und ihm aus schmalen Äuglein freundlich entgegen lächelte. Die Zwei unterhielten sich angeregt. Hon berichtete Hans von seiner Reise aus Fernost und den vielen wundersamen Erlebnissen und Begegnungen auf seinen Wegen. Hans stopfte sich ein Pfeifchen, nahm ein paar Züge und bot sie dann sogleich Hon an. Hon lächelte, lehnte jedoch kopfschüttelnd ab. Aus seinem Wandersack holte er seine eigene, metallene Pfeife hervor. „Hier, probier mal das“, sagte er grinsend. Hans staunte, solch eine Pfeife hatte er noch nie gesehen. Bei den ersten Zügen musste Hans noch etwas husten, doch was er da in seine Lungen sog, gefiel ihm.
„He, das schmeckt ja richtig gut. Das schmeckt ja nach Apfel!“
Hon lächelte.
„Ist das etwa Apfelkraut, das Du da rauchst?“, fragte Hans.
„Das ist kein Rauch.“, schmunzelte der weise Mann aus dem fernöstlichen Lande.
„Wie? Kein Rauch? Aber das qualmt doch!“
„Nein, nein. Das ist kein Qualm, das ist Dampf.“
„Ha, Dampf!“, lachte Hans, während er weitere Züge aus Hons Metallpfeife nahm. „Apfelkrautdampf, was?“
Jetzt musste auch Hon lachen. „Es ist eine Essenz, die ich entdeckt habe. Eine Essenz aus dem Kraut, das Du da rauchst - aber mit einem winzigen Schuss Apfelextrakt.“ Er zwinkerte ihm zu. „Es ist ähnlich wie das Krautrauchen, nur macht es nicht so krank.“
In den nächsten Stunden fragte Hans tausende und abertausende Fragen über diese wundersame Essenz. Hon erklärte ihm, dass er dort wo er herkommt so etwas wie ein Medizinmann sei. Die Menschen in dem fernen Land rauchten das alte Kraut ebenso gerne wie die Menschen hier. Und auch sie wurden sehr krank davon. Deshalb hat sich Hon auf die Suche nach einer Lösung des Problems gemacht und nach vielen, vielen Versuchen letztendlich die Essenz zusammenstellen können. Nun war er auf der Reise um diese kostbare Essenz in alle Länder zu verbreiten und sein Wissen weiterzugeben. Der Tag verstrich wie im Flug; und Hon lehrte Hans die Weisheit der Essenz und der metallenen Pfeifen, auf dass Hans sie in das Königreich tragen möge. Sie verabschiedeten sich, als die Sonne schon fast hinterm Horizont verschwunden war, und Hans eilte euphorisch zurück in sein Dorf.
In den nächsten Wochen machte sich Hans nun daran, die frohe Kunde zu verbreiten. Viele waren sehr interessiert, spürten sie doch die Folgen des Krautrauchens schon am eigenen Leibe – die einen mehr, die anderen weniger. Bei manchen stieß es auf Ablehnung. „Hexenwerk!“, riefen sie oder „Dassis' doch Gift!“. Die Monate gingen ins Land und immer mehr Leute ließen die Finger vom Kraut und dampften nun viel lieber. Es schmeckte viel besser -gab es doch eine Vielzahl an köstlichen Extrakten, die man der Essenz beifügen konnte-, sie konnten wieder besser riechen und schmecken, besser atmen – es erging ihnen einfach rundum viel besser. Und sie mussten nun nicht mehr ihr hart erarbeitetes Gold den gierigen, finst'ren Hexern in ihren dunklen Schlund werfen. [Auch wenn sich Berichten zufolge nun neue Händler, die die metallenen Pfeifen herstellten, reger Beleibtheit, ääääh, Beliebtheit erfreuten – Anmerkung des Erzählers]
Der König Eugen bekam davon nicht allzu viel mit, war er doch damit beschäftigt in seinem geliebten Gold zu baden und die Bürger mit allerlei neuen Verordnungen und Abgaben zu knechten. Seine Berater berichteten ihm zwar von der neuen Bewegung und der langsam weichenden Seuche, doch so recht verstand er es nicht, wie so oft, und so war es ihm egal. Bis eines Tages ein Gesandter der finst'ren Hexergilde zu ihm kam...
