Afrikareise - Abschied VIII
Erzählung zum Thema Abschied
von pentz
Abschied
12. 09.2015
Der vorletzte Tag meiner Abreise.
9 Uhr
Odyssee frühmorgens durch Kampala und ich grübele über die Schuldfrage nach. Ein Schlag und Krach ist zu hören. Ich sehe auf der anderen Straßenbahn, wie ein Bus-Taxi/Matamata allein mit überhöhter Geschwindigkeit die Bahn heruntergefahren ist und eine Person angefahren hat, die ein paar Meter weit weg in den Rinnstein zwischen Straße und Bürgerstein geworfen, gestoßen und gelandet ist. Der Bordstein ist etwas untersetzt, da er sich vor der Einfahrt einer mauerumgebenen, festungsartigen Grundstücksanlage befindet.
Die Frau liegt regungslos da.
Davor steht ein Bus, vollbesetzt mit vielen Menschen. Innen beugt sich der Fahrer bis an die Windschutzscheibe vor und betrachtet das, was er durch sein zu schnelles Fahren verursacht hat. Keiner rührt sich, die Uniformierten nicht, nicht ein Mensch – auch ich nicht.
Der Bus lässt sich langsam die abschüssige Straße hinunterrollen, verharrt noch einmal.
„My God is my Shephard!“, steht auf der Heckscheibe oben.
Er fährt weiter.
Niemand hat seine Kfz-Nummer notiert, scheint’s. Stattdessen gehen die Menschen zum Opfer hin, umringen es, tun aber nichts, sondern beobachten es sehr interessiert, fast wissenschaftlich und neugierig.
Ich gehe weiter, muss nach ein paar Minuten umkehren. Niemand mehr liegt dort jetzt. Selbst der Wasserkanister ist entfernt worden.
„Ja, so etwas habe ich noch nicht gehört“, meint Joanita. Fred nickt dazu.
„Typisch, glotzen und glotzen, auch wenn man noch, noch so viel bittet und bettelt.“
Die Bankangestellte Diana meint, dass das Opfer wohl betrunken gewesen sein muss. „Die war wahrscheinlich so alkoholisiert, dass sie dem Auto in den Weg gelaufen ist.“
„Aber es hatte eine sehr große Geschwindigkeit. Die Frau war sehr stark, korpulent und „über“gewichtig und ist etliche Meter durch die Luft geflogen.“
Diana, wie sie heißt, isst weiter an dem Hähnchen, das ich ihr spendiert habe, weil sie es gewohnt ist, mittags über zu essen, nicht abends oder nachts, wie die Familie, in der ich hause. Sie überreicht mir ein Geschenk, das ich unserer gemeinsamen Freundin in meinem Herkunftsland mitbringen soll. Sie wolle mit ihrer Tochter dorthin kommen. Ich lade sie ein, ihnen die Sehenswürdigkeiten zu zeigen.
Ich erzähle ihr von den Erlebnissen mit meiner Gastfamilie.
„Das Batterieproblem hatten sie schon vor Jahren.“
Wir lachen herzlich.
„Sie sind dabei, sich in Uganda selbst eine Batterie zu entwickeln.“
„Das dauert aber...“
Wir lachen wieder.
11 Uhr
Ich war auf der Suche nach einer Filiale der Fluggesellschaft für meinen gebuchten Rückflug.
Dazu bin ich in die Innenstadt Kambalas gefahren.
Aber das Ziel liegt außerhalb.
Als ich entlang einer hochführenden Straße war, hörte ich plötzlich einen Krach und ich sah auf der anderen Straßenbahn, wie ein Taxi/Matamata mit überhöhter Geschwindigkeit die Bahn heruntergefahren war und eine Person angefahren hatte, die ein paar Meter weg geworfen und gestoßen....
Ich fragte jemanden, der mich den Weg entgegengesetzt umkehren hieß.
Ich machte mich weiter auf die Suche.
Nach einigen Umwegen und Stunden erreichte ich endlich die Filiale der Fluggesellschaft.
Die Passanten erschienen mir sehr wortkarg und wiesen mir allenfalls für zwei zu gehende Straßen den Weg.
„Sie müssen diesen Weg dort außen...“ Pause. „Genau, diesen Weg“, kam es noch einmal. Damit erschöpfte sich meist die Auskunft. Sowie ich nachfragte, wurde keine Antwort mehr gegeben. Es schien keiner als bis zur übernächsten Straße zu denken.
Straßen für Straße bahnte ich mir also den Weg.
Ich fand aber jemanden, der mich des Weges begleitete, der zu gehen war.
“Ich bin gerade in Rente geschickt worden. Ich habe Zeit.“
Diese Mühe der Suche der Filiale meiner Fluggesellschaft, um mir den Abflug versichern und bestätigen zu lassen, habe ich nur deshalb auf mich genommen, weil Andrew mich warnte: „Ist besser so! Ich habe schon die tollsten Dinge erfahren und erlebt. So kannst Dir sicher sein, ob das Flugzeug wirklich wie geplant startet.“
16 Uhr
Ich komme erschöpft nach Hause.
„Ich würde gerne ein paar Eier haben“, äußere ich gegenüber Joanita, eine Zeremonie, die jeden Abend stattfindet.
Ich sitze allein in der Wohnung. Ich ruhe mich aus. Joanita ist mit ihrem Kind einkaufen gegangen.
Ein Früchteverkäufer steht plötzlich im Hinterhof. Er trägt einen Korb mit sich, den er mir zeigt. Die Frucht kenne ich nicht. Die Teile sind ziemlich morsch, angefault und unbestimmbar.
Er sagt: „Die Früchte sind gut für die Tiere!“
Ich schaue auf die vermehrte Schar von Hühnern. Zudem sehe ich noch ein Truthahnpaar. Der Geruch im Hinterhof hat dadurch sehr stark zugenommen. Zu den Puten hat Joanita gesagt, sie würde sie für die Nachbarn vorübergehend versorgen. „Dann werde ich zu dem Truthahnfestmahl eingeladen!“, freut sie sich und lacht überschwänglich.
Ich begleite den Früchtemann bis ans Tor.
Gegenüber am Haus der Nachbarin sitzt Joanita. Wahrscheinlich sitzt sie schon lange dort. Möglicherweise hat sie den Verkäufer in den Hof geschickt: „Da ist ein Mann im Haus, der kauft Dir die Ware schon ab.“
Die Eier zu kaufen hat sie vergessen.
Es wird wirklich höchste Zeit abzureisen.
13.09.2015
Letzter Tag
9 Uhr
Heute Morgen haben mich Andrew und Joanita zum Flugplatz gefahren und begleitet. Joanita habe ich meine restlichen Schillinge gegeben und überreicht, hat sie mir doch während der vier Wochen Aufenthalt in ihrem Haushalt mit den Händen in einer Waschschüssel die Wäsche gewaschen. Sie ließ es sich einfach nicht nehmen. Im Hof auf den Rasen hat sie diese mühevolle Tätigkeit unter senkender Sonne, naja, zumindest sonnig-klarem Himmel verrichtet, wozu sie jeweils stets Wasser in einem Kanister vom anderen Hofende holen und schleppen musste. Dann habe ich die Wäsche in einen anderen Bottich getaucht, ausgewrungen und auf die über den Hof gespannten zwei Seile gehängt. Die in einem Anbau befindliche „Küche“ hatte kein fließendes Wasser, zudem keine Spüle, von dem aus das benutzte Abwaschwasser hätte abfließen können. Beidemal musste also dieses gebraucht und wieder weggebracht werden. Das Spülwasser wurde in einem Eimer befördert, oft auch schwappte es natürlich über und auf den Steinboden und musste extra mit einem großen Lappen abgewischt werden. Das war sehr mühsam.
Ich übergebe sämtliches Geld in ugandischer Währung Joanita.
Andrew lade ich zu mir ein.
„Ich muss mir einige Dinge für meine Tätigkeit besorgen.“
Sein Blick fällt auf Joanita. Sie wendet ihren Kopf nach links, um sich die Flughafen-Halle anzuschauen.
„Ich freue mich darauf...“
6 Uhr
Nach dem Abflug von Kambale werfe ich einen Blick von oben auf den Viktoriasee mit Tränen der Freude in den Augen und doch auch froh, diesem anderen „Sumpf“ entronnen zu sein. Ich empfinde unendliche Zuneigung und Liebe für die Menschen, die mich aufgenommen und bewirtet haben.
Als ich über das bayerische Voralpenland fliege, sehe ich die Felder, Wiesen und Auen unter mir als Atztekengötter, so wie ich es in Reliefs betrachten konnte, die ich fotographisch in Händen gehalten habe... Führt mich dahin meine nächste Reise?
12. 09.2015
Der vorletzte Tag meiner Abreise.
9 Uhr
Odyssee frühmorgens durch Kampala und ich grübele über die Schuldfrage nach. Ein Schlag und Krach ist zu hören. Ich sehe auf der anderen Straßenbahn, wie ein Bus-Taxi/Matamata allein mit überhöhter Geschwindigkeit die Bahn heruntergefahren ist und eine Person angefahren hat, die ein paar Meter weit weg in den Rinnstein zwischen Straße und Bürgerstein geworfen, gestoßen und gelandet ist. Der Bordstein ist etwas untersetzt, da er sich vor der Einfahrt einer mauerumgebenen, festungsartigen Grundstücksanlage befindet.
Die Frau liegt regungslos da.
Davor steht ein Bus, vollbesetzt mit vielen Menschen. Innen beugt sich der Fahrer bis an die Windschutzscheibe vor und betrachtet das, was er durch sein zu schnelles Fahren verursacht hat. Keiner rührt sich, die Uniformierten nicht, nicht ein Mensch – auch ich nicht.
Der Bus lässt sich langsam die abschüssige Straße hinunterrollen, verharrt noch einmal.
„My God is my Shephard!“, steht auf der Heckscheibe oben.
Er fährt weiter.
Niemand hat seine Kfz-Nummer notiert, scheint’s. Stattdessen gehen die Menschen zum Opfer hin, umringen es, tun aber nichts, sondern beobachten es sehr interessiert, fast wissenschaftlich und neugierig.
Ich gehe weiter, muss nach ein paar Minuten umkehren. Niemand mehr liegt dort jetzt. Selbst der Wasserkanister ist entfernt worden.
„Ja, so etwas habe ich noch nicht gehört“, meint Joanita. Fred nickt dazu.
„Typisch, glotzen und glotzen, auch wenn man noch, noch so viel bittet und bettelt.“
Die Bankangestellte Diana meint, dass das Opfer wohl betrunken gewesen sein muss. „Die war wahrscheinlich so alkoholisiert, dass sie dem Auto in den Weg gelaufen ist.“
„Aber es hatte eine sehr große Geschwindigkeit. Die Frau war sehr stark, korpulent und „über“gewichtig und ist etliche Meter durch die Luft geflogen.“
Diana, wie sie heißt, isst weiter an dem Hähnchen, das ich ihr spendiert habe, weil sie es gewohnt ist, mittags über zu essen, nicht abends oder nachts, wie die Familie, in der ich hause. Sie überreicht mir ein Geschenk, das ich unserer gemeinsamen Freundin in meinem Herkunftsland mitbringen soll. Sie wolle mit ihrer Tochter dorthin kommen. Ich lade sie ein, ihnen die Sehenswürdigkeiten zu zeigen.
Ich erzähle ihr von den Erlebnissen mit meiner Gastfamilie.
„Das Batterieproblem hatten sie schon vor Jahren.“
Wir lachen herzlich.
„Sie sind dabei, sich in Uganda selbst eine Batterie zu entwickeln.“
„Das dauert aber...“
Wir lachen wieder.
11 Uhr
Ich war auf der Suche nach einer Filiale der Fluggesellschaft für meinen gebuchten Rückflug.
Dazu bin ich in die Innenstadt Kambalas gefahren.
Aber das Ziel liegt außerhalb.
Als ich entlang einer hochführenden Straße war, hörte ich plötzlich einen Krach und ich sah auf der anderen Straßenbahn, wie ein Taxi/Matamata mit überhöhter Geschwindigkeit die Bahn heruntergefahren war und eine Person angefahren hatte, die ein paar Meter weg geworfen und gestoßen....
Ich fragte jemanden, der mich den Weg entgegengesetzt umkehren hieß.
Ich machte mich weiter auf die Suche.
Nach einigen Umwegen und Stunden erreichte ich endlich die Filiale der Fluggesellschaft.
Die Passanten erschienen mir sehr wortkarg und wiesen mir allenfalls für zwei zu gehende Straßen den Weg.
„Sie müssen diesen Weg dort außen...“ Pause. „Genau, diesen Weg“, kam es noch einmal. Damit erschöpfte sich meist die Auskunft. Sowie ich nachfragte, wurde keine Antwort mehr gegeben. Es schien keiner als bis zur übernächsten Straße zu denken.
Straßen für Straße bahnte ich mir also den Weg.
Ich fand aber jemanden, der mich des Weges begleitete, der zu gehen war.
“Ich bin gerade in Rente geschickt worden. Ich habe Zeit.“
Diese Mühe der Suche der Filiale meiner Fluggesellschaft, um mir den Abflug versichern und bestätigen zu lassen, habe ich nur deshalb auf mich genommen, weil Andrew mich warnte: „Ist besser so! Ich habe schon die tollsten Dinge erfahren und erlebt. So kannst Dir sicher sein, ob das Flugzeug wirklich wie geplant startet.“
16 Uhr
Ich komme erschöpft nach Hause.
„Ich würde gerne ein paar Eier haben“, äußere ich gegenüber Joanita, eine Zeremonie, die jeden Abend stattfindet.
Ich sitze allein in der Wohnung. Ich ruhe mich aus. Joanita ist mit ihrem Kind einkaufen gegangen.
Ein Früchteverkäufer steht plötzlich im Hinterhof. Er trägt einen Korb mit sich, den er mir zeigt. Die Frucht kenne ich nicht. Die Teile sind ziemlich morsch, angefault und unbestimmbar.
Er sagt: „Die Früchte sind gut für die Tiere!“
Ich schaue auf die vermehrte Schar von Hühnern. Zudem sehe ich noch ein Truthahnpaar. Der Geruch im Hinterhof hat dadurch sehr stark zugenommen. Zu den Puten hat Joanita gesagt, sie würde sie für die Nachbarn vorübergehend versorgen. „Dann werde ich zu dem Truthahnfestmahl eingeladen!“, freut sie sich und lacht überschwänglich.
Ich begleite den Früchtemann bis ans Tor.
Gegenüber am Haus der Nachbarin sitzt Joanita. Wahrscheinlich sitzt sie schon lange dort. Möglicherweise hat sie den Verkäufer in den Hof geschickt: „Da ist ein Mann im Haus, der kauft Dir die Ware schon ab.“
Die Eier zu kaufen hat sie vergessen.
Es wird wirklich höchste Zeit abzureisen.
13.09.2015
Letzter Tag
9 Uhr
Heute Morgen haben mich Andrew und Joanita zum Flugplatz gefahren und begleitet. Joanita habe ich meine restlichen Schillinge gegeben und überreicht, hat sie mir doch während der vier Wochen Aufenthalt in ihrem Haushalt mit den Händen in einer Waschschüssel die Wäsche gewaschen. Sie ließ es sich einfach nicht nehmen. Im Hof auf den Rasen hat sie diese mühevolle Tätigkeit unter senkender Sonne, naja, zumindest sonnig-klarem Himmel verrichtet, wozu sie jeweils stets Wasser in einem Kanister vom anderen Hofende holen und schleppen musste. Dann habe ich die Wäsche in einen anderen Bottich getaucht, ausgewrungen und auf die über den Hof gespannten zwei Seile gehängt. Die in einem Anbau befindliche „Küche“ hatte kein fließendes Wasser, zudem keine Spüle, von dem aus das benutzte Abwaschwasser hätte abfließen können. Beidemal musste also dieses gebraucht und wieder weggebracht werden. Das Spülwasser wurde in einem Eimer befördert, oft auch schwappte es natürlich über und auf den Steinboden und musste extra mit einem großen Lappen abgewischt werden. Das war sehr mühsam.
Ich übergebe sämtliches Geld in ugandischer Währung Joanita.
Andrew lade ich zu mir ein.
„Ich muss mir einige Dinge für meine Tätigkeit besorgen.“
Sein Blick fällt auf Joanita. Sie wendet ihren Kopf nach links, um sich die Flughafen-Halle anzuschauen.
„Ich freue mich darauf...“
6 Uhr
Nach dem Abflug von Kambale werfe ich einen Blick von oben auf den Viktoriasee mit Tränen der Freude in den Augen und doch auch froh, diesem anderen „Sumpf“ entronnen zu sein. Ich empfinde unendliche Zuneigung und Liebe für die Menschen, die mich aufgenommen und bewirtet haben.
Als ich über das bayerische Voralpenland fliege, sehe ich die Felder, Wiesen und Auen unter mir als Atztekengötter, so wie ich es in Reliefs betrachten konnte, die ich fotographisch in Händen gehalten habe... Führt mich dahin meine nächste Reise?