Mannschaftssitzung auf der Cara Mia

Märchen zum Thema Begegnung

von  Reliwette

Und hier nun eine Episode um die lieben Piraten, die in Leer vor Anker gegangen sind:

Piraten in Leer – Teil 2 - Pressearbeit
Am Abend des nächsten Tages –  die letzten Besucher  waren von Bord der Cara Mia gegangen  - berief der Captain eine Mannschaftsversammlung ein. So ein Ereignis fand immer in der Mensa statt. oder was man auf einem Piratensegler dafür hielt...
Hornblewer verlas die Tagesordnung und stellte die Beschlussfähigkeit fest. Den Vorsitz führte er wie immer selbst. Da er niemanden hatte, der den Posten eines Schriftführers hatte übernehmen wollen, übernahm er gleichzeitig auch diese Funktion. Natürlich war er auch Kassenwart und zweiter Vorsitzender, 1. und 2. Beisitzer.
Kassenprüfer fehlten völlig in seinem Regelwerk.
Weil nun die lieben Piraten kein eingetragener Verein waren – sie hatten ja keinen festen Wohnsitz – geriet ja jede Mannschaftssitzung mehr oder weniger  zu einer verkappten Befehlsausgabe denn zu einer echten Vereinssitzung.

Tagespunkt 2 war die Feststellung der Anwesenheit. Onnen fehlte! Der hatte sich ja bereits am Vortage selber Landgang genehmigt.

Nachdem sich Hornblewer von seiner Brüllerei wegen dieser Unverschämtheit wieder erholt hatte, zog er den Kassenbericht vor und stellte fest, dass sich Teeverkauf nicht lohnt zumal man keinen zahlenden Abnehmer dafür hat
Umso erfreulicher gestalteten sich die „Einnahmen aus
Schiffsführungen“.
Demnach hatte die CARA MIA – also er - zwei Eimer voll Geld eingenommen.
Davon wolle er einen halben als Heuer für den bevorstehenden Landgang der Mannschaft „ausschütten.“
Ein kleiner rotgesichtiger Pirat bat um Wortmeldung. Er hob dazu die rechte Hand.
„Was gibt`s?“, fragte Hornblewer unwillig.
„Weshalb willst du den halben Eimer ausschütten?“, wollte der
Ahnungslose wissen.

„Das nennt man so, wenn man Dividende an die Anteilseigner zahlt,“ belehrte ihn Hornblewer.
„Etwas Geld wäre mir lieber“, maulte der Pirat,
„ich glaube kaum, dass ich mit Dividenden hier in Leer einkaufen kann....“
„Blödmann“, rief der Captein,; glaubst Du vielleicht, ich zahle in Astlöchern aus? Ich bin doch nicht die Lehmann - Bank!Also weiter...“
Der Gescholtene duckte den Kopf zwischen die Schultern und zog es vor, für den Rest der Sitzung in brütendes Schweigen zu verfallen.
Seiner Meinung nach kam „Dividende“ von „dividieren“ und das heißt teilen. Er wollte aber seine Heuer mit niemandem teilen.

Auf die Idee, dass „Dividende“ der „Anteil“ war, kam er nicht. Er hatte ja auch kein großes „Latrinum“ erworben in der Schule, und die sanitären Anlage auf der CARA MIA ließen zu wünschen übrig. Also schwieg er und dachte sich seinen (An)Teil an der Sitzung.

Der nächste Punkt waren die Presseberichte der „Botschafter“.
„Mal herhören“, rief der Captain,“ man hat über uns berichtet.“ Er hatte einen Stapel Zeitungen mitgebracht. „Ich habe die Berichte angelesen.
Wir stehen sogar auf der ersten Seite mit Bild.
Wie die das so schnell malen konnten, entzieht sich meiner Kenntnis. Hat einer von Euch einen Maler gesehen?“
Die Frage wurde mit allgemeinem Gemurmel verneint.
„Aber die Bilder sind gut getroffen, hol mir einer die Großmutter aus dem Sack!
Also Ruhe jetzt! Ich lese einen Bericht vor.
Dann lasse ich die Papiere herumgehen. Schaut Euch nur die Bilder an, lesen könnt ihr das sowieso nicht – und wenn doch, kapiert ihr es nicht. Ich kapiere es ja selbst kaum!“
Dann las Hornblewer den Bericht einer großen "Ostfriesische(n) Tageszeitung" vor:

