Gulasch

Kurzgeschichte zum Thema Alltag

von  BeBa

Gulasch

Marco lehnt sich zurück und schaut der Stewardess auf den Hintern. Nicht so flach wie bei Anja, denkt er, und die hier hat längere Beine. Sein Nachbar schnarcht und er spürt wieder diese Magenschmerzen. Die Schmerztabletten stecken in seinem Mantel. Den haben sie ihm beim Einsteigen abgenommen und jetzt irgendwo in diesem verdammten Flugzeug verstaut.
“Darf es für Sie noch etwas zu trinken sein?”, fragt die Stewardess.
“Danke.”
Der Trolley quietscht weiter. Marco schließt die Augen. Ein paar Mal wiederholt sich dieses Darf es für sie noch etwas zu trinken sein?, dann nickt er ein.

“Ihr habt Verspätung.”, sagt Anja, fällt ihm am Terminal um den Hals und will wissen, wie der Flug war. Er erzählt von dem schnarchenden Dicken und lässt dabei den Motor des Wagens an.
“Ich habe Gulasch für uns gekocht”, sagt sie. “Mit Nudeln.”
Die Ampel springt auf grün, doch der Wagen vor ihm fährt nicht an. Marco hupt.
„Entspann dich“, sagt sie.
Er gibt Gas.
“Robert kommt morgen Abend. Mit Dolly.”
“Prima”, sagt er. Sein Bruder bringt immer Leben in die Bude. Mit seinen Freundinnen. Diesmal also eine Dolly.
Als er seinen Koffer ins Haus trägt, riecht es nach Gulasch mit Nudeln.

“Wann war unser letzter gemeinsamer Heiligabend?”, fragt Robert.
“Vor fünf Jahren,” sagt Marco. „Mit Caro, glaube ich.“
Dolly lacht. Dieses Lachen, denkt Marco, ist eher ein Meckern. Das Meckern einer Ziege. Einer reizenden Ziege.
Anja serviert wieder Gulasch. Mit Rotkohl und Semmelklößen, selbst gemacht.
“Du hast dich in deiner Kochkunst wieder mal selbst übertroffen”, sagt Robert.
“Ach, hör auf!”, sagt Anja und wird ein wenig rot. Marco mag es nicht, wenn sie rot wird. Neben ihm meckert Dolly und rutscht dabei unruhig auf ihrem Stuhl herum.

Dann ist Bescherung. Anja hat für Marco einen Cashmere-Pullover gekauft. Der ist ihm zu eng.
“Tausche ich gleich nach den Feiertagen um”, sagt sie. “XL wird passen. Was meinst du?”
Sie lächelt und greift sich immer wieder an ihre neuen Ohrringe. Marco hat sie ihr zusammen mit einer spanischen Kollegin besorgt. Die wollte erst nicht mitkommen, aber er hat sie mit der Lüge überredet, sie habe die gleichen Ohren wie seine Frau. Jetzt schämt er sich dafür.
Robert freut sich über seine Flasche schottischen Whisky.
„Damit der Abend nicht zu trocken wird“, sagt Marco.
Dolly reißt mit der Ungeduld eines Kindes ihr Geschenk auf. Zum Vorschein kommen rote Dessous.
“Rot! Das soll Männer scharf machen”, meckert sie aufgeregt.
“Zieh an”, sagt Robert.
“Ja, zieh an!”, sagt Marco und lässt sich tief in seinen Sessel fallen.
“Soll ich die Chips holen?”, fragt Anja.
“Meint ihr wirklich?”, meckert Dolly. Und hält sich die Dessous vor ihren wippenden Körper.
“Klar doch!”, sagt Robert, und Marco grunzt.
Dolly verschwindet in Marcos Schlafzimmer.
“Ist sie nicht süß?”, fragt Robert.
Anja steht auf und geht Dolly hinterher.
“Und ob. Wo hast du sie denn her?“, fragt Marco und richtet sich wieder im Sessel auf.
“Ist mir auf dem Weg nach London zugeflogen.”, lacht Robert. “Sie ist Stewardess.”
“Zugeflogen! Das ist gut. Sehr gut.”
Die beiden Frauen kommen zurück aus dem Schlafzimmer. Marco schluckt.
“Was soll das denn?” Er traut seinen Augen nicht. Vor ihm steht Anja in dieser roten Unterwäsche. Und präsentiert sich von allen Seiten. Dolly meckert vor Vergnügen im Hintergrund.
“Ich muss mal raus an die Luft”, sagt Marco.
“Stewardess. Zugeflogen. Das ist gut!”, sagt er, als er die Wohnungstür hinter sich zuzieht. Er spürt wieder diese Magenschmerzen.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (14.09.13)
Irgendwie haben deine Protagonisten alle etwas von Plymobilfiguren: Alle den gleichen Haarschnitt und ein Dauergrinsen auf dem Gesicht - und nichts davon scheint echt zu sein.
Und nicht das du mich falsch verstehst: Darum finde ich diesen Text gut!

 BeBa meinte dazu am 14.09.13:
Playmobilfiguren? Wie bitte? Genial, dieser Vergleich. Da bin ich selbst nicht drauf gekommen, passt aber wie die berühmte Faust aufs Auge!

Danke dafür,
Bernd
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