Der Andere

Erzählung zum Thema Aktuelles

von  Muuuzi

Ich kannte den alten Mann nicht, der mit dem Rücken zu mir stand. Seine Kleidung war alt. Seine Haltung gekrümmt. Er hielt sich angestrengt an einem braunen Stock fest, der nach jedem Schritt ein stumpfes Geräusch ertönen ließ. Sein Körper zitterte. Dennoch bewahrte er Stärke. Es schien, als dass er sich nichts aus den Meinungen der anderen Menschen machte, die ihn komisch anstarrten. Er beachtete sie nicht.

Ich kann mich noch an seine Augen erinnern. Sie waren müde und leer. Er war allein. Zumindest glaubte ich das. Langsam humpelte er zu einem jungen Mann und hielt ihm einen kaputten Pappbecher hin. Doch der Mann warf ihm genervte Wörter an den Kopf. Schnell ging dieser weiter.

Der alte Mann sah sich verwirrt um. Eine Dame mittleren Alters verscheuchte ihn, als er zu nah an ihren Friseursalon trat. Sie gestikulierte wild und schrie, dass er weggehen sollte. Dann drehte sie sich schnell um und schloss die Tür. Ihre Dauerwelle tanzte.
Der Mann sagte nichts.

Er setzte sich auf eine Bank und beobachtete die Menschen. Viele tuschelten, wenn sie an ihm vorübergingen. Manche lachten auch. Drei Frauen kicherten, als sie ihn betrachteten und mit dem Finger auf ihn zeigten.

„Wie schlimm muss es sein, auf der Straße zu leben! Igitt. Wie ekelig!“, sagte Einer.

„Der soll arbeiten gehen! Das hat er nun davon! Ich geb ihm sicher nichts!“, sagte ein anderer.

„Fauler Hund! Das geschieht dir recht!“, schrien alle zusammen.

Der Alte schaute nicht zu ihnen.
Er tat mir leid und deshalb setzte ich mich zu ihm. Ich legte meine Hand auf seinen Rücken und reichte ihm etwas Kleingeld. Ich lächelte ihn mitfühlend an. Doch er sagte nichts.

Er schrieb nach einer Weile auf ein Blatt Papier: „Ich bin taub. Manchmal ist es ein Segen, nicht hören zu müssen, was Menschen zu sagen haben!“

Dann lächelte er mich an.


Anmerkung von Muuuzi:

tja...

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Kommentare zu diesem Text

fdöobsah (54)
(26.03.13)
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 Muuuzi meinte dazu am 27.03.13:
Danke für den Kommi!
Hat mich ehrlich gefreut! :)

 Lluviagata (26.03.13)
Das Wesentliche hat mein Vorgänger gesagt.

Mein eigenes Erlebnis:
In der Schlange an der Kasse stehend sah ich, wie ein Obdachloser der Kassiererin seinen Pfandzettel hingab und das geforderte Restgeld für 2 Flaschen Bier. Der Mann lächelte die Frau an und zeigte dabei sein lückenhaftes Gebiss. Diese zuckte vor jeder Bewegung des Mannes zurück und rümpfte dabei recht offensichtlich die Nase in alle Richtungen, beifallheischend. So auch in meine. Ungerührt sah ich zu, wie der Mann ging und die Frau das Geld mit einem demonstrativ abgerissenen Stück Küchenrolle aufnahm und mit einem Ausruf des Ekels in die Kasse warf. Dann wischte sie sich noch zehn Mal die Hände ab und wartete immer noch auf eine Reaktion der Leute in der Schlange. Keiner sagte etwas, nur ich meinte: Wenn sein Geld stinkt, warum haben Sie ihm dann das Bier nicht geschenkt? Sie wurde puterrrot und blickte irgendwie lächelnd und irgendetwas stammelnd in mein versteinertes Gesicht.

Ich kann nicht so gut wie du erzählen, aber ich hatte sofort diese Episode vor Augen und möchte sie dir als Kommi dalassen.

Sehr gut! Hier stimmt alles.

Liebe Grüße
Llu ♥

 Muuuzi antwortete darauf am 27.03.13:
Gott, ist das traurig, deine Geschichte! :(
Aber ich finds toll, dass du was gesagt hast.

Danke vielmals! ;)
lg
gaby.merci (61)
(04.06.13)
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 Muuuzi schrieb daraufhin am 07.06.13:
Danke! :)
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