Ausgezogen

Gedicht

von  Alpha

Ich bin die Puppe, die im verstaubten Kinderzimmer
auf dem Berg Spielzeug liegt.
Ein Spielzeugkeyboard liegt auf meinen Beinen
und klemmt die Nerven ab, ein Puppenwagen
stößt in meinen Rücken,
ein großer weißer bemalter Teddy
nimmt mir die Sicht auf die Zimmerdecke,
an der die Sterne kleben.
Ich habe keine Welt mehr für Lustigkeit,
keine Seele, noch so schmächtig und unwirklich.
Das letzte Kind hatte mich
zur Seite geschoben,
um die Puppe mit den schönen Kleidern
hervorzuziehen. Ich aber bin nackt.
Mein Puppenleib verdreckt, die Arme verdreht,
im Mundwinkel
das verlassene Nest einer Spinne.

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Kommentare zu diesem Text


 bratmiez (24.04.08)
sag ich doch: kleider machen leute!
vielleicht kommt ja eine neue spinne?!
miao.

 Alpha meinte dazu am 24.04.08:
ja miez, und nein. leute lassen kleider leute machen. so eher. und,
vielleicht kommt eine neue spinne, vielleicht ist oder sind die andere/n auch nur nicht erwähnt, aber das scheint mir keine vorrangig passende weiterdenkung der zeilen. nich so lose dahergeworfen jedenfalls. zum frühstück gibts delta-schokopudding, der ist so wahnsinnig gut.

 mondenkind (24.04.08)
hm. mir wird ein wenig klaustrophobisch beim lesen. gibt es denn noch eine steigerung zu dieser eingeklemmten einsamkeit? aber puppen sind geduldig. manchmal warten sie jahrelang und irgendwann werden sie von großgewachsenen kinderhänden plötzlich wieder gepackt und in einem überschwang an erinnerungen wieder ans herz gedrückt.. manchmal jedenfalls.
lg, nici

 Vaga (24.04.08)
Eine logische Folgerung wird mir zunächst versagt.
Ich bin die Puppe, die im verstaubten Kinderzimmer
auf dem Berg Spielzeug liegt.
Ich dachte mir eine Konsequenz aus Titel und Inhalt, nämlich verband ich mit "Ausgezogen" ein Ausziehen des lyrischen Ichs aus der Verpuppung. Hier IST das lyrische Ich aber die Puppe, und ich werde entführt zum wiederholten Lesen und "Umdenken". Ein starkes Bild, das sich hier einprägt - ich "sehe" nun, auch ohne es noch mal lesen zu müssen, sowohl das Sinn-Innere als auch das Außen. LG - Vaga.

 Alpha antwortete darauf am 24.04.08:
und DAS war tatsächlich deine erste Übersetzung des Titels? Das ist ja interessant! Ich hatte fürs Erstverstehen zwei viel simplere Formen im Kopf ... Ich danke für die Auseinandersetzung, grüßend, A
Lehmfigur (46)
(24.04.08)
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 Alpha schrieb daraufhin am 24.04.08:
Gerne/Danke.
Data-LAB (37)
(25.04.08)
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 Alpha äußerte darauf am 25.04.08:
Thx. grüßend, A

 Ingmar (01.05.08)
"Ich aber bin nackt.
Mein Puppenleib verdreckt, die Arme verdreht,
im Mundwinkel
das verlassene Nest einer Spinne."

unbestritten grossartig, das.
am anfang könnt man noch ein wenig feilen... darf ich?

ingmar

 Alpha ergänzte dazu am 01.05.08:
Bitte sehr.

 Ingmar meinte dazu am 01.05.08:
Ich bin die Puppe, die im verstaubten Kinderzimmer

...verstaubt nimmt dem ende etwas weg. verlassen wäre schön, aber das wort brauchst du am schluss, und dort ists wichtiger noch. aber verstaubt tät ichs hier nicht nennen, das zimmer. oder doch, ich täts so nennen: weil mir keine alternative einfallen will. dir?
anmerkung am rande: wenn dann ein kind kommt und die neuere puppe hervorzieht, widerspricht das dem bild, welches du hier zeichnest vom verlassenen, verstaubten kinderzimmer. hier ist kein kind mehr! also wo kommt dann mitte gedicht plötzlich doch noch dieses kind her?

auf dem Berg Spielzeug liegt.

...berg oder haufen? ich tendiere zum haufen spielzeug. aber das ist pipifax, klar.

Ein Spielzeugkeyboard liegt auf meinen Beinen

...zweimal das wort spielzeug, einmal beim berg, einmal beim keyboard, ist eins too much.

und klemmt die Nerven ab

...toll!

ein Puppenwagen
stößt in meinen Rücken,
ein großer weißer bemalter Teddy
nimmt mir die Sicht auf die Zimmerdecke,
an der die Sterne kleben.

...man könnt schreiben, und würde damit unterstreichen, dass die arme puppe nix sieht: an der vielleicht noch die sterne kleben.

Ich habe keine Welt mehr für Lustigkeit,
keine Seele, noch so schmächtig und unwirklich.

...das mit der schmächtigen, unwirklichen seele ist absolut berührend.

Das Kind, das vor Wochen kam, hatte mich
zur Seite geschoben,
um die Puppe mit den schönen Kleidern
hervorzuziehen.

