Kältetod

Brief zum Thema Tod

von  susidie

Wir suchten und suchten. Rufe, Schreie, Echo des Waldes. Stolpernd laufend und immer wieder, schrei, schrei, schrei, dir die Seele aus dem Leib. Geht das? Wohin flieht sie dann? Wo kann sie sich finden? Ich weiß es nicht, sie war mir egal.Ich wollte nur, ja, was wollte ich finden? Aber nicht das, was ich erahnte. Die Ahnung ist das Schlimmste, sie nimmt dich ein, sie umschlingt dich tausendmal mit Messern. Du wehrst sie ab und bist ihr doch unterlegen. Du wünschst sie möge dich in die Irre führen, und doch, sie tut es nicht, sie ist dein Freund in brutalster Offenheit. Sie fängt dich, hat dich gefangen, du bist verloren in ihr. Schneebehangene Äste streifen mein Gesicht und ich laufe und laufe, schreie und schreie, will und kann es nicht wahrhaben.Nein, noch ist Nichts, Nichts ist sicher, ich kann mich täuschen, ich will mich täuschen, morgens um 5 in dieser kalten Nacht will ich mich täuschen. Wohin geht der Mut, wenn er dich verlässt? Trifft er sich mit der Seele, die du dir aus dem Leib schreist? Ich weiß es nicht, ich bin nicht dabei, denn ich bin allein mit meiner Angst, die immer noch denkt sie könnte sich warm einschleichen. Die Angst, ja, die Angst. Sie ist mehr als die Ahnung, sie ist konkreter, brutaler. Sie ist was dich frisst, allumfassend alles aus dir frisst und du hast nichts entgegenzusetzen. Beim letzten Schrei, ja es war der letzte, die Stimme gab ihren Geist auf so wie ich, fand ich was ich niemals suchen wollte und noch weniger finden. Da lag er, seltsam verkrümmt, die Beine irgendwie anders. Die Arme schützend auf dem Bauch als wollte er sich hochreissen, ins Leben stellen. Und ich hab sie nochmal angefleht, die Hoffnung, dass sie wirklich als letztes stirbt, später noch als er. Sie hat mich im Stich gelassen, sie hat mich verlassen in dem Moment als ich über ihm zusammenbrach und nur noch Eiseskälte spürte, noch kälter als mir war, grausam in ihrer Offenbarung. So lag er da mit einem Ausdruck im Gesicht, ein Ausdruck des Nicht-Verstehens, fragend, ahnend? Wegnehmen war mein erster Gedanke, ich muss diesen Ausdruck wegnehmen, der ist albern, der passt nicht und ich umarmte ihn und wollte ihm Leben einhauchen, irgendwas an Leben, nur einen kleinen, klitzekleinen Zipfel Leben. Aber er wollte nicht, er konnte nicht, er war kalt. So kalt. Und so kauerte ich ihn haltend und weinte Eistränen die klopfend auf sein Gesicht fielen. Und ich wußte nicht was es noch zu tun gab. Können Tote Ausdruck im Gesicht haben? Ja, sie können. Sie erzählen dir die Geschichte vom Leben in einem einzigen Augenblick. Sie erzählen dir jedes Geheimnis und wie gerne sie weiterleben möchten. Und es nicht schafften wegen einer dummen Begebenheit. Er hatte keine Jacke an und es war kalt, so kalt in mir wie in ihm. Und wie soll ich jetzt das seiner Mutter sagen, die ich immer noch rufen höre im Wald, rufen und schreien und verzweifelt stolpernd. 18 Jahre, ja, 18 vielversprechende Jahre endeten in der Kälte in mir. Und ich bin froh, dass sie ihn nicht gefunden hat, so froh, so froh wie man nur sein kann.


Anmerkung von susidie:

dedicated to..."Erfroren" und "Florian"

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (01.07.13)
Ein guter Text, liebe Susi, der mir ohne alle Auslassungspünktchen Pünktchen Pünktchen und GedankenAuslassungsBindestriche viel viel besser gefallen würde. Die rechte Dramatik wäre meiner Meinung nach in diesem Text auch ohne zusätzliche Zeichensetzung zu spüren. Wie gesagt, meiner Meinung nach! ;)

Liebe Grüße
Llu ♥

 susidie meinte dazu am 01.07.13:
Ja, da hast du einfach recht, Ja. Das passiert immer, wenn die Gedanken über die Tastatur hüpfen und keinen Buchstaben finden, weil sie so wirr daherkommen. Mich freuts, dass er dir gefällt :)

 princess (01.07.13)
Hallo Susi,

da sind Sätze drin über die Seele und die Ahnung, über die Angst und die Hoffnung, die mich so unmittelbar, so eindringlich erreichen wie die Geschichte selbst. Ohne die gewählte Zeichensetzung könnte der Text noch an Intensität gewinnen, da hat Llu Recht. Aber auch so: Sehr bewegend.

Liebe Grüße, Ira

 susidie antwortete darauf am 01.07.13:
Ich danke dir sehr und freue mich. Und die Gedankenstrichstrichpünkterl sind im dunklen Wald verlorengegangen, ich suche sie auch nicht! Liebe Grüße :)
ChrisJ. (44)
(01.07.13)
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 susidie schrieb daraufhin am 01.07.13:
Ja, eine mitgenommene Inspiration für die ich Danke sage, so wie für deinen Kommentar. Vielleicht kann ich hier jetzt die Seele einfangen, ich kann es ja mal versuchen :) Das passt schon mit dem Kommentar, dem anderen. Ist wohl auch besser, wichtig ist du hast ihn gelesen :)

 Songline (01.07.13)
Sehr eindringlich, vor allem die Entwicklung von der Ahnung über die Angst bis zur Gewissheit, die einen ein Leben lang frösteln lässt.
Sehr gut geschrieben.
Liebe Grüße
Song

 susidie äußerte darauf am 01.07.13:
Ja, es hinterlässt ein lebenslanges Frösteln, genau das. Vielen Dank für deinen Kommentar. Warme Grüße von Susi
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