Willi und Ersoy

Kurzgeschichte

von  Rollsen

„Sieh es endlich ein, Mann! Wir haben uns verfahren!“
„Ach, was – In der Beschreibung hieß es: ...die Bundesstraße etwa vier Kilometer in die eine Richtung, dann an der zweiten Abzweigung nach dem Bachlauf rechts, dann 300 Meter später am zweiten Waldstück halten, da rein und die Beute ins Versteck bringen.“
„Ja? Und? Und wo ist das Versteck? Wo ist der beschissene Wald? Und ‘nen Bach hab‘ ich auch keinen gesehn, Du Held!“

Willi saß am Steuer und sah nicht glücklich aus. Zum einen musste er sich auf die Straße konzentrieren und wieder Anschluss an den verlorenen Wald finden, zum anderen wollte er dabei aber nicht so hilflos wirken, wie er sich fühlte. Außerdem ging ihm das Gemecker von Ersoy langsam auf die Nerven. Achja, und die Polizei wird bald hinter ihnen her sein. Bis es soweit war, mussten sie das Waldversteck gefunden haben.

„Ersoy?“
„Ja?“
„Halt’s Maul!“

Gefühlte Ewigkeiten später fuhr Willi ihr Fluchtauto – ein „unauffälliger“ Fiat Punto in minzgrüner Lackierung – auf einen Seitenweg, der zu einem Bauernhof gehörte.

„Was soll das denn jetzt wieder? Uns läuft die Zeit davon und die Bullen sind uns auf der Fährte und Du fährst zum Bauern? Brauchst du noch Kartoffeln oder wie?“
„Klappe, Dicker! Ich muss nach dem Weg fragen, sonst kommen wir nie da an!“

Der minzgrüne Punto – „unauffällig“ mit seinem abgerissenem Spiegel auf der Beifahrerseite – kam auf dem Kiesweg langsam und knirschend zum Stehen.

„He, hallo, Sie da! ENT-SCHULL-DI-GUNG!“ rief Willi der Bäuerin zu, die mit zwei Milchkannen über den Hof ging.
„Bitte?“
„‘schuldigung, aber können Sie mir vielleicht sagen, wie wir von hier zum Waldtstück „Schmales Brett“ gelangen können?“

Die Bäuerin stellte die Milchkannen ab und trat näher.

„Joar, kann ich. Sie fahren einfach den Weg die Straße zurück, folgen den Eisenbahngleisen bis Vordertupf, und biegen dann gleich hinter der Polizeiwache nach links ab. Da ist dann der Wald. Willi wurde flau im Magen.

„Gibt es denn noch einen anderen Weg dahin?“
„Mal überlegen… – ja, gibt es. Aber nur, wenn sie einen großen Bogen fahren. Dann müssten Sie nämlich die Bundesstraße etwa vier Kilometer erst in die eine Richtung, dann an der zweiten Abzweigung nach dem Bachlauf nach rechts, und dann 300 Meter später am zweiten Waldstück halten.“

Vom Beifahrersitz kam leises Kichern.

„Ja, … danke. Äh…, “ sagte Willi verwirrt, „vielen Dank auch!“

Willi startete, wendete und fuhr den Kiesweg zurück.

„Seltsame Leute,“ dachte die Bäuerin. „ Ob die wohl wissen, dass ihr Auto ein kaputtes Blinklicht hat? Und dann wollen die zu diesem Wald, wo letztens dieses Räuberversteck hochgenommen wurde? Naja. Vielleicht Touristen, oder schlimmer: Städter! Sie nahm ihre Milchkanne wieder an sich und sah noch, wie der minzgrüne Fiat Punto, an dem sich hinten kein Nummernschild mehr befand, in der Ferne verschwand.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(16.09.14)
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 Dieter_Rotmund (16.09.14)
Namen blöd, Anfang etwas verplappert, Inhalt etwas arg anekdotenhaft, dennoch gerne gelesen, weil klar und verständlich.

 Rollsen meinte dazu am 16.09.14:
Der Text ist innerhalb einer halben Stunde bei einem Schreibspiel entstanden und ich wollte was "Rundes" haben. Um langsam wieder ins Schreiben reinzukommen, ein doch passabler, okayer Anfang.

Nachtrag: auf dem Rat meiner besseren Hälfte hin den ersten Satz ("Willi und Ersoy hatten sich verfahren. Und das tüchtig.") entfernt und das "...und das tüchtig!" im zweiten.

Die Namen finde ich gut, da ändere ich nix.
(Antwort korrigiert am 16.09.2014)
(Antwort korrigiert am 16.09.2014)

 Lluviagata (16.09.14)
Bei Ersoy musste ich aber immer wieder krampfhaft an Orsoy denken ... Ob die da eingebrochen haben? *kicher

Für ein Schreibspiel ganz beachtlich! ;)

Liebe Grüße
Llu ♥
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