Teil 07

Roman

von  AnastasiaCeléste

Ein angenehm kühler Wind wehte vom Meer herüber. Colby bewegte sich elfenhaft, leicht über den weichen Sand, der ihre nackten Füße umspielte, wie feine Seide. Mit den hohen Hacken hatte sie mehr abgelegt als nur einen Teil ihrer Arbeitskleidung. Ihr langes schwarzes Haar umwehte sie, wie eine dunkle Aura. Sie wirkte wild, die leuchtenden Augen auf den schwarzen Horizont gerichtet, nichts sehend außer die dunkle See, ebenso wild und frei wie sie selbst in diesem Moment. Colby spürte den kalten Wind, der sich auf ihre Haut legte und kleine Schauder entfachte. Sie liebte dieses Prickeln, diese Spur von Leben, das mit einem Mal wieder in sie fuhr.
Ave beobachtete Sie. Er hielt Abstand. Er wollte sie nicht stören in diesem kostbaren Moment. Er war heut Nacht nur ihr Schutz, ihr Freund und ihr Alibi.
Aber nicht nur sie fand an diesem Ort ein Refugium. Auch er war hier jemand anderes, selbst wenn seine Waffen ihn hier ebenso begleiteten wie überall anders. Sie waren und blieben immer ein Teil von ihm. Aber er war hier ein Stück mehr der Alveric, der er wäre, wenn er Corvin niemals kennen gelernt hätte. Der nie ein Leben gelöscht hatte und nur eins wollte - leben.
Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als sich zwei Arme um seine Mitte legten und sich ein warmer Körper unter seinem Mantel an ihn schmiegte. Colby legte ihren Kopf an seine Brust, den Blick noch immer auf das Meer gerichtet.
Ihre zarte Haut war kalt, aber ihr Innerstes glühte. Ave hielt sie fest. Er wusste, dass sie in ihm ihre Erlösung suchte. Er war ihr funken Hoffnung, aus diesem Teufelskreis irgendwann einmal auszubrechen. Und er meinte es jedes Mal zu spüren, wenn er mit ihr zusammen war, dass unter ihrer Haut die Sehnsucht nach einem Zeichen von ihm brannte. Ein Zeichen, eine Einwillig, dass er sie dort rausholen würde.
Es schmerzte ihn, wenn er daran dachte, sie auch diese Nacht wieder in Corvins Fänge, seine grausame Obhut zu entlassen. Sie ihm erneut förmlich auszuliefern. Eine andere Wahl blieb ihm nicht. Sie hätte keine Chance gehabt, wenn sie flüchten würde, selbst mit seiner Hilfe. Vielmehr würde er ihre beiden Leben riskieren. Denn Corvin blieb das Monster, dessen Augen und Klauen immer in der Nähe waren.
Sie hatten sich in dem weichen Sandbett niedergelassen. Während Colby sich an ihn kuschelte, ließ Ave immer wieder einen feinen Sandstrahl zwischen seine Finger hindurchrieseln. Die winzigen Steinchen verursachten ein kribbelndes Gefühl an den weicheren Hautstellen. Hin und wieder erlaubte er sich für einen kurzen Moment die Augen zu schließen. Aber nie länger als ein paar Sekunden. Immer mit geschärften Gehör. Das ständige Absichern seines Umfeldes, hatte sich zu tief in seinen Gewohnheiten verankert.
Er hätte sich gern fallen gelassen, so wie Colby, deren zarte Finger verträumt, die feinen Vertiefungen seiner einzelnen Muskelpartien unter seinem Shirt nachfuhren.
Er ließ sie gewähren. Sie war die einzige, die ihm so nahe kommen durfte. Ihre Berührungen die einzigen, die er außer seinen Eigenen kannte.

Als er Colby wieder an das Innocent übergab, spürte er deutlich ihr flehendes Innehalten in dem Moment, als sie sich voneinander trennten. Das Geld, das Ave ihr eigentlich gar nicht hätte geben müssen, fühlte sich schlechter an, als all das Andere, dass sie Tag und Nacht ihrem Boss brachte. Eine einfach Angewohnheit von Ave, ihr sämtlichen Ärger zu ersparen. Dieses Geld war ihr großzügiges Alibi, gegenüber ihren Kolleginnen und Corvin, sollte dieser ihr nicht glauben.
Während Ave den alten Chevy und sich nach Hause lenkte, lag Colby jedoch noch nicht in einem sorglosen Schlaf, sondern in den Armen eines fremden Mannes, der zu dieser frühen Stunde ausgerechnet sie für sich erwählt hat. Der Zauber dieser Nacht war vollständig von ihr abgefallen. Die Wildheit in ihren Augen war schon mit dem Übertreten der Eingangsschwelle schlagartig erloschen. Und das starke Gefühl von Freiheit, das sie am Strand umgab, starb als sie sich diesem gesichtslosen Mann auf ihrem Bett hingab.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (19.02.13)
Ich hoffe und gehe einfach mal davon aus, dass noch weitere Teile folgen.

Ach ja, ich weiß ja nicht, ob du das kennst, aber ich habe beim Lesen den Soundtrack zu 'Unbreakable' gehört und das passte ganz klasse dazu.
(Kommentar korrigiert am 19.02.2013)

 AnastasiaCeléste meinte dazu am 19.02.13:
Hallo,
schön, dass dich mein Roman so begeistert.
Es gibt in der Tat mittlerweile schon eine ganze Menge mehr zu lesen.
Aufgrund fehlender Resonanz habe ich das Posten neuerTeile erstmal eingestellt. Aber mit dem Wissen um dich als Leser, kann es nun gern weitergehen :)

Ich habe zu der Story auch schon meinen eigenen kleinen Soundtrack. Songs zu einzelnen Szenen, Stimmungen und Charakteren, die wirklich gut passen.

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 19.02.13:
Schön zu hören.
Über die fehlende Resonanz solltest du dich nicht ärgern. O.k., ich tue es bei meinem eigenen Roman auch, aber es ist nun einmal so, dass die Lesebereitschaft der KVler bei Texten über 100 Worten rapide abnimmt.

Ach ja, und das Phänomen, sich für längere Texte die einem sehr wichtig sind, sich den eigenen Soundtrack zusammenzustellen, um z.B. in die 'Stimmung' der Geschichte zu kommen, kenne ich sehr gut.

Grüße von mir
T.B.
DocHerb (44) schrieb daraufhin am 02.02.16:
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