Das einmalige Rendezvous - Teil XIV.

Erzählung zum Thema Gewalt

von  pentz

Das Handgemenge

Nützt es etwa, bis zum Jüngsten Tag auf einen günstigen Augenblick zu warten? Also, was soll’s? Irgendwann muss ja eine Entscheidung fallen und etwas geschehen.
Aber mit Sicherheit würde ich heute noch dort sitzen und mir das vorsagen, wenn mich nicht der Sheriff zum Handeln gezwungen hätte. Ja, ich schreibe bewusst Sheriff.
Denn, was macht der sich von Lachen und Erinnerung schüttelnde Polizist am Ende, nachdem er sich erleichtert hat, sprich die Pistole vom Leib gezogen hat, samt Gürtel? Er legt beide Füße auf dem Schreibtisch. Genau, wie bei den Cowboys, besser den Cowboyfilmen. Das muss man sich einmal vorstellen! Ich bin empört:
DAS MACHT MAN DOCH NICHT!
Mich widert dieses Verhalten an, dass schließlich mein Kontrollsystem aussetzt, andernfalls hätte ich es sicherlich niemals gewagt, was jetzt kommen wird.
Ich springe abrupt aus meinem Sessel auf, gehe ziemlich schnell auf ihn zu und spreche: „Jetzt müssen Sie mich doch begleiten, Herr Kommissar!“, womit klar ist, wohin. Schnell zieht er aus seinem Schreibtisch den Schlüssel hervor, während ich noch auf ihn zugehe. Damit ist er früher fertig, als ich ihn erreichen kann, womit die Ausgangslage zu schlecht ist, im Angesicht zu Angesicht, sage ich mir.
Aber er wendet sich mir den Rücken zu, während er auf die Tür zuschreitet.
Ich stoppe, denke, der hat doch einen Sprung in der Schüssel. So eine Leichtsinnigkeit, einem Delinquenten die verwundbarste Stelle zuzuwenden. Das ist nur damit zu erklären, dass er noch trunken ist von seiner nostalgischen Erinnerung ob seiner im zartesten Alters zart aufgekeimten Autorenschaft.
Aber wahr ist‘s.
Jetzt muss man mich gesehen haben. Ich bin nicht mehr zu bremsen, ich mache einen Satz, als ob ich über eine Latte springen würde und werfe mich auf ihn, als ob er mich huckepack nehmen soll. Dabei stürze ich mit ihm gegen die Tür, beide kopfwärts voran. Beim Aufschlagen sowie anschließendem Umkippen der Körper verliere ich einige Sekunden lang das Bewusstsein.
Eine Schalldämpf-Tür ist stark gepolstert, so dass man sich kaum den Kopf einrennen kann. Wieder zu mir kommend, sehe ich meinen Gegner gleichfalls benommen, sich den Kopf haltend und auf dem Boden räkelnd. Offenbar hat er sich eine Wunde am Schädel zugezogen. Dort fließt Blut. Ungeachtet dessen werfe ich mich wieder auf ihn, mit zum Schlag ausholenden Arm.
Stattdessen des Kinns trifft die Faust die Kehle, was ziemlich schmerzhaft sein muss, weil ihm ein markerschütternder Schrei entfährt. Seinen Oberkörper umfassend, stoße ich ihm aber mit dem Ellbogen in die Rippen, ich glaube sie brechen zu spüren, hören und lege noch einige Schläge nach. Er schreit weinerlich auf - für einen Polizisten ziemlich kläglich.
Sei’s drum, schlag zu, damit er endlich bewusstlos wird.
Aber er wehrt sich verbissen.
Plötzlich hat er mich am Hals.
Mit aller Kraft meiner beiden Händen versuche ich seine Zwinghände vergeblich wegzureißen. Ich verlagere meinen Standpunkt und konzentriere meine Kraft dahingehend, ihn mit meiner Stirn direkt in sein Gesicht hineinzustoßen. Ich höre und spüre Knorpel brechen und splittern, hole erneut aus und schlage zu, wobei ich unglücklicherweise dieses Mal seine Zähne treffe. Es kackt und krächzt bei ihm, wohingegen sich bei mir ein Wundmal auf der Stirne bildet. Völlig entsetzt hält er einen blutigen Zahn zwischen zwei Fingerspitzen vor sich. Wut wallt in ihm auf, er ballt die Faust, die er auf mich zukommen lässt, als drohe er damit und als wolle er damit etwas demonstrieren. Der Mangel an Schwung ermöglicht es mir, den Arm zu fassen zu kriegen, die Hand zu ergreifen und sie auf den Boden zu drücken. Sogleich setz ich mein Knie darauf, verlagere derart das Gewicht auf die Hand, so dass ich es mit dem Knie niederdrücken kann. Seine Finger halten einen Moment stand, bis sie begeleitet mit einem Krachen und furchtbaren Schmerzensschrei aus seinem Mund entzwei gehen.
Ich werfe mich gleich wieder auf ihn, den Überraschungsvorteil auszunutzen und ungeachtet meiner Blutallergie. Ich befinde mich in einem Blutrausch, anders es nicht gesagt werden kann, schlage heftig und unkontrolliert auf ihn ein, obwohl immer mehr rote Feuchtigkeit auftaucht und verschmiert.
Egal jetzt, es geht um alles.