...finde ich den schwächsten teil des gedichts. würd ich wohl weglassen. es braucht gar kein kind, glaub ich, und auch keine andere puppe. die zeit ist halt vergangen. das kind ist kein kind mehr, spielt jetzt mit anderen sachen oder an sich selber rum. was blieb: ein haufen spielzeug, unbenutzt.

Ich aber bin nackt.
Mein Puppenleib verdreckt, die Arme verdreht,
im Mundwinkel
das verlassene Nest einer Spinne.

...dazu hab ich schon alles gesagt, glaub ich.

gruss,
ingmar

 Alpha meinte dazu am 01.05.08:
Okay.
1. "verstaubt" als Hindeutung und genauere Erläuterung der Titelinterpretation1 ("Ausgezogen" aus dem Haus/Heim), dass der Ort der folgend beschriebenen Szene schon länger verlassen ist
2. nicht "Haufen Spielzeug", da es zu umgangssprachlich ist und damit, verglichen zum "Berg", eher eine kleine Menge beschreibt und auch weniger die Art und Weise, WIE es (herum/aufeinander) liegt
3. 2x Spielzeug: Hervorhebung eines Wortes durch einfache Wiederholung, ohne diese das Wort höchstwahrscheinlich in seiner Bedeutung unbemerkt, als bloß zum Bildkontex gehörend gelesen werden würde
4. "an der - vielleicht noch - die sterne kleben". Muss unterstrichen werden, dass die Puppe nichts sieht? Ich denke nicht ("großer [...] Teddy"), zudem liest es sich mit dem "vielleicht noch", als wären die Sterne eine ehemals gewusste und nun zur melancholischen Hoffnung verkommene Information/Erinnerung - und so soll es nicht gelesen werden. Die Puppe weiß es schlichtweg (...)
5. "Das Kind, das vor Wochen kam, hatte mich / zur Seite geschoben, / um die Puppe mit den schönen Kleidern / hervorzuziehen." - schwächster Teil? Weglassen? Da hast du Recht, in anderen Versionen hatte ich es ebenfalls mit dem Weglassen probiert; klar funktioniert das, aber es ist doch nicht das Gleiche. Ganz und gar nicht. Zum einen ist das Kind und das verlassene Haus kein Widerspruch, zum zweiten hebt die Erwähnung einer Puppe in schönen Kleidern den Zustand unserer Puppe hervor und: mit dem Kind wie auch der angezogenen Puppe wird die zweite Interpretationsmöglichkeit des Titels („Ausgezogen“ - entkleidet worden und nackt sein) näher bearbeitet (an dieser Stelle kann wenn gewollt (quark, sollte!) noch weiter gesponnen werden ... was ich jetzt nicht weiter bespreche, sonst nehme ich ja gleich mögliche Lesergedanken vorweg ...

Hja. Insofern bin ich nicht vollkommen überzeugt, eine Änderung vorzunehmen. Was meinen der Herr?

 Ingmar meinte dazu am 03.05.08:
"Hja. Insofern bin ich nicht vollkommen überzeugt, eine Änderung vorzunehmen. Was meinen der Herr?"

der herr meinen, die hartnäckigkeit stehe dem werthen fräulein gut und gar ausgezeichnet, und der text halte mit und wohl auch ohne erläuterungen der kritik stand. muss der herr ehrlich sagen.
so oder so, danke für die erläuterungen.

und der herr mag das gedicht übrigens mit jedem mal lesen immer noch sehr und immer mehr...

ingmar

 Alpha meinte dazu am 03.05.08:
Oh. Na dann sei auf der Hut!

A

 Ingmar meinte dazu am 06.05.08:
"Das Kind, das vor Wochen kam, hatte mich
zur Seite geschoben,
um die Puppe mit den schönen Kleidern
hervorzuziehen. Ich aber bin nackt."

am rande bemerkt: es ginge gut auch ohne die zeitangabe 'vor wochen':

Das letzte Kind, das kam, ...
oder: Das letzte Mal, da ein Kind kam, ...

ingmar

 Alpha meinte dazu am 06.05.08:
Du hast Recht. Das ist jetzt bedeutend besser, die Zeilenansicht ist wirkungsvoller und es passt wunderbar zur Intension. Danke.
Lena (58)
(04.05.08)
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 Alpha meinte dazu am 04.05.08:
Du kannst durch Teddys gucken?
Lena (58) meinte dazu am 04.05.08:
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Andre_Marto (52)
(05.05.08)
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 Alpha meinte dazu am 06.05.08:
Ich glaube, du hast den Text irgendwie missverstanden. Vielleicht mal frei machen und noch mal lesen?
Andre_Marto (52) meinte dazu am 06.05.08:
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 Alpha meinte dazu am 06.05.08:
Sollte das witzig sein?
Andre_Marto (52) meinte dazu am 07.05.08:
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The_black_Death (31)
(06.05.08)
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 Alpha meinte dazu am 06.05.08:
Aber sie besitzt doch eine Seele ...
Acain (39)
(08.05.08)
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 Alpha meinte dazu am 08.05.08:
Freut mich, dass es gefällt und danke fürs Kommentieren ... auch wenn die Kommasetzung ein kleiner Stich ins Schreiberherz ist.
Acain (39) meinte dazu am 08.05.08:
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 Alpha meinte dazu am 08.05.08:
Das ist eine böse Einstellung.
Acain (39) meinte dazu am 08.05.08:
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 Alpha meinte dazu am 08.05.08:
Ich bitte darum.
Balu (57)
(11.05.08)
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 Alpha meinte dazu am 11.05.08:
Danke. Grüße zurück, A
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