Deutschlands Hexen
Kurzgeschichte zum Thema Ausweglosigkeit/ Dilemma
von HarryStraight
Als Marina nach einer dreijährigen Ehe mit mir Schluss machte war nichts mehr wie es vorher war. Dennoch hatte ich nicht vor, meinen neuen Lebensweg aufzugeben, in dem ich so aufging. Mein Plan war, genau so weiter zu machen wie bisher. Ich hatte meine Seele gefunden! Punk war mein Leben, und ich wollte unbedingt weiter Frauen und Männer auf der Straße anbaggern. Was war nur in mich gefahren? Marina hasste mich für all das! Sie hasste mich für meine Affäre mit Frida, sie hasste mich für meine laute Musik, und dass ich mich rasend schnell veränderte, so dass sie einfach nicht mehr mitkam. Was steckte hinter meinen dauernden Wandlungen - sie wusste es nicht! Ich denke, ich wollte Marina beschützen; ich betrachtete sie als die Mitte meines Lebens, und um sie herum hatte ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um uns ein neues Leben aufzubauen. Das schloss auch mit ein, dass ich mir eine neue Frau besorgte, eine, die mir die Kraft geben würde, es mit Marina überhaupt auszuhalten und eine, anhand der ich Marina die Bisexualität näher bringen konnte, die ich an ihr vermisste. Es würde ihr sicher nicht gefallen, aber es würde auch nicht lange dauern, da würde sie ihre Meinung ändern. Denn schließlich war jeder Mensch im Grunde seines Herzens bisexuell, nur die meisten wussten es noch nicht. Bisexuelle waren überhaupt die besseren Menschen und so auch ich. Dass ich bi war hatte ich seit kurzem herausgefunden und nun wollte ich dieses Leben auch leben! Marina merkte, dass irgendetwas in unserer Beziehung nicht stimmte, dass ich es schwer mit ihr aushielt. Das hieß nicht, dass ich sie nicht mehr mochte. Ich wusste von Anfang an, dass es eine Herausforderung sein würde, mit ihr zusammen zu sein, und ich liebte sie trotzdem über alles. Der Unterschied zu damals und heute war einfach nur, dass ich jetzt einfach wissen wollte, wie es war, wenn man selbstbewusst an ihrer Seite lebte mit all dem Guten, was in mir selbst und durch andere Menschen, die ich mir noch suchen würde, möglich war. Schließlich hatte ich Marina viel zu oft alles recht gemacht, ihr alles hinterhergetragen und mich von ihr ausnutzen lassen. Sie war ein egoistisches, von heterosexuellen Werten unterwandertes Biest. Ich würde sie domestizieren, mit allen Regeln des Punks. Als Jugendlicher war ich ein Punk gewesen, in der zweiten Hälfte der Beziehung mit Marina hatte ich diese Szene für mich wiederentdeckt und war wieder auf ganzer Front dabei, vielleicht politischer als eh und je – für den Zusammenschluss des ganzen Volkes zur Anarchie. Ich würde Marina klarmachen, dass sie selbst ein Punk war, dass dieser kleine Punk in ihr schlummerte und nur herauswollte, ein Wesen, dass eigenen Regeln folgte und nicht denen des Establishments. Gerade das ließ Marina letztendlich mit mir abrechnen, dass ich all ihre Regeln brach, und meine innere Kraft gegen sie durchsetzte. Sie war Regisseurin von Beruf und sie kam damit nicht klar. Sie wollte mich regieren und dadurch meinen Willen brechen, aber nicht mit mir, das konnte sie vergessen! Leider konnte ich nun dafür ihre Liebe vergessen, an der mir so viel gelegen war. Das erschütterte mich. Auch körperlich. Das erste mal alleine in unserer Wohnung bekam ich einen furchtbaren Kopfschmerz. Es fühlte sich an, als würde mein Gehirn lose in meinem Kopf herumschwimmen, als würde jede Bewegung eine Gehirnerschütterung auslösen, vor allem wenn ich mich auf und ab bewegte. Springen war gar nicht mehr möglich. Am besten war es, ich setzte mich hin. Ich fühlte mich wie nach einer körperlichen Peinigung. Genau über dieses Trennungs-Phänomen las ich dann auch zufällig in einer Zeitschrift, das gab es also auch bei anderen! Ich fühlte mich nicht mehr! Es war mir als würde diese Trennung alles beenden, meine ganze neu gewonnene Sicherheit - den Geist, den ich im Punk gefühlt hatte. Nun war ich im wahrsten Sinne des Wortes ein Punk – völlig ausgespien vom Leben. Ich war nun auch nicht mehr in der Stimmung dazu, auf die Suche zu gehen nach neuen Partnern, da ich nicht mehr in der Sicherheit der Beziehung war, sondern wieder in meinem bedeutungslosen Singledasein. Warum hatte Marina diesen Schritt gewählt? Wir führten eine freie Ehe, in der jeder machen konnte, was er wollte - das war von Anfang an so vereinbart gewesen! Wichtig war nur, dass wir die Menschen, die wir kennenlernten, einander vorstellten. Doch das hatte Marina nicht mehr beachtet und war mit irgendwelchen Männern ins Bett gestiegen, ohne mich überhaupt zu informieren. Die Vorstellung, sie könnte von irgendwem angefasst worden sein, ekelte mich an. Mit meiner Affäre Frida war ich nicht so weit gegangen. Marina hatte sie abgelehnt, also hatte ich Frida den Laufpass gegeben. Niemals hätte ich gewagt, gegen Marinas Willen mit Frida Sex zu haben. Wer war also hier der Böse? Doch wohl Marina. „Immer soll ich die Böse sein!“ hatte Marina gesagt, und sie hatte damit gemeint, dass ich es sei – ich alleine war an allem schuld! Einfach nur eine Liebe zu verlieren, hätte ich noch irgendwie verkraftet - wenn mich Marina nur nicht so abserviert hätte, und alles, was uns verband, entwertet und jede neue Verbindung zerstört hätte in jedem Wort, das sie sagte. Sie war auf einmal wie eine Mauer, an der alles abprallte und die aus kalten Steinen gemauert war. Es war mir, als wäre es nicht möglich, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, als müsse ich einfach nur alles bewahren, was mal da war, so viel wie es nur irgendwie ging, denn sonst wäre es so, als wäre es nie gewesen. Ich spürte nun mehr denn je, wie glücklich ich mit Marina gewesen war, auch wenn sie mir das nicht glauben wollte. Wer war ich ohne Marina, deren Bekanntschaft mich aufgewertet hatte? Dass jemand wie ich jemanden wie sie haben durfte! Auch wenn sie von vielen Dingen keine Ahnung gehabt hatte, und nicht die selben Interessen teilte, so war sie doch der gute Geist in meinem Leben! Die Trennung hatte mich so mitgenommen, dass ich alle Geräusche um mich herum stärker wahrnahm. In der Nacht hörte ich die Nachbarn die Treppen hoch und runter laufen, die Türen knallen und mit dem Schlüsselbund rasseln. Es machte mich ganz rasend, vor allem wenn ich morgens davon aufwachte, wie der Nachbarssohn mit seinem Roller die Treppen runterpolterte. Nahm denn keiner hier Rücksicht auf die Liebeskranken? Manchmal erwachte ich auch um fünf Uhr vom Gezwitscher die Vögel, das mich wie ein einziger See aus Geräuschen umfing. Ich fühlte mich wie ein Kücken in einem Nest, oder als hätte ich die Vögel in meinem Kopf, ja, als hätte ich einen Vogel. Meine Sehnsucht nach Marina, nach ihrem Spiegelbild neben meinem, führte dazu, dass ich Halluzinationen bekam. Ich saß eines Abends - es war schon etwas dunkel -, auf dem Sofa, um einfach zu entspannen und nach all den Beziehungsdramen wieder zu mir zu kommen, da sah ich plötzlich eine Frau auf mich zufliegen wie ein schwarzer Schatten. Sie hatte wirres Haar und aufgerissene Augen, einen Mund voller scharfer Zähne und Hände mit Krallen. Ihr Unterleib war mit meinem Körper verbunden, sie kam sozusagen aus mir heraus, entsprang mir selbst, wollte mich aber angreifen. Dann war sie auf einmal weg. Die Stadt war für mich seit der Trennung ein chaotischer und sehr störender Ort geworden. Ich wollte das Bild von Marina in mir bewahren, doch jeder Mensch, der vorbeiging, konfrontierte mich mit neuen Eindrücken, so dass Marina in mir zu verschwinden drohte. Ich durfte sie einfach nicht vergessen! Ich wollte nicht trauern, sondern wollte die Beziehung fortleben lassen, doch alles, was nun im Leben geschah ließ mich spüren, dass ich in einer neuen Situation war, dass ich jetzt Single war, sie, Marina, nicht mehr an meiner Seite hatte. Das war zu viel für mich und ich bekam das Gefühl, durchzudrehen! Es war mir als herrsche unerträglicher Lärm und eine gewaltige Hektik auf den Straßen. Jetzt war mir auf einmal alles verständlich, von dem Marina immer geredet hatte. Es war mir, als wäre ich zu einem gewissen Teil sie, als sähe ich die Welt aus ihren Augen. Es war so, dass sie sich immer über Straßenlärm beschwert hatte, zum Beispiel über das Hupen eines Busses direkt neben ihr. Sie war über alles immer erschrocken, und ich hatte sie dafür ausgelacht und gesagt: „Das kann doch nicht so schlimm sein, du übertreibst!