Wie Sol die Welt schuf und Tir`godin das Leben säte

Märchen zum Thema Schöpfung

von  DariusTech

WIE SOL DIE WELT SCHUF UND WIE TIR`GODIN DAS LEBEN SÄTE

Ihr Reich war unendlich; ihr Reich war kalt. Es herrschte ewige Nacht, dunkel, leer und still. Die Ungötter schwebten auf einer Wolke aus Eis, Isgalas, die Ewig Kalte. Es gab nicht Jahr noch Tag, nicht Erde noch Himmel, nicht Land noch Ozean. Die Ungötter sehnten sich nach dem Licht, sie sehnten sich nach der Wärme.
Also erschufen sie eine große Kugel aus Feuer, und das Feuer brannte so hell das es jedes sterbliche Auge zu blenden vermocht hätte; und es brannte so heiß das es drohte die Ewig Kalte zu zerschmelzen. Jedoch die Ungötter erfreuten sich an seinem Licht und der Wärme und sie wollten ihr Werk von allen Seiten betrachten. Denn es war schön.
Also ließen sie Isgalas, die Ewig Kalte um das Ding kreisen und sie gaben dem Feuer einen Namen, sie nannten es Sol, den Ewig Heißen. Jetzt war es immer Tag und die Nacht hatte aufgehört zu existieren.
Und das Licht von Sol faszinierte die Ungötter so sehr, das sie ihre Augen nicht mehr davon abzuwenden vermochten, so zogen sie unbekümmert ihre Bahn ohne die Gefahr zu sehen. Doch Sol brannte ungebändigt und wild. Der Ewig Heiße begann das Eis der ewig kalten Wolke Isgalas zu schmelzen. Aber die Ungötter sahen es nicht, denn noch immer waren ihre Augen nur dem Licht zugewandt. So zog Isgalas einen ganzen Kreis um Sol; und dabei hinterließ sie eine Spur aus geschmolzenem Eis. Erst als bereits ein ganzes Jahr vergangen war,  als Isgalas auf ihre eigene Spur stieß, bemerkten die Ungötter was geschehen war.
Denn in diesem ersten, langem Jahr hatten sie sich an dem Lichte Sols satt gesehen, und nun schwebten sie hoch über ihm und der Spur die sie auf ihrer Reise hinterlassen hatten. Tief unter ihnen kreiste ein funkelnder, glänzender, silbrig-blau schimmernder Ring aus Wasser, in ungezählten Facetten reflektierte er das Licht Sols. Auch ihm gaben die Ungötter einen Namen. Sie nannten ihn Ea.
Sie wollten auch Ea aus der Nähe betrachten, doch sie wussten jetzt, dass sie zu diesem Zweck das Feuer Sols zügeln mussten. So erschufen sie die Nacht von neuem. Sie ließen dunkle Wolken aus reinem Schatten den strahlenden Stern umwölken, und auf Ea folgten helle, heiße Tage auf finstere kalte Nächte.
Jetzt umrundete Isgalas Sol ein zweites mal, und die Ungötter schwebten zwischen dem feurigen Stern und dem verzauberten Glanz von Ea. Und Ea umspielte Sol wie einen Geliebten, und reflektierte sein Licht und vervielfältigte es um ein Tausendfaches. Und die Ungötter erfreuten sich an ihrem Werk, denn es war schön. Doch es war still und leblos.
Vielleicht war es das Leben das sich selbst erträumte, oder es war die Schönheit die Früchte trieb. Denn es geschah ein weiteres Wunder. Eine Pflanze, ein unscheinbarer Keim zunächst, entsprang es in der Mitte von Isgalas. Die Ungötter betrachteten den Keim verwundert und beobachteten wie er zu einem silbernen Bäumchen mit goldenen Blättern heranwuchs. Und als schließlich das zweite Jahr vergangen war, war aus dem Pflänzchen bereits ein Baum geworden. Und die Ungötter nannten ihn Tir`godin, und sie erfreuten sich an seiner Schönheit, denn er spendete ihnen Schatten am heißen Tag und verminderte mit seinem Glanz die Finsternis der Nacht. Und sie erfreuten sich am Rascheln seiner Blätter, denn ihre Welt war nicht mehr still.
