Der Vaterschaftstest

Satire zum Thema Zweifel

von  Jorge

Der Vaterschaftstest

Ich wurde schon so oft in meinem Leben belogen.
Jetzt, wo ich das Geld dazu habe, will ich die ganze Wahrheit wissen.
War mein Vater wirklich mein Vater?
Hat meine Mutter  mich wirklich auf die Welt gebracht?
Bin ich tatsächlich mit meinem Bruder verwandt?

Dieses Fragenpaket wiegt schwer und wird in meinem Alter viele Kosten verursachen.
Ich schrieb an Molli Geißen von  RFL. Die haben dort jahrelange Erfahrungen mit solchen Recherchen. Es dauerte nicht lange, da kam ein Team von RFL in mein Haus.
Freundlich fingen sie unaufgefordert an,  eine Homestory  zu drehen.
Bevor ich mein  Einverständnis geben konnte, waren Scheinwerfer installiert,  Raummikros  überall angebracht. Im Waschkeller richteten die sich ihr  Tonstudio ein.
In meinem Wintergarten fand ein Interview nach dem anderen mit meinen Nachbarn statt. Peinlich wurde es mir, als sie meinen alten Mathelehrer, Herrn Bläsing  nach meinen schulischen Leistungen befragten. Der mittlerweile 93 jährige Bläsing  spielte die ganze Zeit mit seiner goldenen Taschenuhr  Jojo  und fragte den Reporter, ob er wisse, dass er, Bläsing anno1945  die Zahl Pi  (3,14)  erfunden habe. Als Beweis zeigte er stolz ein Foto seines Hauseingangs  mit der Ehrenhausnummer 314.
Mich hatte Bläsing gar nicht mehr erkannt  und faselte immer etwas von einem Informationshonorar, was ihm zustände und ich solle ihm eine Tasse Pfefferminztee bringen – aber plötzlich.
Der Aufnahmeleiter war ein cooler Typ von Mitte 30. Er hatte übrigens mein after shave  von Pilot water  und er merkte sofort, dass wir gleich rochen.
Obwohl er mein Sohn hätte sein  können,  redete ich mit ihm auf Augenhöhe.
Der Redakteur  kam erst am fünften Drehtag und brachte ein dickes Kuchenpaket von der Tanke mit.
Es ging gar nicht mehr um meine eingangs erwähnten Fragen.
Wie nebenbei  bat er um  einige Gegenstände, die zweifelsfrei meinem vermeintlichen Vater  zuzuordnen seien. Das überraschte mich nicht. Es war aber dennoch nicht ganz einfach. Schließlich lebte mein Vater seit 1975 nicht mehr. Ich hatte aber noch ein Taschenmesser von ihm und eine Zahnbürste, mit der er seine Münzsammlung auf Hochglanz brachte. Das sollte reichen. Dass ich noch das Hörgerät meiner 2002 verstorbenen Mutter  aufbewahrte, brachte mir weitere Pluspunkte vom Sender ein.
Auch mein Bruder bezieht seit zwei Jahren keine Sozialleistungen mehr. Sie hatten ihn auf seinen Wunsch in der Karibik seebestattet. Aber seine guten, kaum getragenen Turnschuhe waren in meinem Besitz – auch das sollte reichen.
Die Aufnahmen waren beendet. Mit mir wollte man live im Studio reden und bei der Gelegenheit auch die entsprechenden  Resultate des Instituts  Eugenius  offen legen.

Die Fahrt nach Berlin verging wie im Fluge.
Bei RFL ging es zu, wie in einer Hotelhalle.
Die Neuangereisten bekamen  einen Begrüßungsdrink. Nach 5 Minuten kam Molli Geißen persönlich mit offenen Armen auf mich zu. Ich fühlte mich echt wohl.
Molli sagte gleich zu mir, „Hab keine Angst vor den Kameras. Du bist ein Naturtalent.“
Wir fahren im Bus zum Studio.
Nach kurzem Trailereinspiel  setzte Molli die lockere Unterhaltung mit mir fort. Da liefen schon die Kameras und bei einigen Studiogästen die bestellten Tränen.
Ich vergaß fast, warum ich eigentlich hier war.
Das Gespräch berührte dann doch noch meine Kindheit in den ersten Nachkriegsjahren.
Ich wurde ein wenig sentimental und hatte einen Frosch im Hals.

Dann wurde  Dr. Weber vom Eugeniusinstitut  gerufen.
Beifall brandete auf.  Der seriös wirkende Dr. Weber öffnete auf  Mollis Verlangen
spannungsvoll  ein Kuvert nach dem anderen.
Danach stand  zu 99,45 % fest,  mein Vater  komme als Vater in Frage. Bei meiner Mutter lagen die Prozentzahlen im vergleichbaren Bereich. Etwas abweichend  dann doch das Ergebnis bei meinem Bruder.
Die laute Studiomusik signalisierte uns allen, die Sendung war abgedreht.
Molli umarmte mich  und sagte noch mal, “ du bist ein Naturtalent“
Ich zückte meine Brieftasche und wollte die Kosten für die sicher teuren Recherchen und die drei Gutachten des Instituts begleichen, da sagte Molli Geißen: „ Ja richtig, jetzt kommen wir zum wichtigsten Teil. Bist du einverstanden, wenn wir dir  4.500 €  geben?
Steuerfrei natürlich?“ 
Mir verschlug es die Sprache  und ich steckte das Geld wortlos in die Brusttasche meiner Jacke. Molli sagte abschließend zu mir:  „Bei dir stimmt einfach alles, die location und die angeborene Lockerheit. Die nächsten Aufnahmen bei dir machen wir zu einem ganz anderen Thema. Ich schick dir noch das Drehbuch. Die Storys mit Senderdrehbuch bringen  allerdings  nur 4 Riesen.“

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Kommentare zu diesem Text

seelenliebe (52)
(01.09.09)
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 Jorge meinte dazu am 01.09.09:
Ich sehe einige Empfehlungen aber nur mein Seelchen war zum Kommentieren bereit.
Dafür mein besonderer Dank, Anne.
Liebe Grüße
Jorge
steyk. (55)
(03.09.09)
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 Jorge antwortete darauf am 03.09.09:
Danke Stefan für deine Meinung.
Manchmal läßt es sich wegen des Familienfriedens nicht vermeiden, diese tollen Sendungen mitzuerleben.
Liebe Grüße nach Bln Kreuzberg
Jorge
BBA (43)
(04.09.09)
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 Jorge schrieb daraufhin am 04.09.09:
Lieber Schummeldoktor,
dachte ich mirs doch, mit Ihnen kann doch auch nicht alles rechtens sein.
Trinken Sie mal morgens ein Schnapsgläschen Olivenöl auf nüchternen Magen
sonst behalten Sie Ihren trockenen Humor ein Leben lang.
Übrigens, ich habe jetzt eine Ansichtskarte meines verstorbenen Bruders aus Kiribati erhalten - was soll ich denn davon halten?

Liebe Grüße
Jorge
BBA (43) äußerte darauf am 04.09.09:
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Christianna (49)
(08.09.09)
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 Jorge ergänzte dazu am 08.09.09:
Danke liebe Christa für dein freundliches Urteil
LG Jorge

 Feuervogel (17.09.09)
Also, bei dir kann ich mich köstlich amüsieren schon am frühen Morgen.....glaub mir, dass tut mir gut...Danke, schönen Tag dir...LG Ela

 Jorge meinte dazu am 17.09.09:
Einen tiefen Diener vor der doppelklickenden Ela.
Frühherbstliche Grüße von Jorge
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