Wenn der Hausfreund zweimal klingelt

Short Story zum Thema Familie

von  Cassandra

Wenn der Hausfreund zweimal klingelt…


Wir hatten unseren Freundeskreis erweitert. Nicht absichtlich, eher unfreiwillig. Sabine schleppte ihn an. Ein schlaksiger, langer Typ mit Vollbart, braunen Knopfaugen und einem Käppi auf dem spärlich behaarten Kopf.

Wie schon erwähnt, sie schleppte ihn an und übergab ihn uns. „Passt gut auf ihn auf“ hätte sie eigentlich sagen sollen …

Anfangs kam er sporadisch, ein Mal die Woche. Da sein Zuhause eher kärglich war, kam ich mit meinem großen Herzen nicht umhin, ihn zu etlichen Mahlzeiten einzuladen. Das Glänzen in seinen Augen erwärmte mein Gemüt und so kündigte er sich immer öfter mit einem zweimaligen Läuten an. Unser Hund, ein  gutherziger Jack Russell, rastete bei diesem Geräusch regelmäßig aus. Aus unerfindlichen Gründen hegte er eine sehr, sehr große Abneigung gegen unseren Hausfreund. Betrat dieser dann, mit einem fröhlichen „Hallihallo“ unsere Gemächer – nie, ohne kistenweise Obst und Gemüse anzuschleppen – war unser Vierbeiner dem Wahnsinn nahe, ja, er überschlug sich fast voller Wut und Hass.

Er wusste alles besser. Sogar Einsteins Relativitätstheorie stellte er infrage. Und auch bei Glaubensfragen zogen wir regelmäßig die Arschkarte. Die Erde war, so behauptete er, eine Scheibe und der liebe Noah war verantwortlich für alles Getier auf dieser Welt.

Er war hilfsbereit. Ein Anruf genügte und schon wenig später stand er mit seinem Schuhkarton vor der Tür. Jederzeit war er bereit, einen von A nach B zu fahren. Es brauchte etwas Zeit, bis man sich daran gewöhnt hatte, dass er bei Gefälle regelmäßig den Motor ausschaltete und an Tankstellen seine Schachtel behutsam, Stück für Stück, weiter an die Zapfsäule schob. Gewöhnungsbedürftig war auch seine Sammelleidenschaft. Was nicht niet- und nagelfest, umsonst zu erhalten und irgendwie brauchbar war, wurde gehortet und bei „Bedarf“ angeschleppt.

Er fühlte sich wohl bei uns, lediglich der Hund war das Problem. Mittlerweile hatte er sogar unsere Katze aufgestachelt. Diese zog bald einen großen Bogen um unseren „Al-Kaida-Schlumpf“ und auch unsere Meerschweinchen verzogen sich, sobald das obligatorische Läuten ertönte. Die Wochen und Monate zogen ins Land, unser Mitbewohner erschien jetzt jeden Tag. Obst und Gemüse gab es im Überfluss – wir  dachten schon darüber nach, Vegetarier zu werden.

Er war nicht nachtragend. Obwohl ab und zu mein Temperament mit mir durchging und ich ihm des öfteren, zugegebenermaßen sehr heftig,  die Tür wies. Wir konnten aber darauf wetten, dass er spätestens am nächsten Tag mit einem lustigen "Hallihallo" und gemüseschleppend um Einlass bat.

Unser Hund veränderte sich. Argwöhnig beäugte er die Haustür. Er machte einen depressiven und gleichzeitig verwirrten Eindruck.

Winterliche Temperaturen zogen mittlerweile über das Land und der Schnee legte seinen weißen Teppich aus. Unser Vierbeiner durfte im Garten herumtollen – er tat dies gerne und ausgiebig, ein Jagdhund eben.

Wir warteten auf ihn. Kein zweimaliges Läuten ertönte, keine Gemüsekisten stapelten sich auf dem Küchenboden. Die Tage vergingen und Unruhe überkam uns. Telefonische Kontaktversuche verliefen im Nirwana, der Al-Kaida-Schlumpf war verschwunden.

Im Dorf kursierten Gerüchte. Schon lange hatte man vermutet, dass ER das Land verlassen wolle. Vielleicht nach Israel, vielleicht in den bayrischen Wald.

Unser kleiner Hausfreund beruhigte sich indessen, fand seinen inneren Frieden wieder. Entspannt lag er auf dem Sofa. Auf dem Rücken liegend, die Beinchen in die Höhe gestreckt, ein leichtes Grinsen auf dem Maul.

Das Frühjahr zog ein und mit ihm mildere Temperaturen. Unser Leben hatte sich beruhigt, und wir fingen an, das Verschwinden des Schlumpfes zu akzeptieren.

Unser kleiner Kläffer spielt indes im Garten, sobald sich die Möglichkeit bietet. Ab und zu schleppt er einen Knochen an und zernagt diesen mit Hingabe…

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text

BBA (43)
(12.10.09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Cassandra meinte dazu am 12.10.09:
herzlichen Dank! Der Typ ist wirklich existent - eben war er schon wieder da..., hab jetzt wieder reichlich Kartoffeln... ;)

LG
Cassandra
The_black_Death (31)
(12.10.09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Cassandra antwortete darauf am 12.10.09:
freut mich, dass sie dir gefällt... ;)

LG
Cassandra
maikmusic (48) schrieb daraufhin am 13.08.10:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Cassandra äußerte darauf am 14.08.10:
Hallo mjk,

ne ne, kein Renault. Ein japanischer Minivan in Form eines Schuhkartons.

Grüß mir D`dorf ganz herzlich.

LG
Cassandrra

 Judas (09.03.11)
Ein Jagdhund eben ;D

 Vessel (20.05.11)
Yay, voll gut ... und die Spitzen stechen erst am ende wirklich ;)
Ob du ihn wirklich als "Schlumpf" bezeichnen musstest, und sogar als "Al-Kaida-Schlumpf"?! Wieso Al-Kaida überhaupt? Das verwirrt mich. Allgemein, das er ein Schlumpf sein muss macht mich irgendwie .. traurig. Vielleicht habt ihr ihn missverstanden?

LG
vessel

 Cassandra ergänzte dazu am 22.05.11:
er sieht schlicht und ergreifend aus wie ein Schlumpf. Zwar etwas groß geraten, aber sein äußeres Erscheinungsbild bringt ihn sofort mit diesen blauen Zwergen in Verbindung. Ach, würdest Du ihn sehen, wüsstest Du Bescheid ;)

LG
Cassandra

 EkkehartMittelberg (25.03.14)
Stories mit schwarzem Humor sind in Deutschland selten. Wenn sie gelingen, hat nicht nur der Hund "ein leichtes Grinsen auf dem Maul."
Grinsegrüße
Ekki
Gringo (60)
(30.04.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Mondscheinsonate (39)
(12.03.15)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Dieter_Rotmund (30.06.20)
Der triviale Pointen-Schluss vernichtet die ganze Geschichte.

Fast hätte ich's empfohlen.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram