Tonband 1

Kurzgeschichte zum Thema Vergessen

von  RainerMScholz

Ich vergesse Namen und Zusammenhänge. Das ist mir schon länger klar. Das jedenfalls. Andere vergessen auch Anderes. Wieso sollte mich das stören? Gedanken, die ich gefasst hatte, sind plötzlich weg. Und tauchen auch nicht wieder auf. Auch nicht nach langem Nachgrübeln. So vor dem Fernseher. Die tauchen dann wieder auf: Schauspieler. Inge Meisel. Wieso taucht die auf, aber anderes nicht?

Dafür erinnere ich mich an Gesichter. Und an Melodien. Von früher. Auch wenn mir zumeist der Liedtext fehlt. Lalala und so weiter. Längere Texte vermag ich nicht mehr zu lesen, und ich vergesse den Anfang und fang´ dann nochmal an. Vermag ich nicht – früher hätte ich so gesprochen, glaube ich. Vermag ich nicht! Ich vermag nicht und ich verkann nicht. Ich vermeint mich nicht. Etepetete mich nicht. Und so weiter.

Und müde bin ich oft. Wahrscheinlich vom vielen vergeblichen Bemühen um Rekonstruktion. Dann habe ich Lust, mich zu betrinken, tue es aber nicht, weil ich während des Trinkens den Grund des Trinkens vergesse. Und so weiter. Mittlerweile ist es aber auch manchmal egal, weshalb. Oder weshalb nicht. Und so weiter.

Ich glaube, früher habe ich auch mehr geraucht. Oder überhaupt. Da scheint Hirnschwund ja ganz gesund zu sein. Pneumologisch betrachtet.

Wie es aussieht, war ich einmal so eine Art Intellektueller. Irgendwo müssen die ganzen Bücher im Schrank herkommen. Oder Buchhändler. Jemand, der Bücher an Freunde verkauft. Nämlich Bücherfreunde. An Leute.

Wenn ich `was aus dem Kühlschrank will, brauche ich drei Anläufe, bis mir einfällt, was es ist. Dann gehe ich zurück vor den Fernseher, der flimmert, und dann gehe ich nochmal vor den Kühlschrank. In der Küche. Ja, ich weiß, das große weiße brummende Ding. Ein Joghurt vielleicht. Oder eine – ach nein, Banane, keine Banane. Die Bananen sind woanders. Da kommt immer so ein Dings und bringt die mir mit. Aus dem Geschäft. Was weiß ich, vielleicht hat der auch eine Bananenplantage, der Dings. Bumms. Dingsbumms. Der Dingsbumms mit dem Banänchen. Ich muss lachen.

Ich muss auf den Knopf drücken. So. Aus.

Ich will in die Küche und stehe da in dem anderen Zimmer mit den Kacheln, weiß. Dann gehe ich wieder `raus. Ich weiß auch nicht mehr, was ich da wollte. In der Küche. Die Küche! Dann bleibe ich da und warte. Bis ich muss. Und setze mich. Immerhin muss ich nicht in der Küche. Die Küche!Aber ich wollte in die Küche. Das war lustig. Aber ich weiß nicht genau, wieso. Aus.

Früher war ich gerne auf der Terrasse, aber jetzt hab´ ich Angst. Es ist sehr hell. Und laut. Die Vögel am Himmel. Die fliegen. Und die sind laut. Und die Brummen. Die immer so brumm machen. Die sind so laut. Und es ist so hell. Die Sonne. Wenn ich wieder `rein will, bin ich wie fremd. Der Fernseher macht hell. Und rauscht. Rauscht!

Ich setze mich hin und denke nach. Aber was. Aus.

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