„Die Piraten sind los!
Teeclipper CARA MIA geht in Leer vor Anker

Ein ungewohntes Bild bot sich gestern Hunderten von Schaulustigen sowie mehreren Fernseh - und Rundfunkteams am Hafenbecken an der alten Waage in Leer. Dort war am Vortage ein Seeräuberkapitän und  seine Mannschaft  mit der
CARA MIA vor Anker gegangen. Es handelt sich um einen Dreimast Teeclipper aus dem Jahre 1789.
Das ist an sich schon recht ungewöhnlich. Die Zuschauer staunten nicht schlecht, als sich Kapitän und Mannschaft als Piraten zu erkennen gaben. Entsprechend waren auch Kleidung und Auftreten der Männer. Einer Ansprache des
Kapitäns, der von einem sprechenden Schaf mit einer Augenklappe assistiert wurde, entnahmen die Besucher teils belustigt, teils verständnislos Einzelheiten über den Grund des Besuches.
Demnach hat der mit 16 Kanonen des „achtpfündigen Kalibers“ augestattete Piratensegler Tee geladen. Die Mannschaft hofft nun, diese in Leer anlanden zu können.

Interessierte Zuschauer durften gegen Entgelt an einer Schiffsführung durch das fast 60 Meter lange Vollschiff teilnehmen und erfuhren dabei Unglaubliches.
Zu bestaunen gab es eine (Schiffs)Welt aus dem 19. Jahrhundert samt einer Piratenmannschaft in entsprechender Kleidung. Die CARA MIA führt neben ihrer Ladung, die aus 14 Kisten Darjeeling Tee aus Indien besteht, zwei große Geldkisten mit verschiedenen alten Goldwährungen (Bild) mit sich.
Die Vermutung, dass der Auftritt der Seeräuber, die sich selbst „liebe Piraten“ nennen, in Zusammenhang mit einer Aktion der örtlichen Werbegemeinschaft Leeraner Kaufleute handelt, bestätigte sich indessen nicht.

Zur Zeit befassen sich Wissenschaftler mit der
möglichen Ursache für das Erscheinen der CARA MIA in Form einer Raum-Zeitverschiebung, in die Schiff und Besatzung geraten sind. Der Kapitän ließ in seinen Ausführungen durchblicken, in Höhe des Bermuda-Dreiecks in einen Nebel geraten zu sein. Danach sei ihm und seiner Mannschaft alles fremd vorgekommen – weiter im Innenteil.“

Hornblewer blätterte in der Zeitung und schlug eine markierte Seite auf. Mehrere Fotos ergänzten den fünfspaltigen Bericht, der eine ganze Seite einnahm. Er hielt die Zeitung hoch und schwenkte sie in die Runde: „Da ist ein Bild von Louis – zusammen mit Landratten , da unten ist Amos zu sehen und mich hat man auch ganz gut getroffen. Und hier“, er tippte auf ein Foto rechts in der Mitte, “hat man unsere Geldkisten gemalt, meiner Treu, der Maler hat jede einzelne Münze gemalt, was für eine Arbeit!“
Sodann las er auch den Bericht aus dem Innenteil vor. Da stand es, schwarz auf weiß: Die Cara Mia hatte eine spanische Galeere gekapert!
„Davon weiß ich ja gar nichts“, sagte der 1. Kanonier und zog sofort seinen Kopf ein.
„Blödmann“, raunzte ihn Hornblewer an,“ das war doch nur ein Trick! Meinst Du etwa, ich binde denen alles auf die Nase? Das nennt man in der Fachsprache „Diplomatie“! Kümmere du dich lieber um das Schießpulver!“

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