“ Jetzt war mir auch bewusst, warum sie immer plötzlich auf der Straße dann auch noch zusammengesackt war und sie mir als Begründung sagte, dass ihr gerade alles einfach zu viel war. Marina hatte gesagt, dass sie an einer Depression litt, und ich hatte damit nichts anfangen können. Nun hatte ich das Gefühl selber von ihren Symptomen erwischt worden zu sein, von ihren Ängsten und Wahnvorstellungen. War so etwas ansteckend? Musste man nur für eine gewisse Zeit mit einem Menschen, der an Depressionen litt, zusammen sein, und man hatte dann selber eine? Und wenn ja, warum konnte sich nicht meine Gesundheit auf sie übertragen, und wir waren nun zusammen glücklich? Warum nur hatte das Böse gesiegt, nicht unsere Liebe? Es war mir gewesen, als würde unsere Liebe die Welt retten als Keimzelle des Widerstandes gegen die herrschende Moral, doch das war nun kaputt und ich der Welt ausgeliefert. Ich hatte auf einmal das Gefühl, als hätten die Menschen sich gegen mich verschworen und würden alle gleich auf mich reagieren. Sie rissen mich aus meinen Gedanken. Meine Gedanken drehten sich um viele Fragen, z.B. darüber, mit welcher Haltung ich nun auf Marinas Schlussstrich reagieren sollte - ob ich Marina nun vergessen oder immer an sie denken sollte. Die Menschen forderten aber ein, dass ich auf sie reagierte, dass ich sie wahrnahm und ihnen Respekt entgegenbrachte. Dabei waren sie mir einfach nur egal! Sollten sie doch so tun als sei ich nicht da – sie waren für mich auch nicht mehr als Luft! Ich senkte einfach den Kopf, sah die Leute gar nicht an und blieb einfach ganz starr und angespannt, um immer das selbe Gefühl zu wahren, das meine Gedanken trug. Anscheinend hatte es sich herumgesprochen, wie man mich aus dieser Haltung wieder heraus bekam, denn die Leute begannen auf einmal mit dem Fuß am Boden entlang zu schaben, wenn ich an ihnen vorbei lief. Ich bemerkte, dass sie immer das machten, was ich in meiner jetzigen Körperhaltung nicht machen konnte. Ich wollte ihnen ein letztes Maß an Empathie entgegenbringen, nur um sie, so schnell es ging, wieder los zu werden, aber das, was sie taten, war so, dass eine empathische Reaktion mich aus meiner Haltung und damit aus meiner Konzentration gerissen hätte. Ihr Scharren führte dazu, dass ich wieder aufblicken musste, was mich sehr ärgerte und quälte. Aus Gespächsfetzen von Vorbeigehenden hörte ich heraus, dass sie sich über mich und meine verflossene Liebe unterhielten, und mir Tipps gaben wie ich damit klarkommen und abschließen sollte. Vielleicht kam mir das so vor, weil ich es einfach rein gar nicht mehr hören wollte, was sie sagten. Es verschaffte sich sozusagen wieder Zutritt in meine Welt, indem es meine Aufmerksamkeit erregte. Schnell kam es so weit, dass ich mich regelrecht verfolgt fühlte von den Menschen! Es begann damit, dass eine Frau auf mich zukam und außer sich vor Lachen sagte: „Haben Sie bemerkt? Von ihnen gibt es einen Doppelgänger in dieser Stadt!“ Seit dem sah ich überall Menschen herumlaufen, die so aussahen wie ich. Ich dachte darüber nach, ob man sie nicht mit Absicht auf mich gehetzt hatte, um mich zu irritieren, damit ich nicht mehr ich war, sondern andere mein Leben fortführten. Dann waren da noch die Menschen, die alle neonrot gefärbte Haare hatten und sich ständig im Bus neben mich setzten. Das wunderte mich, denn es konnte doch nicht sein, dass sich Menschen mit neonroten Haaren immer zufällig ausgerechnet den Platz neben mir aussuchten und das jedes mal zufällig ein Mensch mit dieser Haarfarbe einstieg, immer wenn ich da war. Ich war innerlich zu geschafft, um zu begreifen, dass es sich hier um einen neuen Frisurentrend handelte. Von meiner Vorstellung, es ging hier um eine staatlich organisierte Verfolgungsaktion, ließ ich mich durch keine andere Überlegung abbringen. War das nun die Schizophrenie, die Marina bei mir diagnostiziert hatte, bevor sie die Tür zuschlug? Aber was sollte ich machen - es passte alles so gut zusammen! Natürlich: Ich, der ich mich wieder zu anarchistischem Gedankengut bekannte, der auf einer politischen Seite stand, die sich gegen den Staat richtete, erregte natürlich die Aufmerksamkeit des Staates, der mich nun umerziehen wollte. Es war ja auch nicht das einzige was passierte - alles wurde zunehmend seltsamer. Es kam vor, dass, wenn ich Leute ansah, sie mir ganz komisch in die Augen blickten und mir ein ganz ungewöhnliches Gefühl gaben. Das waren keine normalen Blicke, sondern irgend so eine Militärtechnik der Einschüchterung. Ich reimte mir zusammen, dass die ganze Trennung von diesen Menschen initiiiert worden war, dass sie meine Frau irgendwie bearbeitet und von mir weggelotst, mich bei ihr schlecht gemacht hatten. Vielleicht, so dachte ich weiter, war sogar meine Frau nur ein Spitzel gewesen, der auf mich angesetzt worden war, um möglichst viele Informationen über mich herauszufinden! Sie sollte mich verliebt machen und dann mit mir auf einmal aus unerfindlichen Gründen Schluss machen, damit ich am Boden zerstört war und meine Kräfte verlor. Dadurch wollten sie mich im Griff behalten. Nun sorgten die Passanten dafür, dass ich mich einfach nicht mehr wiederfand. Vielleicht war ich, zusätzlich zu meiner schwierigen Lebensphase, in der das Glück mir nicht hold sein wollte, einfach nur verstört von all den Shockerfilmen wie z.B. „Nightskyes“, in dem Aliens die Menschen töten, so dass ich mein Vertrauen in alles und jeden verloren hatte. Ich fragte mich, ob wir von Aliens regiert werden würden, oder ob ich vielleicht selbst ein Alien war, bzw mit Absicht so behandelt wurde, damit ich mich auf dieser Welt fremd fühle. Alleine in meiner Wohnung verbrachte ich viel Zeit damit zu weinen. Meine Augen waren ganz kaputt davon, und als ich in den Spiegel blickte, da erschrak ich vor meinem Anblick, denn meine Augen waren glasig, ohne Glanz und Leben! Ich blickte durch meine Pupillen durch, direkt in meinen Kopf, ohne dass der Blick wider zurückkam und mir Menschlichkeit und Wärme entgegenbringen konnte. Das Spiegelbild war keine Gesellschaft mehr für mich, und ich vermied es, wo es nur ging, in einem Spiegel zu schauen. Leider waren in der ganzen Stadt spiegelnde Scheiben; in Geschäften und an Autos, und überall erkannte ich nicht mich, sondern eine Art Vampir oder Schatten. Ich musste irgendetwas an meinem Zustand ändern, und so begann ich mit Experimenten mit meinem Körper, meinem Geist und meiner Seele. Zunächst begann ich zu meditieren. Ich wendete meine Augen nach innen, und sah auf einmal ein helles Licht aufleuchten. War das die Erleuchtung von der immer alle redeten? Es war warm und gab mir Glücksgefühle, die von meinem tiefsten Inneren in mein Bewusstsein aufströmten. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich auf einmal alles grau und verschwommen. War ich nun blind? Sollte es für immer so bleiben? Hilfe, was sollte ich nur tun? Auf einmal sah ich überall helle Punkte aufleuchten. Ab und zu konnte ich wieder etwas sehen,doch dann war der graue Schleier wieder da. Als ich zum Einkaufen ging, fiel es mir schwer, die Leute klar zu fokussieren. Die Blicke wurden immer unangenehmer. Es war, als würden die Leute gegen mich ankämpfen und sich gegen meinen Blick behaupten wollen, so als würde mein Blick sie sehr stören. Plötzlich fühlte es sich so an, als würde jemand – vielleicht mit seinen Blicken -, eine Kugel zwischen meine Augenbrauen schießen. Ich spürte wie die Kugel in meinem Kopf steckenblieb und sah sie vor meinen Augen als Kreisform. Ich taumelte weiter und dachte, es geht gleich wieder weg, aber es blieb bestehen. Seitdem lief ich überall in diesem Zustand herum und versuchte andauernd diese „Pistolenkugel“ aus meinen Gedanken und meinem Blickfeld zu tilgen. Zu Hause versuchte ich ganz viel Musik zu hören, um mich an meinen alten Spirit wieder zu erinnern, aber die Musik wollte mir einfach nicht mehr gefallen. Ich fühlte sie auf eine merkwürige Art und Weise: Einerseits kam ich nicht mehr an sie heran, andererseits wirkte sie übermäßig intensiv auf mich. Ich schloss beim Hören die Augen und fiel richtig in das Lied hinein. Das Gefühl des Lieder riss mich so mit, dass es um mich herum zu flirren anfing. Grauschleier und flirrende Punkte tauchten vor meinen Augen auf. Das Radio hakte und diese Störungen rissen mich aus meinem Gefühl heraus. Funktionierte denn gar nichts mehr? Selbst mein Computer gab den Geist auf! Alles was ich geschrieben hatte, war verloren, denn ich konnte die Sicherungs-CD´s nicht mehr finden. In meinem Studium – ich war damals Student im Fach Sozialarbeit / Sozialpädagogik, hatte ich das Gefühl, dass es im Unterricht über mich, meine Gefühle und mein Privatleben und alles peinliche, schmerzvolle und widersprüchliche gehen würde. Es war mir als wäre ich in einen Programm involviert, in dem die Leute versuchten, Reaktionen bei mir auszulösen und meinen Geist zu kontrollieren. Jeder war auf einen bestimmten Platz gesetzt worden, von dem aus er bestimmte Sachen mit mir machen sollte,die mich schwächten und mir meine Energie rauben sollten. Aber ich würde mich nicht unterkriegen lassen von diesen…! Was hatte ich nun sonst in meinem Leben zu tun, als mich voll rein zu hängen, um dieses Studium zu schaffen? Mein ganzes Leben war verpfuscht, jetzt blieb mir nur noch ein Dasein als Workoholic, auch wenn es mir dank meiner Symptome sehr schwer fiel. Besonders schlimm war es mit dem Gerede über mich im Flur der Fachhochschule, wo ich kaum an den dort sitzenden Studenten vorbeikam, ohne das Gefühl zu haben, dass sie sich gegen mich verschworen. Ich wollte ihre Welt nicht! Ich wollte das Alte und nicht das Neue und so wurde es immer schlimmer mit der Kluft die sich zwischen uns auftat! Und je größer die Kluft wurde, desto größer wurden die wirren Gedanken. Als ich zu Hause die Nachrichten anschaute, dachte ich, es sei die Rede von mir. War irgendwo ein Terrorist gesucht, dann war ich dieser Terrorist! Mein kompletter Tag war in diesem Zeitungsartikel beschrieben. Alles wurde von mir verdreht, nichts konnte ich mehr normal auffassen. Ich versuchte fern zu sehen, auch wenn ich Fernsehen bisher immer gehasst hatte, denn ich hatte Lust auf alles, was Marina immer getan hatte. So fühlte ich mich ihr wieder näher und hatte das Gefühl, in meiner Entwicklung einen Schritt auf sie zuzumachen und sie wieder aufzuholen. Dass alles was im Fernsehen vorkam, von meinem Leben handelte, war einerseits interessant, weil ich so mich und die Trennung reflektieren konnte, aber andererseits fühlte ich mich überwacht. Warum teilte man mir ständig mit, dass man alles über mich wusste? Und wo waren nur die Kameras? Hatte hier jeder Zugriff selbst auf meine intimsten und spontansten Gedanken – die Menschen auf der Straße, die Professoren, die Journalisten und jetzt sogar die Filmemacher? Das Licht der Mattscheibe beeinträchtigte meine Sicht noch mehr, da ich ziemlich viel Zeit vor dem Bildschirm verbrachte und meine Augen wirklich empfindlich geworden waren. Irgendwann ging auch der Fernseher kaputt und ich trug ihn raus auf den Sperrmüll. Ich fragte mich, was ich tun konnte, um mich wieder aufzubauen? Sollte ich zu einer Prostituierten gehen? Würde ich mich dann wieder lebendig fühlen? Vielleicht sollte ich so etwas vermeiden, und es war besser, nach einem richtigen Partner Ausschau zu halten! In einer neuen Beziehung würde ich mich sicher wieder fangen und mein Bewusstsein wieder erlangen über mich und über das was mich umgab. Es würde Leben in mich kommen und meine Augen würden im Spiegel wieder normal aussehen. Bis dahin machte ich weiter mit meinen Experimenten an meinem Körper, meinem Geist und meiner Seele. Im Studium war mir aufgefallen, dass ich ein gestörtes Körpergefühl hatte, keine Kontrolle über den Blickwechsel mit anderen Leuten hatte, dass der Faden der Aufmerksamkeit ständig abbrach und das Leben nicht wie ein durchgängiger Film war, sondern total abgehackt. Ich war wie gefangen in einzelnen kleinen Sequenzen. Die anderen hielten mich in Schach und spielten mit mir. Diesen Zustand wollte ich beenden, und ich versuchte herauszufinden, wo mein Körper wirklich verlief und wie Blick und Augen zusammenhingen. Im Badezimmer machte ich das Licht aus und versuchte genau zu fühlen, wo mein Körper war und wo mein Kopf war. Ich bekam heraus, dass der Körper, den ich tasten konnte, nicht übereinstimmte, mit dem Körper, den ich wahrnahm. Was hatte man nur mit mir gemacht, wie hatte man mich in meinem Leben behandelt, dass ich so deformiert worden war? Ich versuchte die beiden – Körper und Wahrnehmung - in einen Einklang zu bringen, versuchte es zu schaffen, dass ich mich dort wahrnahm, wo ich auch wirklich war - ganz egal, was andere mir durch ihre Reaktionen über mich spiegelten. Diese Sessions der Selbsterkundung dauerten sehr lange. Als ich mal wieder draußen herumlief – ich tat das mittlerweile ziemlich oft, um nach potentiellen neuen Freunden Ausschau zu halten -, kam mir der Gedanke in den Sinn, dass ich eine Hexe sei. Ich hatte die Eingebung, dass ich über magische Fähigkeiten verfügte, was sich vor allem im Umgang mit anderen Menschen zeigte, die ich teilweise mit meinem Blick steuern konnte. Ich konnte sie aktivieren, oder ausschalten. Ich fixierte sie genau mit meinem Blick und nahm das wahr, was wirklich zwischen uns passierte. Es war als hätten wir Sex miteinander über die Luft und als ob ich durch die Lenkung meines Blickes auch Macht ausüben könnte, Menschen Erfahrungen übermitteln, oder sie bekräftigen. Leider wehrten sie sich manchmal heftig gegen meine vorsichtige Kontaktaufnahme, und das, so dachte ich, konnte nur daran liegen, dass sie sich psychologischer Techniken bedienten und die Einstellung eingeimpft bekommen hatten, dass Liebe und Wahrheit schlecht seien und zurückgeschlagen werden müssten. Im Studium hatte ich etwas über die psychologische Technik der „kognitive Umstrukturierung“ gelernt, ein Begriff, der mir Angst einjagte. Menschen wurden als „ambivalent“ und „wiederständig“ bezeichnet und es wurden Tipps gegeben, diesen „Wiederstand“ zu „brechen“. Sollten hier Menschen umgeändert und manipuliert werden, aus ihren Gedanken herausgerissen werden, Menschen wie ich? Wollte man uns neu erfschaffen für dunkle Zwecke und in ein enges soziales Gefüge eingliedern, in dem es keine Freiheit gab? War Psychologie nicht vielleicht etwa schwarze Magie? Von nun an war jeder Tag für mich ein Kampf zwischen guten und bösen Hexen, wobei die bösen Hexen nur die Methoden der guten Hexen zweckentfremdeten und eigentlich keine Hexen waren, sondern nur irgendwelche Schergen eines Systems, das alles kaputt zu machen versuchte. Das Unglück der Menschen war der Vorteil der Mächtigen. Ich wusste, das war die Wahrheit. Warum sollte da nicht mehr stecken in mir, warum sollte ich nur so sein, wie ich jetzt war? Ich sagte mir, ich sei unsterblich, fähig mich selbst und andere von großem Unglück zu heilen, nur andere Leute standen mir und den anderen Hexen dabei im Weg und hielten uns unten. Jetzt mussten ich und die anderen wahrhaftigen Menschen nur irgendwie zusammen finden und das war Aufgabe von uns allen, nicht nur, wie man mir täglich suggerierte, von mir alleine. Die bösen Mächte nannten mich ständig „zu schüchtern“, was bedeutet, dass ich allein schuld daran war, dass es mit anderen nicht klappte. Ich alleine sollte aus eigener Kraft zu den anderen, die ganz toll und makellos waren, vordringen. Ich aber wollte nicht vordringen, ich wollte die anderen berühren, sie „antesten“ und gemeinsam mit ihnen zu einem höheren Guten vordringen, dies dann dingfest machen und den anderen zu MIR vordringen lassen. „Schüchtern“, so hatte man mich schon mein Leben lang genannt. Das hieß auch so viel wie „ohne Vorzüge, ohne Mumm auf andere zu zu gehen und ihnen etwas zu geben - jemand, der es nicht schafft positiv zu leben, und den man deswegen am besten in die Tonne kloppt“. Den Vorwurf der Schüchternheit hätte ich mit einem Lachen abgestreift, wenn er nicht von allen Menschen gekommen wäre, die ich jemals getroffen hatte, von Kindesbeinen an, von jedem außer von meiner Familie, die mir immer Kraft gegeben hatte und mir eine schöne Kindheit bescherte. Ich hatte gewiss keine schwere Kindheit gehabt, wie alle mir unterstellten, und war auch nicht irgendwie verstört. In mir drin war ich ein Mensch voller Selbstbewusstsein. Die Menschen dichteten mir die Schüchterneheit an, und sogar Marina hatte mich am Ende abfällig so genannt. Die Schüchternheit war allen Ortens ein Grund mich abzulehnen, in der Beziehung, bei einem Vorstellungsgespräch oder im Studium nach einem Referat. Man sagte zu mir, ich sei „Schüchtern“ und deswegen sei meine Leistung nicht gut, und man wolle sich meiner entledigen. Es war mir nicht möglich diesen Begriff irgendwie positiv umzudeuten, ehe ich nicht verstand, was er eigentlich zu bedeuten hatte und warum das – um Himmels Willen -, mit mir in Zusammenhang stand. Es beschäftigte mich die Frage schwer, was der positive Aspekt von Schüchternheit war. Was gab ein „schüchterner“ Mensch seinen Mitmenschen, was im Gegensatz dazu ein „offener“ Mensch seinen Mitmenschen – eben durch seine „Offenheit“ -, nicht gab? Gab es auch etwas, dass man der „Offenheit“ vorwerfen konnte, irgendetwas, dass ich den ach so „offenen“ Menschen entgegenhalten konnte? Meinen Plan, auf der Straße mit Menschen zu flirten setzte ich fort, denn ich wollte die Menschen finden, die zu mir standen, gegen diesen Schüchternheitswahnsinn. Irgendwo musste es sie geben, die Menschen, die mich verstanden, die zu mir passten und mit denen ich das Leben ganz neu gestalten würde, um allen zu zeigen, dass eine bessere Welt möglich war und man im Kleinen anfangen konnte. Ich begann damit, Menschen, die mir sympathisch waren, anzulächeln. Dann sagte ich „hallo“ zu ihnen, dann „wie geht’s?“ – schließlich sprach ich sie an und stellte ihnen Fragen. Ich wusste nicht, ob es die richtigen Menschen für mich waren und ob es nicht ein unangenehmes Gespräch werden würde, doch ich überwand mich. Meistens war es überraschend nett, doch es entstand keine Verbindung. Um jemanden anzusprechen, benötigte ich eine Art Anlauf. Irgendwie musste ich es schaffen, das Umfeld auszublenden, seine Aufmerksamkeit auf mich und auf den anderen, sowie auf unser Zusammentreffen aus dem Sinn zu bekommen. Nur dann konnte ich frei und gelöst sein. Ich musste Herr der Situation werden und alles kontrollieren! Es lässt sich nicht in Worte fassen, wie mich das Umfeld beim Flirten störte! Ich nahm alles wahr, wie sie sich einmischten, wie sie über mich und die anderen dachten und wie sie versuchten der Situation ihre eigenen Deutungen aufzuzwingen. Es fiel mir schwer jemanden zu finden, der mir so sehr gefiel, wie mir Marina gefallen hatte. Außerdem hatte ich immer das Gefühl, dass ich das nicht durfte, dass ich noch an Marina gebunden war und ihr mit dem Flirten sozusagen fremd ging. Ich suchte nach ganz anders eingestellten Menschen als Marina, aber sie blieb auf menschlicher Ebene mein Ideal. Sie war, so meinte ich, für mich geschaffen und geboren. Ich las mir viele Ratgeber über „Pick Up“ – das Flirten auf der Straße durch und startete viele Versuche. Diese Stadt war groß aber voller eher normaler und für mich langweiliger Menschen, die ich nicht mal voneinander unterscheiden konnte. Der Ort war mir fremd geworden. Die Menschen, die mich verfolgten, nannte ich die „Flüsterer“, abgekürzt die „F´s“. Ich nannte sie so, weil sie sich an mich heranzuschleichen und mir etwas zu zu flüstern pflegten, das in mein Unterbewusstsein einging. Sie sahen so aus wie die ganz normalen Menschen, waren mal jung, mal alt, mal männlich mal weiblich, mal reich mal arm gekleidet, mal wie Spießer, mal wie Punks, mal waren sie Ausländer, mal Deutsche. Durch nichts konnte man sie von den anderen unterscheiden. Sie schlichen sich in das ganz normale Straßenbild ein, um ihren bösen Einfluss aus zu üben und einen mit schädlichem Magien zu vermählen. Doch das Schlimmste stand mir erst noch bevor. Nicht nur, dass ich ohnehin schon schwer unter der Musik und dem ewigen Geplaudere und Gelächter aus der Kneipe unter mir litt, und an dem anliegendem Biergarten. Am Abend begann plötzlich auch noch mein Körper aus unerfindlichen Gründen zu vibrieren. Ich fasste neben mich auf die Matratze und an das Gestell des Bettes - auch sie vibrierten heftig! Ich hörte ein Raunen, das von irgendwoher zu mir drang, wusste aber nicht woher es kam. Zunächst dachte ich daran, dass es vielleicht von einem der Kühlgeräte der Kneipe verursacht wurde, die direkt unter mir lag. Ich bat den Wirt das Gerät in der Nacht auszuschalten. Als er mir das verweigerte, ging ich in der Nacht in den Keller und zog kurzerhand den Stecker. Am nächsten Tag wollte mich der Wirt natürlich zusammenschlagen. Ich stürzte mich die Treppen runter, um ihm zu zeigen, dass mir Schmerzen nichts mehr bedeuteten. Dazu hatte mich der Film „Fightclub“ inspiriert. Der Wirt bekam einen Schrecken und lief zurück in seine Kneipe. In weiteren Nächten suchte ich die ganze Umgebung nach Störgeräuschen ab und fand bei einem angrenzenden Krankenhaus eine laut summende Maschine in einem unterirdischen Schacht. ich öffnete das Gitter und stieg die Treppen hinab. Da summte es ganz gewaltig, aber das Gerät ließ sich nicht abschalten. Auch im Haus gab es noch ein Gerät, das Geräusche von sich gab, aber mein Hauptverdacht lag immer noch auf dem Kühlgerät der Kneipe. Im Internet las ich über geheime staatliche Folterprogramme „MK Ultra“ und über „Haarp“ und über„Elf-Strahlenfolter“, denen manche Menschen angeblich ausgesetzt sein sollten. Das wollte ich nach all den komischen Vorkommnissen in der Stadt nicht ganz ausschließen. Entspannung im Bett war nicht mehr möglich. Das Dröhnen drang in meinem Kopf und beherrschte meine Gedanken -es war als stünde ich unter Strom, als würde man mich grillen. Selbst zwischen meinen Beinen vibrierte es. Seit meiner Trennung hatte ich keine sexuellen Gefühle mehr gehabt, aber durch die Einwirkungen dieser mysteriösen Maschine, die hier offensichtlich elektromagnetsiche Strahlen auf mich schoss, war an Sexualität gar nicht mehr zu denken. In diesem Land lebte ich nicht mehr in Freiheit, das Leben war zu einem einzigen Knast geworden. Irgendjemand wollte mich vielleicht bestrafen, jemand, den ich früher mal beleidigt hatte und der gute Kontakte zu mächtigen reichen Leuten hatte. Das „Geräusch“, wie ich es fortan nannte, fuhr mir durch den ganzen Körper, immer auf und ab, es änderte seine Frequenzen wie eine minimalistische Melodie, die sich den Gedanken anpasste und sie einen nach dem anderen auslöschte. Meist schlief ich gar nicht, manchmal schaffte ich es einzuschlafen, wachte aber dann mitten in der Nacht voller Schmerzen auf. Einmal setzte sogar mein Herz aus, und ich versuchte es irgendwie wieder zu beleben, was mir dank meiner Magie gelang. Einmal wachte ich morgens auf und entdeckte starke Veränderungen an meinem Körper. Mein Genital war deformiert und mein Po völlig aus der Form gegangen. Ich zauberte mich wieder heil mit sehr viel Aufwand. Zu meinem Entsetzen begann ich auch tagsüber zu vibrieren. Auch der Boden wackelte enorm. Weil die Lage für mich unerträglich wurde, fing ich an zu Gott zu beten, auch wenn ich bis dato nur sporadisch Kontakt zu Gott gehabt hatte. Ich beschloss, den Mächtigsten aller Mächtigen auf meine Seite zu bringen – seinen Beistand brauchte ich jetzt! Auf Knien flehte ich ihn an, meine Lage zu bessern, die Feinde von mir fern zu halten, die sich gegen ihn in mir versündigten. Ich schwor ihm Treue, und ich las in der Bibel, angefangen mit den Psalmen, die mich sehr beeindruckten und wie für mich geschrieben schienen. Doch all das Beten half mir nichts. Die Flüsterer durchbrachen durch ihre energetischen Karatekünste meinen Schutzwall samt meiner gefalteten Hände und drangen zu mir durch. Auch sie bedienten sich der Methode der „kognitiven Umstrukturierung“, die den „Patienten“ – das war ich – spiegelten,indem sie ihn „verbalisierten“ , ihm seine eigenen Gefühle entgegenbrachten und ihn damit weichklopften. Auch die Geräuschattacken wurden durch das Beten nicht weniger. Ich hatte mir einen neuen Computer gekauft, wollte für mein Studium etwas schreiben, aber es war einfach nicht möglich, weil der Stuhl auf dem ich saß zu wacklen anfing. Was war hier nur los? Ich sprach mit Nachbarn, aber sie hatten nichts bemerkt. Es blieb mir nur, aus der Wohnung auszuziehen. Ohnehin hatte ich Angst vor der Rache des Wirtes. Vielleicht würde er ein paar Schläger zusammentrommeln, die mich totschlagen würden. Ich musste hier raus und zwar schnell! Auch deshalb, weil auf einmal ständig braunes Wasser aus der Spüle in der Küche kam und meine Wohnung überflutete. Der Klempner reparierte es, aber dann trat das Wasser wieder aus und wieder und wieder. Dann begann eine Ameisenplage. Sie waren überall in der ganzen Küche! Ich versuchte die Ameisen mit Backpulver fernzuhalten, aber am Ende half nur noch Gift! Das tat ich nicht gerne, da ich Lebewesen achte, aber mir blieb keine andere Wahl. Nach meiner Trennung war der Großteil meines Freundeskreises weggebrochen, der sich auf die Seite von Marina verschlagen hatte. Meine Freunde hatten zwar ein offenes Ohr für mich, halfen mir aber auch nicht über die Trennung hinweg, da sie mich mit Standartfloskeln abspeisten wie „So spielt halt das Leben!“, „so ist das Eben mit Herzensangelegenheiten!“ und Ähnlichem. Keiner machte sich wirklich Gedanken um mich. Ich hielt sie ohne hin für Spione des Staates. Bei meinem Besten Freund dachte ich, dass er mich ermorden wollte, da er mit mir durch einen Wald spazieren gehen wollte. Vielleicht hatte ich auch zu hohe Ansprüche, was den Trost durch meine Freunde betraf. Ich wollte, dass die anderen Marina verurteilten für ihre Trennungstat. Stattdessen sagte man mir, ich sei wohl auch nicht der Beste gewesen. Ein Freund war sich nicht zu schade, mir zu sagen, ich soll froh sein, die „Schlampe“ los zu sein. Er habe sie ohnehin nie leiden können, hatte mir das aber nicht sagen wollen. Das machte mich rasend, und ich brach den Kontakt zu ihm ab. Mit einem weiteren Freund ging ich auf ein Punkfestival, doch ich sollte keine positive Energie finden, da die Punks dort alle einfach nur schäbige Loser waren, die mich als „Schwuchtel“, „Hippie“ und sonstwas beschimpften. Punk war einfach nicht mehr das, was es mal war. Die neuen Bands waren außerdem alle von der Polizei, und spielten Musik, die dazu geschaffen wurden, den Punks Punk auszutreiben. Das war keine Musik, das war psychologische Kriegsführung. Das war alles nicht mehr meine Welt. Nirgendwo fand ich Halt! Meine Eltern waren viel zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt als dass sie mir hätten helfen können, denn mein Vater bekam Blasenkrebs und musste ins Krankenhaus. Ich besuchte ihn oft, aber in der Nacht, in der er verstarb, war ich nicht bei ihm, weil ich gerade an meiner Thesis für das Studium schrieb. Ich bekam keine letzten Worte von ihm zu hören, was mich sehr mitnahm. Ich zog in eine Wohnung in eine kleine Stadt in der Nähe meiner Mutter, um dem Geräusch-Terror zu entfliehen, aber es ging dort von neuem los, genauso wie am alten Ort. Der Spuk war sozusagen mit mir umgezogen. Appropos Spuk: Es begab sich, dass ich Nachts von einem Geist geweckt wurde, der an mir rüttelte, mich furchtbar anfauchte und anschrie. Auch ich schrie aus voller Kehle, sprang aus dem Bett und versuchte den Geist irgendwie loszuwerden. Ich warf ihm die Decke über den Kopf, damit er mich nicht anfassen konnte und prügelte dann auf ihn ein. Ich war so aggressiv, dass er sich verzog und in Luft auflöste. Aber er kam am nächsten Abend wieder. Einmal schlug ich fast die gesamte Einrichtung des Zimmers kaputt, im Kampf mit diesem Phantom. Dieser Ort gefiel mir nicht! Doch wo sollte ich hin, der Spuk würde mitkommen. War ich vom Bösen besessen? Oder war der Geist nur mein aufgestautes Gefühl, das sich in der Nacht in halb wachenden Alpträumen entlud? Es fiel mir so schwer, mich zu wehren gegen all die Angreifer, die mich schon bei der Haustür abpassten, um mir ihre Kommentare „reinzudrücken“. Da war es doch kein Wunder, dass ich irgendwann einfach die Krise kriegte. Meine magischen Praktiken verbesserten sich und ich zauberte die Kugel zwischen meinen Augenbrauen weg, brachte die Grauschleier vor meinen Augen zum Verschwinden und die ganzen flirrenden Lichter. Ich begann mich wohler zu fühlen in meinem Körper und wurde immer geschickter im Umgang mit den Menschen. Mein Studium war vorbei und ich bewarb mich auf mehrere Arbeiststellen. Meist wurde ich abgelehnt, aber ich fand einen Sonderpädagogen, der zwei Mädchen von fünf und sechs Jahren, die aus schwierigen Verhältnissen kamen, in einer sozialpädagogischen Lebensgemeinschaft betreute, zusammen mit seiner Ehefrau, die Erzieherin war. Dieser Mann bot mir eine Arbeitsstelle als Erzieher und Haushälter in seiner Wohnung an. Wir trafen uns in einer Bio-Kneipe, er brachte seinen Hund mit, und wir unterhielten uns über Konzepte der Kindererziehung. Er war ein ziemlicher Freak aber er gefiel mir. Anscheinend machte es ihm nichts aus, dass ich ziemlich durch den Wind war. Ich konnte es nicht lassen, dauernd vor mich hin zu zuabern, und das musste ihm einfach auffallen! Die Kinder wurden nach Waldorf-Methoden erzogen, aber er gestattete mir auch,meine eigenen Konzepte mit ein zu bringen. Gleich zu Anfang wurde ich vorgewarnt: Die Kinder seien in ihrem Verhalten sehr auffällig und neigten zu Gewalt, und die Ehefrau habe eine Klage wegen Kindesmissbrauchs am Hals, weil sie einem Kind in der Kita eine Fußreflexzonenmassage verpasst hatte. Sie habe ihre Arbeit verloren und müsse sich nun vor Gericht verantworten. Daher käme regelmäßig eine Frau vom Jugendamt, um die Kinder auf blaue Flecken und gestörtes Verhalten zu überprüfen. Sie dürfe nur die Kinder mit betreuen, weil der Ehemann dabei sei. Da ich an einer Fußreflexzonenmassage nichts Schlimmes feststellen konnte, war mir das alles egal, und ich willigte ein, in diesem Haus als Erzieher und Haushaltshilfe zu arbeiten. Ich sollte die Kinder in der Freizeit beschäftigen,zum Beispiel mit ihnen schwimmen gehen. Am ersten Arbeitstag machten die Kinder zunächst einen netten Eindruck auf mich. Ich sang mit ihnen zur Gitarre, spielte eigens ausgedachte Spiele und malte mit ihnen mit Kreiden auf den Boden im Garten. Dann schmiss eines der Kinder, das gerade auf einen Schuppen geklettert war, plötzlich einen Ziegelstein nach meinem Kopf. Ich beschwerte mich bei ihrem Pflegevater, aber er sagte nur, jetzt könne ich ja sehen, dass ihr Verhalten nicht ganz einfach war und ich solle mich daran gewöhnen. Schimpfen wolle er nicht, er sehe das mit dem Steinwurf noch als recht harmlos an gegen das, was sie sonst so mache. Ich sagte ihm: „Ich hätte dabei sterben können, oder eine schwere Behinderung davontragen“, aber das war ihm alles egal. Ich kochte das Essen für die Kinder und dachte mir, dass ich das schon irgendwie werde händeln könnte. Den Kindern schmeckte es nicht, was ich gekocht hatte, und sie zeigten mir deutlich, dass sie mich hassten und loswerden wollten. Am nächsten Tag sprangen wir auf dem Trampolin und sangen Lieder. Die Kinder hatten sehr viel Spaß, aber von einer Sekunde auf die andere mochten sie mich wieder nicht mehr. Dann begannen sie, mit faustgroßen Steinen nach mir zu schmeißen und mit allerlei Geräten, die im Garten herumlagen. Sie zogen sich nackt aus und pinkelten vom Schuppendach runter. Ich dachte nur: „Wenn jetzt die Frau vom Jugendamt kommt!“ Dann pinkelten sie auch noch in die Gießkanne und wollten mich damit vollspritzen. Zu guter letzt gingen sie mit Stöcken auf mich los und schrien: „Hexe, Hexe, verbrennt sie!“ Sie riefen allerlei Sachen über mich, die sie gar nicht wissen konnten. Sofort dachte ich, dass die ganze Sache hier für mich inszeniert werden würde. Es war gar keine richtige Arbeitsstelle, sondern eine Show, die irgendwo mit Kameras aufgezeichnet worden wurde, so wie im Film „Die Truemanshow“. Die ach so lieben Kinder hatten im Wohnzimmer mit Kreide eine SS-Rune an die Wand gemalt. Der Vater erschien auf einmal in einem roten Samtumhang. Alles schien mir dubios zu sein. Ich grübelte darüber nach, ob alle Menschen an diesem Ort vielleicht extra gecastet worden sind, nur um mich zu verwirren. Der Vater sollte durch sein Aussehen den Punk symbolisieren, der ich mal war. Das eine Mädchen sah aus wie eine Kinderfreundin von mir, in die ich mal verliebt gewesen war und dank der ich wohl meine Bisexualität entwickelt habe. Die Mutter sah aus wie meine Lieblingssängerin Björk. Das andere Mädchen sah aus wie eine Frau, in die ich mal verliebt gewesen bin. Das Ehepaar hatte auch noch Kinder und sie sahen aus wie Zwangsvorstellungen, die ich mal von mir selber gehabt hatte. Die Nachbarsfrau sah aus wie das kleine Mädchen in älter, ihr Mann wie ein Nachbar aus meiner Kindheit samt dem gleichen Hund, mit dem ich damals immer gespielt hatte. War ich nun im Paradies, oder in der Hölle? Wohl eher in der Hölle, denn ich glaubte man wolle dadurch nur mein Vertrauen gewinnen, um mich auszuhorchen und mehr über mich zu lernen. Und wozu das Ganze? Um mich zu foltern, na klar! Meine Chefs sagten zu mir, sie seien gegen die Leute, die andere als „schüchtern“ bezeichnen, dann wieder taten sie es selber. Sie sagten Sachen zu mir, die mir die Sprache verschlugen, und es schien mir, sie wollten mich durch psychologische Kniffe zum Arbeitstier machen,zum Beispiel in dem sie sagten: „Jeder Gang macht schlank!“ oder „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“ Ich arbeitete noch eine Weile in diesem Haus, spielte aber jeden Tag mit dem Gedanken zu gehen. Ich ging mit den Kindern alleine in den Zoo, wo sie mir promt abhauten. Ich musste sie überall suchen, spannte die halbe Zoobelegschaft in die Suche mit ein, und dann wollten die Kinder nicht zum Essen nach Hause gehen, sondern verschanzten sich hinter einem Gebüsch, wo sie wieder mit Steinen nach mir schmissen. Sie sagten, dass sie mich abgrundtief hassten. Am nächsten Tag spielten wir im Garten und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl energetischer Attacken durch die Kinder ausgesetzt zu sein. Da passierte es: Ich hörte auf einmal die Vögel zu mir sprechen. Sie sagten: „Warum fragt niemand die Vögel, wenn er Probleme hat? Fragt die Vögel!“ Mir wurde klar, dass ich hier Verbündete hatte, die mir helfen würden gegen die bösen Hexen zu kämpfen. Endlich hatte ich erkannt, wozu ich damals eine Hexe geworden war! Die Vögel sagten, dass sie „Witches“ seien, „Hexen“. Sie redeten halb Deutsch halb Englisch. Sie sagten mir immer, was ich machen sollte, um den Energie-Attacken auszuweichen. Und siehe da, es funktionierte - ich entfloh den Angriffen, jede böse Absicht ging ins Leere! „Duck dich!“, „Spring beiseite!“, „Einen Schritt zurück“, die Vögel wussten immer einen Rat. Von da oben konnten sie alles gut beurteilen, da leuchtete es mir ein, dass ihr Wort etwas wert war. Doch anscheinend konnten sie genau so gut Gedanken lesen wie die Flüsterer, nur dass sie es für den guten Zweck gebrauchten. Sie kannten sich auch gut aus mit magischen Formeln und schulten meine Aufmerksamkeit. Einen Großteil der von mir angewandten Methoden verwarfen sie, wie zum Beispiel das Erfühlen des wahren Status anderen durch das Auflegen der Hand auf den eigenen Kopf oder das Verschmelzen mit der anderen Hexe in eine Einheit. Sie waren generell für ein friedliches Vorgehen und wussten wie man die Nerven behält. Ich begann ihnen zu vertrauen. Ich fand ihre Stimmen einfach putzig und verliebte mich in die Vögel. Sie hatten für einige Dinge ganz eigene Worte wie z.B. „Zizeböh!“. „Don´t make Zizeböh“ war ihr Lieblingssatz!“, der passte anscheinend auf so gut wie alles, und schien die Grundlehre der Vögel auszumachen. In pfeifend gesprochenen Worten, so dass die anderen es nicht als Worte erkennen konnten, fragte ich: „Was bedeutet „Zizeböh?“ Die Vögel pfiffen sprechend zurück: „Dass man so tut, als wäre man nicht da - das ist der Zizeböh!“ Das war für sie das Schlimmste was man machen konnte, sowohl als gute als auch als böse Hexe - dass man vor anderen so tat, als wäre man nicht da! Außerdem waren sie gegen die magische Handlung des „Hierher“, was so viel bedeutete, dass man die Magien des anderen zu sich rief und abforderte. Sie zeigten mir, wie man dem anderen „witt“ gegenüber tritt, also ebenbürtig und handlungsbereit, aufmerksam. Sie warnten mich vor dem roten Punkt, den sogenannten „Vogelpunkt“, den andere mir „geben“ konnten, das heißt vor meinen Augen aufleuchten lassen. Wenn ich den Punkt sah, dann sei es vorbei mit dem „Vogel-Do“, also mit der Seance mit den Vögeln als Hexen, dann wären Vögel wieder Tiere, keine Wandler mehr zwischen den Spezies. Sie schenkten mit einen grünen Punkt mit weißem Rand als Zeichen unserer „schüchternen Habi“ – dem Bündnis zwischen Vogel und Mensch. Vor dem Umgang mit Geistern, den ich mittlerweile geübt hatte, warnten sie mich eindringlich. Ich solle es fortan unterlassen mit Geistern in ein „O“ – ein magisches Gespräch zu gehen, und sie sagten „Der Geist ist sehr alt – lass ihn in Ruhe!“. Ich wusste, dass die F. – die Vögel nannten sie die „Zizeböhs“, mit Geistern in Kontakt traten, um meine Gedanken zu lesen. Meine Mutter, die ich auf der Seite der Zizeböhs vermutete, benutzte den Geist im Wasser, um meine Gedanken zu lesen. Das Wasser plauderte dann alle meine Gedanken aus. Ich selbst hatte diese Methode entdeckt, und sie war von den Zizeböhs aufgegriffen worden, so wie alle Hexentricks, die ich erfand, aufgriffen und gegen mich verwandt wurden. So taten es die Zizeböhs wohl mit allen Hexen und dafür waren sie da. Dank der Hilfe der Vögel wäre ich auf meiner Arbeitsstelle klargekommen, aber schon bald bekamen die Arbeitgeber heraus, dass ich mit Vögeln in Kontakt stand, und griffen diesen Kontakt gezielt an. Die lachten darüber, dass die Vögel mich „Angeber“ nannten, was von „einen Gedanken anreichen“ kam, und sie benutzten es als Beschimpfung für mich. Die Vögel warnten mich vor meinen Arbeitgebern und sagten, sie hätten vor, mich wegen Kindesmissbrauchs anzuzeigen. „Wenn du denkst, er zeigt dich nicht an, dann bist du sehr unvorsichtig“, sagte eine Amsel zu mir. Ich dachte mir, vielleicht ist es wie bei meiner Ehefrau, die mir ihre psychischen Probleme vermacht hatte. Von anderen Leuten kriegt man immer das, was sie selber haben. So kriege ich von diesen Menschen, die eine Anklage am Hals haben, ebenfalls eine Anklage. Die Kinder begannen sich auch sehr merkwürdig zu verhalten, zogen sich dauernd aus und schmissen sich an mich ran. Sie sprangen mit ihren Köpfen gegen meine Fäuste, so dass sie blaue Flecken an der Stirn bekamen. Sie schauten ständig durch die Glastür,wenn ich auf Toilette saß und erzählten dann ihren Eltern davon. Als die Frau vom Jugendamt vorbeikam, verhielten sie sich ganz merkwürdig und zeigten ihre blauen Flecken. Ich kündigte schnell meine Arbeitsstelle, egal wie viel Geld ich dafür bekam. Diese Leute waren mir ohnehin nicht ganz geheuer, da sie andauernd Hexereien an mir ausführten, z.B. ließen sie mein Bewusstsein für einen kurzen Moment aussetzen. Zu Hause konnte ich genau so mit den Vögeln reden wie im Garten der Sozialpädagogischen Lebensgemeinschaft. Die Vögel – sie nannten sich selbst auch „Ickas“, begeleiteten mich durch die ganze Stadt, waren überall und retteten mich aus allem heraus. Sie sagten, dass sie jetzt in einer Ehe mit mir wären und dass ich mir keine Gedanken über Einsamkeit mehr machen solle. Dafür war ich dankbar. Zu den Menschen riefen sie „Wir reden, hört ihr nicht, wir Vögel reden“, doch die Menschen gingen achtlos vorbei und hörten gar nicht hin. Die Stimmchen waren einfach zu dünn, um von den Menschen erkannt zu werden. Weil ich wissen wollte, ob die Vögel auch im Ausland sprachen, und weil ich gerne mal den Ort „Christiania“ sehen wollte, machte ich einen Trip nach Koppenhagen in Dänemark. Die Vögel sprachen auch dort zu mir und zwar auf Deutsch, mit ein paar englischen Anleihen, ganz wie zu Hause. Im alternativen Stadtviertel „Christiania“ gab es leider keinen Wohnraum, wie man mir sagte, nur in einem Haus, wo alle sehr dicht gedrängt lebten und es viele kriminelle Übergriffe gab. Da ich auch dort „Zizeböhs“ ausgeliefert war, entschied ich mich wieder nach Hause zu fahren. Auch im Hotel gab es das Geräusch und daran sah ich, dass es egal war, wo ich hinzog, dass der Spuk mir überall hin folgen würde. Ich machte auch Ferien im Wald von Mecklemburg Vorpommern, um einfach in der Natur bei den Vögeln zu schlafen, wo man mir dann schon sagen würde, wo ich etwas zu essen und einen sicheren Schlafplatz finden würde - aber ich musste feststellen, dass die Waldvögel anders waren als die Stadtvögel, sich selbst Zizenböhs nannten und mit Geistern und dem Satan zusammenarbeiteten. Sie jagten mir eine Heidenangst ein, als ich mich in der Nacht im Wald verirrte und sie sagten: „Jetzt kommen die Naturgeister!“ Dann riefen sie auch noch im Chor: „Satan kommt!“, und wirklich: Ich sah Satan. Er war eine Gestalt mit zwei Hörnern, die durch den Wald huschte, aus hellem grellem Licht. Der Satan kreuzte mehrmals meinen Weg und verschwand wieder im Dickicht. Ich versuchte, so schnell es ging, aus diesem Wald raus zu kommen, aber es war stockdunkel. Irgendwann erreichte ich eine Autobahn und ging entlang der Straße zurück. Zu Hause in meiner Stadt wartete schon das nächste Problem auf mich: „Da Wackler!“ Das war eine Straßengang, die ein künstliches Stadtbild zu erschaffen versuchte, um das alte, natürliche zu ersetzen. Da Wackler bestand aus Autos, öffentlichen Verkehrsmitteln samt Passagieren, Fußgängern und Fahrradfahren, die sich alle an diesem Spiel beteiligten. Sie erklärten sich während ihrer Taten lautstark selber, weshalb ich alles erfuhr, was da abging. Ihr neues Stadtbild nannten sie das „It“, also das „Es“, wohl im Sinne von „Konstrukt“. Im „It“ ginge es darum, seine Schritte zu „choosen“ als zu „wählen“, statt einfach spontan zu machen. Die Mitglieder von Da Wackler gaben sich Magien untereinander weiter und arbeiteten gegen die letzten normalen Menschen dieser Stadt. Als ich gerade an meinem Fenster stand, tauchte das erste mal Da Wackler auf und alles schien wie in einem Traum. Plötzlich sah alles draußen so merkwürdig und künstlich aus. Die Menschen schienen sich synchron zueinander zu bewegen und jeder reagierte auf meine Blicke sehr destruktiv und vereinnahmend. Ich musste aufpassen, dass sie mich nicht regelrecht mit sich zogen. Die Vögel schrien entsetzt von den Dächern und redeten auf den Chef von Da Wackler ein, um mich und meine Seele zu verteidigen. Der Da Wackler-Chef hatten sich extra vor mein Haus begeben, um darüber zu entscheiden, ob ich in die Hölle kam oder in den Himmel. Der Chef hatte eine Stimme wie ein Monstrum und brüllte: „Ihr wart alle unartig, jetzt kommt das Böse, an das ihr glaubt, um euch zu bestrafen. Darauf steht ihr doch, das ist das worauf ihr hört! Und so werde t ihr es bekommen!“ Die Vögel riefen: „Er tut nichts Böses, er will doch nur ein bisschen den Vogel-Do machen!“ Sie plädierten darauf, dass Vögel „Verkehrsteilnehmer“ sind und auch wahrgenommen werden wollen. Doch schon begann das Spiel. Das Wackler sagte, dass sie die „Behinderten“ repräsentieren, die von den anderen „im It getötet“ werden und demonstrierten mir, dass ich ständig die armen Passanten im It benachteiligte und sie ausstach. Und tatsächlich, es ereigneten sich wirklich lauter Vorfälle, in denen ich der Böse zu sein schien, in denen ich jemanden zu lange anguckte, oder meine Augen seine Augen zum Wegfliegen brachten. Der Chef kommentierte die Lage, entsetzt über meine Untaten, und ich hatte Angst, nun in die Hölle zu kommen, was immer das auch bedeutete. Ich rechtfertigte mich, ich wäre doch ganz friedlich und die anderen würden es doch durch ihr komisches Verhalten selbst provozieren. Der Chef von Da Wackler sagte: „Es ist als würdest du den ganzen Tag nur die Fehler bei anderen Leuten suchen!“ Dann waren die Da-Wackler-Leute plötzlich verschwunden. Sie zogen jetzt weiter, um irgendwo anders ihr Unheil anzurichten. Dafür bekam ich nun mächtige Probleme mit meiner Nachbarin, die begann, mich von der oberen Etage aus energetisch zu verfolgen. Ich hörte ihre Schritte von der Zimmerdecke aus und spürte, wie sie mir durch ihre trickreichen Bewegungen das Rückgrat geraderückte. Sie nahm mir jeglichen Platz zu leben. Aus einer Anlage schallte eine unheimliche Stimme: „Ich gehöre zu Da Wackler und ich habe ein Auge auf dich!“ Von oben aus löschte sie die Magie aus meinen Hexennotizen. Ich sah, wie die Buchstaben in Flammen aufgingen und die Magie als Rauch davonschwebte. „Du willst uns nur unseren Glauben nehmen durch deine Magie! Wir sind friedliche Menschen und du verfolgst uns nur! Was machst du nur mit uns?“ rief meine Nachbarin. Ich beschloss, so schnell es ging hier auszuziehen. Als ich hörte, wie in der oberen Etage die Tür aufging, stürmte ich heraus und stellte die Nachbarin zur Rede. „Was macht IHR denn mit MIR?“ rief ich. „Du willst mich wohl verhexen!“ Da stand plötzlich ein Polizist da. „Wollen sie ihre Nachbarin schlagen?“ – „Ja er will mir etwas antun!“ rief meine Nachbarin, „Ich habe solche Angst!“ – Ich rief: „Wissen sie nicht, dass sie ein Hexe ist - dass Hexen die Stadt regieren?“ Der Polizist sagte: „Gehen Sie in ihre Wohnung zurück und lassen sie die Frau die Treppe runtergehen. Und wehe, ich höre noch mal von Ihnen, dass Sie ihre Nachbarin angreifen, dann sind wir sofort da!“ Ich ließ Umzugshelfer kommen und zog zu meiner Mutter. Hier gab es keine Nachbarn mehr, da der einzige Nachbar, ein alter Mann, gestorben war. Bei meiner Mutter würde ich vielleicht zu meinem früheren Ich zurückfinden, da sie ja ein wichtiger Mensch in meinem Leben war. Ich bezog das leere Zimmer meines Vaters und schlief dort auf einer Matratze. Auch hier war das Geräusch da, da konnte man gar nichts machen. Dafür hatte ich einen Garten, wo ich den Vögeln lauschen konnte. Doch es kam etwas Neues ins Spiel – die Tudis, motorisierte Angreifer. Die Autos und Flugzeuge begannen zu sprechen, über mich zu lästern und mich mit Worten zu bedrängen! Es waren normale Motorengeräusche, die aber sprachliche Nachrichten übermitteln konnten, die wie Stimmen aus tiefem Gebrumme klangen. Die Maschinen sagten Dinge wie: „Och du Armer, jetzt fahren wir durch deinen Kopf! Jetzt fahren wir durch deine Brust! Jetzt fahren wir durch dein Genital!“ Und wirklich: Ich spürte sie durch mich durch fahren. Von ihren Motoren gingen Wellen aus, die durch mich durchgingen. Es war als wären die ganzen Maschinen in meinem Körper! Sie sagten: „Oh, du Armer, haben wir das gerade wirklich gemacht? Haben wir das geschafft? Sensationell - wir sind: In deinem Darm!“ Ich wand mich vor Schmerzen, aber sie hörten einfach nicht auf. Ich konnte nicht mehr schlafen, weil sie nachts zu mir sprachen und sagten: „Jetzt machen wir den Paloma-Do“ an dir, das magische Wort für „Wir rauben dir deine Seele!“ – Sie sagten auch: „Wir nehmen dir deine Vögel!“Sie gaben mir im Vorbeifahren den „Vogelpunkt“. Sie sagten von sich selber, dass sie die „Tudis“ seien - ein Wort, dass sie von mir und den Vögeln übernommen hatten. „Tudi“ kam von „To die“ – zum Sterben da. Sie sagten „wir sterben unsere Magien“, erklärten, sie seien „Die Stärkeren“ der Gesellschaft, die mit den Villen und dicken Schlitten – und die anderen seinen nur die „Dreckigen Don´t dos“, die „Penner“, die „nicht in diese Gesellschaft passten“ und sowíeso nur „pädophil“. Die Vögel beschrieben was die Autos so merkwürdig machte und sagten: „Sie fahren mit dir Ehe!“ – „Was soll das bedeuten?“ fragte ich die Vögel. Sie antworteten: „Die Autos hängen mit deinem Körper zusammen! Sie reagieren während ihrer Fahrt immer auf dich.“ – „Wir sind immer act now!“ brummten die Autos, „verstehst du, act now! Und was bist du?“ Sie sprachen immer meine Gedanken aus und verkündeten sie laut der Welt, damit es jeder hören sollte. Ich sagte: „Ihr seid doch Nazis!“ zu den Autos, da brummten die Autos „Heil, heil heil!“ Die Autos sagten: „Wir lesen dein Fanzine!“ und sie meinten damit, dass sie in meinen Gedanken lesen konnten und alles über mich und mein Hexenwesen wussten, „act now“ in meinen Kopf gucken konnten. Ihre Methode war, mich zu „nien“, also für null und nichtig zu erklären in ihrer Welt. Sie gaben vor, mich nicht angreifen zu wollen, sondern nur auszudrücken, wie egal ich ihnen sei – dabei mischten sie sich ständig mit ihrem Gebrabbel in meine Welt ein und machten alles schlecht, rissen Witze über mich und brachten mich in Bedrängnis und Erklärungsnöte. Wie sollte ich sie NICHT beachten, ich wusste es nicht. Im Garten lieferte ich mir Kämpfe mit den Autos und Flugzeugen. Die Autos wollten mir Magien rauben, meinen Blick, meine Haltung, mein Gefühl, meinen Ausdruck – und ich setzte mich gegen die Autos durch, indem ich meinen Körper bewegte. Die Autos bedrängten mich mit ihrem Nimbus aus geballter Power, und ich versuchte sie noch irgendwie normal wahrzunehmen und vorbeiziehen zu lassen. Ich brauchte mich nicht zu sorgen, denn die Vögel waren auf meiner Seite und sagte mir, was die Autos vorhatten. „Achtung, Satan-Move!“ sagten die Vögel und ich reagierte darauf. „Achtung, don´t be the Pizza!“ sagten die Vögel, und meinten damit, ich solle aus der Haltung des Opfers herausgehen, meinen Körper nicht als Angriffsfläche anbieten, sondern ihnen entwinden. Anderenfalls würde wieder das Regenbogenlicht erscheinen – ein Indiz dafür, dass ich mit meinen Magien komplett geliefert war – mit allem was ich glaube und bin. Es gab „Move T-Shirt“, wobei ich mit dem Bewusstein laufen sollte in einem Kleidungsstück zu stecken, und „don´t move T-Shirt“, wobei ich das Gegenteil machen sollte. Die Situation erforderte mal das eine, mal das andere, um nicht von den Autos und Flugzeugen eingeschüchtert zu werden. Das Schlimmste was einem passieren konnte, war, dass sie einen ins „Shy-O“ zurückkatapultierten, in den schüchternen Lebensbezugsrahmen, in dem man alle Dinge wie ein Schüchterner wahrnahm, z.B. aus seinen Augen guckte wie aus Schlitzen – oben und unten abgedunkelt, statt weit geöffnet, klar, mit der Welt verbunden und auf Empfang wie bei einer Hexe. Ich ließ ein Auto nach dem anderen kommen und erlitt so manchen Sieg und manche Niederlage. Die Autos waren sehr mächtig. Einmal pinnten sie mich mit dem Rücken an den Holzbalken einer Gartenlaube. Sie ließen alle Farben im Garten miteinander verschwimmen. Die Vögel hatten viel Gelegenheit dazu, entsetzt aufzuschreien. Sie mussten viel improvisieren, um der Lage noch Herr zu werden, denn die Autos waren „witt“. Eines Abends, ich konnte wieder nicht schlafen, weil die Autos nochmal einen „Paloma-Do“, mit mir durchziehen wollten, wurde ich sehr wütend. „Das ist Mord!“ schrie ich. Die Autos heulten: „Wehr dich doch mal so richtig gegen uns. Es ist okay.“ Und ich dachte mir: „Na gut, wenn ihr es selbst so wollt, dann wird es wohl das beste sein und auch ohne Folgen bleiben. Schließlich habt ihr es selbst gesagt!“ Ich ging in den Garten raus, nahm Backsteine aus dem Pflaster der Terasse, ging damit zur Straße und warf sie kurzer Hand auf die Dächer der Autos. Die Autos hielten an, die Fahrer sahen sehr entsetzt aus. Ein Nachbar stand rauchend vor der Tür, ihm fiel die Zigarette aus der Hand. Ich nannte ihn lautstark einen „Dreckigen Don´t do!“. Ich rief: „Dies ist der Dritte Weltkrieg“ und warf noch mehr Steine und den Deckel einer Regentonne auf die Autos. Der „Dreckige Don´t do“ kam schnaubend auf mich zu, er war ungefähr zwei Meter groß und hatte ein Kreuz wie ein Kleiderschrank. „Okay, beruhige dich!