„Eugen, mein Freund. Esss verbreitet sich eine neue Esssenzzz unter unsrem Volke. Wollt Ihr denn nichtsss dagegen unternehmen?“, fragte ihn der buckelige Hexer in seiner schwarzen, modrigen Kluft.
„Schon gehört,“ grinste der König während er sich mit dem Daumen eine Goldmünze auf die Stirn schnippste und sich dabei freute wie ein fieses Kind, das gerade einer armen Fliege den Flügel ausgerissen hat, „das is' gut'nä? Meine Untertanen knechten nun viel bessa, weil'se nichtmehrnicht so krank so werd'n. Das is' gut, ja.“. Er kicherte wie blöde (wie?) während er auf den Goldtaler schielte, der ihm auf seiner großen Nase lag.
„Du verstehssst nicht, Eugen. Die Menssschen kommen nicht mehr so oft zu unssserer Gilde!“
„Ja und?“, fragte Eugen, immernoch auf den Goldtaler schielend, sichtlich angestrengt ihn auf seinem Nasenrücken zu balancieren. Er sabberte dabei leicht.
„JA UNNND?!“, fauchte die dunkle Gestalt unter seiner Kapuze hervor. „Wenn die Menssschen nicht mehr unssser Kraut kaufen, dann bekommen wir kein Gold mehr!“
Erwartungsvoll hielt er inne, doch der König konnte ihm nicht folgen.
Der Hexer säufte zischend.
„Dasss bedeutet dasss DU auch kein Gold mehr von unsss bekommssst!“
Da erschreckte Eugen gar fürchterlich. Beinahe kippte er vom Thron und die Goldmünze purzelte von seiner Stirn in den Saal, rollte über den Marmorboden und kam erst irgendwo in einer Ecke zum stehen. Ein eiskalter Schauer lief Eugen über den Rücken und seine Nackenhaare stellten sich auf. „DAGEG'N MÜSSN'WA WAS UNTERNEHM'N! VERBOT! VERBOT! VERBOOOOT!“ kreischte es schon fast aus seinem entsetzten Gesicht.
Der Hexer grinste finster, während er sich seine knöchernen Fingerchen rieb.
„Du brauchssst Dir keine Sssorgen machen, mein Freund. Wir haben ssschon einen Plan...“
Er hinkte zum Thron hinauf und begann die finst'ren Worte in sein Ohr zu flüstern. Eugens entsetzte Miene hellte auf und wich einem diabolischen Grinsen.
Schon am nächsten Tag wurden dutzende Herolde in die Ländereien entsandt. Sie berichteten dem Volke von den vielen, komplizierten und wie so oft unsäglichen, kommenden Verordnungen. Die mittlerweile zu stattlicher Größe gewachsene Gemeinschaft der Dampfer war entsetzt. Ein paar tapfere Dampfersmänner und -frauen schlossen sich zu einer Initiative zusammen, die dem Königspalast nun täglich dutzende Briefe schickte. Manche malten Plakate, manche komponierten gar Lieder um ihre Wut zum Ausdruck zu bringen. Mancherorts gingen sie in Scharen auf die Straße um zu demonstrieren. Der König jedoch, schien nicht empfänglich für ihr Wehen und ihr Klagen. Nicht empfänglich für Bitten und noch viel weniger für Aufklärung. Es bedarf viel, um an wenig Verstand und noch weniger Aufrichtigkeit zu appellieren. Und so drohen nun die bevorstehenden Verordnungen die wunderbare Gilde der Dampfer zu zerschlagen.
Wie die Geschichte weitergeht, liebe Leser, liegt auch in Eurer Hand.
Wollt Ihr des Königs fiesen Verordnungen, gelenkt von der finst'ren Hexergilde, über Euch ergehen lassen? Oder wollt Ihr für Euer Recht und Eure Freiheit, Eure Selbstbestimmung, kämpfen?