So begannen sie Sol ein drittes mal zu umkreisen, und im dritten Jahr geschah das nächste Wunder. Tir`godin begann zu blühen, seine Blühten waren zart und filigran wie gefiederte Eiskristalle, auch waren sie weiß, doch nicht vom kalten beißenden Weiß des Eises, sondern von einem warmen, leuchtenden Weiß. Die Blütenpollen waren gelb, und leuchteten wie Sand am Meer.
Manchmal fielen einige der Pollen hinunter, Sie rieselten hinab auf Ea. Dort wo sie auf das Wasser trafen entstanden Inseln im endlosen Meer. All das betrachteten die Ungötter mit Freude und Verwunderung. Und auch als das dritte Jahr vergangen war behielt Isgalas ihren Kurs bei.
Während des vierten Jahres wurden die Blüten Tir`godins zu Früchten. Jede Frucht bestand aus sieben Segmenten und einem Kern, der in der Mitte hinausschaute. Dieser Kern war so silbern wie Tir`godins Stamm und jede der Früchte leuchtete in einer strahlenden Farbe. Die Früchte des Baumes leuchteten in allen Farben des Regenbogens, und anderen Farben auf die niemals das Auge eines Sterblichen gefallen ist.
Die Ungötter waren von Ehrfurcht und Bewunderung für ihren Baum überwältigt, und sie wagten es nicht, auch nur eine der Früchte zu berühren. So fielen die reifen Früchte Tir`godins hinab auf Ea. Und sie säten das Land in all seinen Formen, die Kontinente, Gebirge, Täler und Ebenen. Wenn sie hinabfielen, rissen sie manchmal ein kleines Stück von Isgalas mit sich in die Tiefe, so entstanden die Flüsse und Seen.
Und die Ungötter waren stolz, denn das dort unten war ihre Welt. Und so beschlossen sie, sie in ihrer Gänze zu betrachten. Also verließ Isgalas ihre Umlaufbahn.
Doch wieder hatten sie in ihrer Unbekümmertheit und Arroganz etwas wichtiges vergessen. Sie hatten vergessen wie kalt die Unendlichkeit war, und als sie sich weiter von Sol entfernten wurde Tir`godins Silberstamm grau, und ohne das wärmende Licht Sols wurden seine goldenen Blätter welk, das Gold zu Gelb. Jedoch nicht das schöne leuchtende Gelb von Tir`godins Blütenpollen, dieses Gelb war eher schmutzig-braun und tot. Beängstigt und in Sorge kehrten die Ungötter sofort um.
Aber es war zu spät, denn noch während Isgalas die Sonne das nächste mal umrundete verlor Tir`godin all seine ehemals strahlenden Goldblätter und starb.
Jetzt waren die Ungötter von Trauer und Scham überwältigt, denn der wunderschöne, strahlende Baum hatte wegen ihres Stolzes sterben müssen; weil sie die Schöpfung als ihr Eigentum betrachtet hatten. Gebeugt von Reue und Schuld verbannten sie sich selbst ins unendliche Nichts der ewig stillen Nacht und ließen diesen Ort für immer hinter sich. Wären sie sterblich gewesen, wären sie vor Gram vermutlich gestorben.
Doch in ihrer Trauer um ihren Silbergoldbaum waren sie blind für alles andere gewesen und hatten wie immer in die falsche Richtung gesehen. Sonst hätten sie gesehen wie Tir`godins  Tod das Leben schuf. Im Fallen verwandelten sich seine toten Blätter in Traumvögel, aus ihren Eiern schlüpften alle Wesen dieser Welt während aus den Eierschalen die Pflanzen wurden.
Bis in alle Ewigkeit ziehen die Traumvögel am Himmel ihre Bahn, sie folgen den Schatten und erhellen mit ihrem glänzenden Gefieder die Nacht mit dem Versprechen des nächsten Tages.
Isgalas folgt ihrer Bahn noch heute, sie ist Grab und Denkmal des Lebensbaumes Tir`godin, und so erinnert jeder Winter an die Geburt des Lebens, das aus dem Tod entstanden ist.
Und wenn die Ungötter dies wüssten, so wären sie nicht sie nicht fortgegangen. Sie säßen auf ihrer Wolke und erfreuten sich der Welt.
Denn sie ist schön.

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