Plötzlich befinde ich mich in der Stellung Rücken-zur-Wand, sitze aber am Boden. Er hingegen, der sich aus seiner Kriechstellung erhoben hat, stürzt schon wieder auf mich zu, und ich kann im letzten Moment meine Beine heben, auf die er nun fällt, sich mit dem Bauch dagegen drängt, in der Luft hängend und wild um sich schlagend. Er ist jetzt total in Rage, blindlings und besinnungslos gestikuliert er um sich. Ich denke mir, gut so, nachdem er sich ausgetobt hat, wird er müde und schlapp geworden sein. Dass er so wild und blind um sich fuchtelt, liegt daran, dass er wirklich blind ist momentan wegen des in die Augen gelaufenen und gedrungenen Blutes.
Es ist über das ganze Gesicht verteilt, verschmiert und verkrustet und die Augen sind ganz verklebt davon. Einesteils weil sich dieses über die Backen verteilt hat und andererseits, wohl wegen Hang zu Bluthochdruck, hat er solch einen roten Kopf, als wäre er ein Clown, ein Jeck oder dekadenter Adliger aus dem 18. Jahrhundert. Es ist zum Lachen!
Völlig überdreht ist er, und wie oft habe ich mir schon vorgestellt, wie es wäre, wenn plötzlich ein Mensch irre wird, von einem Moment zum anderen, völlig unvorhersehbar und ohne Vorzeichen, aber an einen Polizisten habe ich bei dabei beileibe niemals nicht gedacht. Erschien mir das doch zu kurios. Von daher stecke ich jetzt einerseits völlig unvorbereitet und planlos in der Bredouille, andererseits in einer nicht unerheblichen Ironie enthaltenden Situation.
Ich lasse ab von ihm mit meinen Füßen, ohne mich nicht dabei wegzudrehen, so dass er erneut mit den Kopf an die Tür plumpst, werfe mich sofort hinterrücks auf ihn, umfasse seinen Hals mit meinen Arm und strecke diesen nach hinten, nicht ohne Angst auszustehen, ich könnte ihn das Genick brechen, so dass ich es nur mit halbherzigen Druck ausübe und er dabei meiner Umklammerung entfleuchen kann, sich zu mir herwendet und mich jetzt seinerseits umfasst.
Ich lasse mich nach hinten plumpsen und so kugeln wir jetzt miteinander einige Zeit noch herum, bis ich plötzlich mit meiner Hand seine Weichteile zu fassen kriege.
Er schreit wie am Spieß, wenn ich nur den leisesten Druck ausübe. In meinen Händen halte ich seine Eier.
Jedenfalls ist er paralysiert, gelähmt und sprichwörtlich in meiner Hand, wenn es auch bloß seine Eier bzw. Hoden sind. Er ist mir jetzt total ausgeliefert, ich kann machen, was ich will mit ihm.
„Wollen Sie sich ergeben?“
Er nickt, grummelt etwas von Aber-Ja-Doch.
Blöde Frage, er ist ja schon gefangen, er braucht sich nicht mehr zu ergeben.
„Tun Sie auch, was ich Ihnen sage?“
Wieder nickt er.
Gut, aber was nun? Aber natürlich, die Handschellen. Damit ich vor Überraschungen geschützt bin.
Wo stecken die, verdammt?
„Wenn Sie die Handschellen suchen, dann…“
Mensch, hat ihm der Schlag gegen die Tür das Gedankenlesen gelehrt, oder was? Aber nein, das Opfer zu binden, nachdem überwunden, ist der nächste logische Schluss. He, vielleicht sollte ich den Polizisten überhaupt erst einmal fragen, was ich als nächstes tun soll bei meiner Geiselnahme? Die wissen Bescheid, logisch, sind sie doch für solche Ernstfälle geschult. Also denn.
Es ist ein ziemlich umständliches Unterfangen, an die Eisen-Fesseln im Sekretär heranzukommen unter solchen Umständen, wie man  sich leicht vorstellen kann. Natürlich lasse ich seine Hoden nicht aus meiner Hand. So humpeln wie zusammen umständlich und uns gegenseitig behindernd zum Sekretär. Erst als er sie sich selbst hat umgelegt, lockere ich den Griff und lasse von ihm ab. Perfekt sitzend und ohne Verzögerungen hat er sich diese umgespannt, logisch, wer sonst als ein Polizist könnte es besser?
Daraufhin gebiete ich ihm, sich auf den Sessel in der Ecke zu setzen und erst einmal die Schnauze zu halten, wortwörtlich. Fast erschrecke ich über meine Wortwahl. Aber was soll’s!
Dort, in seiner Ecke, jammert der Kommissar, sich den blutigen Schädel haltend. Ich schaue mir die Wunde etwas genauer an, sehe kein frisches Blut mehr fließen, komme zum Schluss, wird nicht so schlimm sein und wende mich von ihm ab. Dieser Waschlappen jammert jedoch weiter. Ich gebiete ihn lautstark: „Ruhe!“ Er quengelt in der Folgezeit weiter, wenigstens aber stört das nicht mein Tun und Denken. Wenn aber doch wieder, dann soll er etwas erleben.
Jetzt muss ich erst einmal Ruhe finden und überlegen, was ich als Nächstes geschehen soll.

In diesem Ruhezustand überkommt mich erst ein Freudegefühl hinsichtlich meiner gelungenen Handlung.
Ich plumpse in den Chefsessel des Kommissars, werfe die Füße auf den Tisch und verschränke sie darauf.
Wie agil, leicht und geradezu schwebend ich sein kann, habe ich kaum für möglich gehalten, der ich kaum körperliche Tätigkeit die letzten Jahre gemacht habe. Schreiben kann man dazu nicht zählen.
Zuerst bin ich auf den Polizisten engelsgleich geflogen, im selben Moment meine Arme um seinen Hals geschlungen, gut, aus Angst, um nicht abzurutschen und unglücklich auf den Boden zu fallen.
Aber immerhin!
Die Pistole kommt mir zu Bewusstein.
Ich krame nach der betreffenden Schublade, eine Lade ist vergebens zu öffnen, die andere darunter - wieder falsch, eine darüber - Erfolg winkt. Ich nehme die Knarre an mich, rechne mit einer schweren Eisenapparatur, bin erstaunt, dass sie sich so leicht anfühlt, schmiege sie in meine Hände und werfe sie von einer Hand in die andere hin und her, mich freuend und ungeheuer aufgehoben fühlend. So ein tödliches Instrument hat doch seine Vorteile, was wunder, dass so viele Menschen Ordnungshüter werden wollen, ja, das gibt Übermacht, poah.
Wenn man vom Teufel spricht, wackelt er mit dem Schwanz.
Hinter mir rumort es vernehmlich.
Erprobe gleich einmal deine Macht und übe sie bei denjenigen aus, die es für gewöhnlich tun. Wie heißt es so schön in einem Gedicht, nun sollen die Uhren einmal andersherum und nach meinem Willen laufen! Oder so ähnlich...
Ich betätige den Hand der Pistole mit dem Daumen. Aha, genauso, wie man es stets im Fernsehen sieht. Aber dummerweise weiß ich im ersten Moment nicht, wie entsichern. Man betätige doch cowboyfilmgemäß diesen Drücker oberseits, aber – Pustekuchen – er ist verklemmt. Was soll dieses Schwänzchen hier, ist ja wie bei der Gartenschere und – entriegelt – ist’s sie bereit.
Ich wende mich abrupt um, das Schießeisen rechtwinklig von meinem Bauch gehalten, damit alles klar ist.
Der Angesprochene erschrickt wirklich sofort.
Sein Geächze und Gestöhne ist ihm in der Kehle erstickt, voilà.
Kein Aufmucken mehr möchte ich mehr hören und so fuchtele ich wie in einem Kinofilm mit der Pistole vor seiner Nase herum.
„Reizen Sie mich nicht. Seien Sie gefügig! Machen Sie, was ich sage, dann passiert Ihnen auch nichts.“
Mein Gott, was erwartet man schließlich, das war mein erster Auftritt als Ganove!
Der Polizist hat beide festgebundenen gebrochenen Hände wie zur Abwehr erhoben und ist dann mucksmäuschenstill geworden.
Aber nur einen Moment.

Buch erhältlich unter:
http://www.pentzw.homepage.t-online.de/literatur.html

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram