Abschied

Text zum Thema Abschied

von  shinai

Mir läuft die Zeit davon. Und je mehr ich sie halten will, desto schneller vergeht sie. Endlich fasse ich Karin am Arm, sie streift mich ab, wendet mir den Rücken zu, wartet. Die Kehle schnürt sich mir zu und ich Verdurstender ringe um Atem. Könnte ich die Dürre wegschwemmen, die Sprachlosigkeit niederschreien, die richtigen Worte finden. Die Stille frisst sich in mich hinein, kriecht durch die Ohren in den Kopf und hämmert im Schädel, so laut, dass ich platzen möchte. Sag etwas, denkt es, befreie mich, dass ich endlich gehen kann. Ich werde wütend, ohnmächtig balle ich die Faust, bleibe stumm.

Du kannst nicht ohne Worte gehen, du kannst sie nicht so stehen lassen. Die Gedanken hängen noch im Raum, als ich langsam zur Tür gehe, sie hinter mir schliesse und die Treppe hinuntersteige. Mein Kopf zerspringt. Draussen auf der Strasse beginne ich zu laufen, immer schneller. Die Füsse tragen mich nicht schnell genug, können mich nicht schnell genug tragen. Ich spüre die Blicke der Passanten und laufe weiter. Ich kann ihr Haus schon nicht mehr sehen, aber ich spüre sie immer noch.

Ich laufe bis zum Wald, dränge mich in ihn hinein, lasse mich aufsaugen, werde träger, ruhiger. Meine Beine beenden den Lauf, nur das Herz läuft noch ein Stück. Ich lehne mich gegen einen Baumstamm und ringe nach Atem. Es ist getan. Schlecht getan, aber vorbei.

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