Hesperus

Text

von  Akzidenz

Mahnung an Katachronismus


[..] Euer Erdenvolk nennt aber nicht, was es wieder niederreißt, Weltenbrand, Novissima, Harmageddon, Jüngstes Gericht wie andere unerhörte Ungetüme aller Erden Sprachen und Völker, die die Mundarten der Untoten, die Dialekte des Schwefels, den sie atmen und nicht säubern können, von Dikäa bis zur Heiligen Fides durchsaget worden wäre, sondern sind sie gewiss, dass nur der Mensch sie wieder niederreißt, wie es Fabel und Jahrtausend lehrt. Es schwelt die Hitze auf sie nieder und gebäret ihnen ihr Augenlicht. Sonach ist es nicht verwunderlich, dass Ich mir die Athene der Antike zu einer Art Ehrensache meiner persönliche Paideuma herangezogen habe. Wenn Sie mir sagen, jetzt, wo wir zum Mittag unserer kühnen historia, die endlich im einundzwanzigsten Jahrhundert gegipfelt sein möchte, auf das waghalsige Erwachen unserer Art zurücksehen können, und so uns freuen, zu wissen, was es belebte und was ausblieb, kehrt doch größeres Nüchternheit über uns ein und milde Erdenmutter streichelt uns die Wange, der Morgen verschwimmt und wir erkennen unsere Glieder: als ein jenes Glied an seinem Flecke, und so das Erdenvolk ist hic et nunc mit jedem Glied an seinem Fleck.

Zu einer größeren Herrschaft scheint mir die morgendliche Kraft der Seele angeboren; unseren Geschichtsschreibern und Mythographen, den Naturkundlern und Limnologen, den Stoikern, den Alchemisten, den Kosmologen und den Medizinern hier zum Danke. Ganz feucht ihr Morgenrot vor Lächeln ist, und was staunten sie noch über mirabilia, Wunderdinge und Natur, samt größerer Erkenntnisse, die sie umspülten. Es ist hierin von einer der vornehmsten Stellen der Selbsterziehung anzunehmen, dass sie nirgends so tüchtig war und nirgends so tapfer als sie in den verborgenen Unbilden des Wetters, den irdischen Strömungen und Kataklysmen, sich ihre Dithyrambiker herbeiriefen: Plinius maior, Ficinus, Diogenes, Galenos, Empedokles, Heraklit, Isidor von Sevilla. Denn der erste dieser Liste kam beim Ausbruche des Vesuvius um, der dritte starb am Menschen; und bei Leibe scheint mir tragischer, am Menschen zu ersticken als unter Asche zu geraten. Und wirft einen guten Seelenblick in Epitome und Syntagmen, Konvoluten und entschiedene Bücher, so scheint denn nichts ihre Natur missachtet, wieder nichts ihr Aug verfehlt und abermals, denn von Heraklit darf man zitieren, wie es andere aus der Bibel dürfen, würden alle Dinge zu Rauch, würde man sie mit der Nase unterscheiden, sich danach umdrehen wollen, Erde anfassen und Blumen verspeisen. Über den Leonardo da Vinci weiß man folgendes, dass er zur Studie des Menschen, wie auch überhaupt des Leibes und der Phylogenese, autoptische und nekroptische Untersuchungen an vielerlei Körpern vollzog. Von dem Diogenes wiederum, dass er mit der Laterne einen Menschen auf dem Markte suchte. Von Empedokles aus Akragas sagt man sich, dass er sich in den Ätna gestürzt habe, um zurückzukehren, wo er herkam. Und in vielen Fällen der Übermenschen, hat gleichfalls das Nachsehen, das Volvieren, das Studium des eignen Leibes an sich einen Stein geweidet, als nicht nur die Bewegungen und Regungen, die Flügel und die Krallen des eigenen Leibes zu durchleuchten, sondern auch die seiner Peristase, die seiner Bedingung, seiner Luft und seiner Atmung zu erhellen. Alsnach hat dies die wohl höhere Förderung jeder Selbsterziehung incitiert, und wir finden alsgleich genug Beweise darin, dass wir begeistert danach lauschen und die grellsten Lichter suchen. Es hat den Reichtum, der darin entborgen, selbst den Sophisten zu gehorchen, den Zoologen und mit höherem Recht den Philosophen und den Kogitanten und Tutoren, welchen für unser geistiges Fürstentum seliger Dank gebührt, auch vor jener Trägheit hat bewahren können, die unser Zeitalter in ferner Zukunft äußerst ungeschehen machen wird, mit Rücksicht auf die Medizin und die Physik - aber Künstler bringt kaum noch vor. Was wäre es mehr als ein fataler Missbrauch, die Mauern ihres alten Schlosses nicht nur ohne die Ehrfurcht zu bewohnen, die ihren Baumeistern gebührt, denn sie sie hinterlassen haben, die es daran alten Lehren fürchtet, sondern das Tragwerk zu verleugnen, das schon seit Olims Zeiten steht.

Tragt euren Teppich an die Türe, wenn sie mit Koffern aus der Taiga reisen, ihre Gallenblas mit Schnee gefüllt, und Opale in den Händen tragend. Habt ihr Käfer in den Adern nicht die Traurigkeit des Wegs erblickt . .

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