“ rief ich, „Ich nehme alles zurück. Du bist super!“ – da hatte er mich schon mit voller Wucht auf den Erdboden geworfen. Er beugte sich über mich und verdrehte mir die Schulter. „Aua!“ Dann war auf einmal die Polizei da. „Wir haben gehört, sie sind schüchtern gewesen?“ sagte eine Polizistin zu mir. „Sie müssen nun leider mit uns kommen!“ Ich bin schwer verletzt rief ich, „ich muss in ein Krankenhaus! “ – „Meinen Sie wirklich?“ fragte die Polizistin. „Na gut!“. Die Polizei fuhr mich in ein Krankenhaus, wo ich operiert werden sollte. Ich musste sehr lange in einem Rollstuhl sitzen und warten und hatte dabei große Schmerzen in meiner Schulter. Ein Pfleger kam vorbei und trat gegen meinen Rollstuhl. Dann ging er wieder weg. Ich war fassungslos. Wie viel musste ich mir in diesem Land noch gefallen lassen? Als der Arzt kam, sagte ich: „Der dreckige Don´t do hat meinen Schatten mit meinem Arm verknotet. Was können Sie da machen?“ – „Soso, sagte der Arzt, den Schatten mit dem Arm verknotet. Da kann ich recht wenig machen, ich kann nur die Schulter wieder einrenken.“ Ich wurde in einen OP-Saal gebracht, wo ich wieder warten musste. Ein anderer Arzt fragte mich, was passiert sei. Ich sagte: „Ich habe mit Autos gekämpft!“ – „Ist ja auch normal“, sagte der Arzt. Ich bekam eine Betäubung und wurde behandelt. Dann kam meine Mutter und irgend so ein komischer Begutachter, und dann noch eine Psychotherapeutin, die darüber berieten, was jetzt mit mir geschehen sollte. „Wir sehen rot“ war die Meinung aller, „Sie müssen dringend in ärtztliche Behandlung“. Wieder kam die Polizei, die mich in eine Nervenklinik fuhr. „Ich will aber nicht behandelt werden! Sie können mich doch nicht gegen meinen Willen dahin bringen. Bitte sperren sie mich nicht ein!““ – „Wir lassen Sie doch nicht einsperren“, sagte die Polizistin, „Sie sollen dort lediglich zu einem Beratungsgespräch gehen, und dann sehen wir weiter!“ Im Empfangsraum saßen zwei Schleimscheißer von Psychiater, die mich angrinsten und sich die Hände rieben. Sie meinten , es sei ein klarer Fall, ich solle hierbleiben. Alle sagten: „Super! Dann machen wir das!“ Von einem zehnköpfigen Team wurde ich auf die Station gebracht. „Ihr müsst mich nicht zerren, ich kann alleine gehen!“ sagte ich. Auf der Station waren schon eine Menge bekloppter Irrer, die mich ihrerseits ängstlich und voller Ekel ansahen. Ich hatte eine Armschiene und passte damit perfekt in die Szene. Ich wurde in ein Zimmer geführt, meinem Zimmernachbarn vorgestellt. Mir fiel sofort der Name „Fick-Affe“ für ihn ein. Der Fick-Affe ging mir sogleich auf die Nerven, ich solle nun sein bester Freund werden , und erschüttelte mir endlos die Hand. „Lass mich erstmals ankommen“, sagte ich, entwand mich seinem Händedruck und ging aus dem Zimmer. Die meisten auf der Station waren Türken, wie ich feststellte. Es gab einen im Inneren des Traktes liegenden Hof für Raucher, wo man die Vögel hören konnte. Sie schimpften mich aus für meine Tat, sagten, jetzt hätten mich die Zizeböhs drangekriegt. Die Ickas gaben mir die Anweisung: „Riskier keinen Freak!“ -. das bedeutete für mich so viel wie: Mit niemandem hier Freundschaft schließen! Die Vögel stellten mir jeden, der hier stand, vor und sagten, was ihre magische Masche war. Der eine war zum Beispiel „shy“ und hasste alle, die nicht ebenfalls „shy“ waren, die andere mochte es nicht, wenn man ihre „Hexe niete“ – und sie rastete ziemlich schnell aus, wenn es nur danach aussah. Da musste ich aufpassen, was ich tat! Eine Weitere stahl anderen das „Wow“ - also den Blick nach oben zum Himmel. Nun war es Zeit fürs Mittagessen. Wir wurden alle in die Kantine gerufen. Die Menschen, die das Essen austeilten, redeten voller Hass über mich, ich würde mich total daneben benehmen und alle hier nur stören, dabei tat ich nichts Besonderes. Während des Essens redeten alle nur über mich, dass ich so „schüchtern“ wäre und damit den anderen die „Magien“ raubte. Ich hielt es kaum aus dort zu sitzen und meine mit Käse gefüllten Teigtaschen zu essen,so lange alle nur über mich ablästerten. Während sie mich als den Bösen brandmarkten waren sie sich nicht zu schade mich parallel dazu, anzugreifen und MIR die Magien zu rauben. Jeder tat es auf seine Art und Weise. So lernte ich schnell ihre Tricks kennen. Eine der Hexen versuchte mir zum Beispiel andauern den „Baby-Point“ zu geben, der das Baby in mir abtöten sollte, mit dem Plan, dass ich mich daran festhalten und mich dadurch in ein hilfloses Baby verwandeln würde. Ein anderer, kräftig gebauter Mann,löste Seelenanteile von mir auf und verwandelte sie in Fliegen, die ich kurz darauf vor mir herumschwirren sah. Eine weitere Patientin, gab mir den „behinderten Punkt“, der mich für andere als behindert kennzeichnen sollte. Ein Pfleger kam vorbei und sagte: „Da stahl ich dir doch glatt das Witt aus den Fingern“, das ich wie schwarze Punkte in meine Fingerkuppen steigen sah. Jetzt war ich mitten unter den Zizeböhs und sollte zum Teil ihrer Gesellschaft gemacht werden, ihrer globalen Irrenanstalt. Das Problem war nur, dass ich nie etwas richtig machen konnte. Ich sollte mich dauernd nur schuldig fühlen und alles hergeben, was ich hatte, mich nur noch an „Dots“ halten, kleine Punkte der Hoffnung, die sie dauernd für mich ausstreuten. Ich war jetzt nicht mehr „The witch-one“, sondern nur noch „the dot-one“, sollte erkennen, dass es auch andere „Witches“ gab, und dass der Verkehr unter ihnen von Normen geregelt werden musste. Es wurde mir ein kompliziertes Regelwerk eingetrichtert, das besagte, wer in welchem Moment „the witch-one“ sein durfte - meist waren es die anderen und man musste gucken wo man blieb. „Und dann ist ER ja wieder the witch-one“ war ihre liebste Redewendung. „Und dann verlierst du deine Witchcraft“ war ihr Resumee, das sie einfach so stehen ließen. Eine wirklich ganz tolle Welt, in der ich hier gelandet war! Förderlicher für mein Dasein als Hexe konnte es gar nicht sein. Und dann wollten sie mir auch noch Pillen verabreichen. Sie versammelten sich in meinem Zimmer, und wollten mir eine Pille in den Mund stecken. Ich sagte, dass ich das auf keinen Fall nehmen würde. Dann sagte einer der Pfleger, ein ziemlich muskulöser Typ: „Okay, dann werfe ich Sie zu Boden und verpasse Ihnen eine Spritze, das mache ich sofort und gerne!“ Ich bekam Angst und nahm widerwillig die Pille ein. Die Pille war grün und breitete sich schaumig im Mund aus. Danach spürte ich wie alle Gedanken durch mich durch fluteten und dann eine goldartige Substanz annahmen. Meine Tage in der Psychiatrie verbrachte ich am Fenster, von wo aus ich den Vögeln lauschte und mit der Straßengang Da Wackler kämpfte, die wieder auftauchte und nun rund um die Uhr die ganze Stadt zu regieren schien. Eine Da Wackler-Frau riss mir den Skalp vom Kopf und zog ihn sich auf ihre Glatze, mit den Worten: „Wenn du deine Hexe nicht haben willst, dann gib sie mir!“ – Eine andere sagte in einer unheimlichen Stimme: „Gib mir dein Schüchtern, ich werde es begraben!“ Dann kam auf einmal jemand, den sie „Jesus“ nannten. Er hatte eine Colaflasche in der Hand. Kurz darauf kam eine etwas kleinere Kopie von ihm, auch mit einer Colaflasche in der Hand. Ich sah den Tod mit Da Wackler mitmarschieren und erlebte, wie er mit einem Sensenhieb mein Leben beendete. Ich sah Kopien der Patienten, die hier einsaßen, draußen frei rumlaufen. Oder waren sie es vielleicht wirklich, schließlich gehörten sie ja wohl auch zu der Bande! Sie klauten mir alle Magien, sogar den „Sonnengott“ – einen magischen Punkt, der mir viel bedeutete. Den Sonnengott bahrten sie auf einem Lastwagen auf und fuhren ihn durch die Straßen mit dem Ruf an alle anderen: „Ihr seid nicht moveable! Wir haben die größte Geheimwaffe geentert!“ Alles benutzten sie für ihre bösen Zwecke! Wenn sie an mir vorbeigingen oder fuhren, dann pflegten sie mich durch eine Handbewegung auf zu schlitzen, wodurch sie die Spannung rausnahmen und mich ganz weich machten. Ich machte viele Hexennotizen, um im Kampf gegen Da Wackler dazu zu lernen. Die Vögel unterstützten mich und kamen sogar ganz nah ans Fenster, um mir Gesellschaft zu leisten und Wärme zu geben. Sie sagten: „Du bist hier in Alcatraz!“ Mein größtes Problem war, dass auch Angriffe von hinten kamen, von den Psychiatrieinsassen, Ärzten und Pflegern, die sich als „Tudis“ bezeichneten. Sie gaben mir vom Flur aus durch die Tür„Dots“, Funken aus Energie, die mich auf etwas festlegen sollten, oder streuten „Hölldotter“, die wenn man sie abbekam, einen für die Hölle vormerkten. Wenn ich mich zur Tür umwandte, dann flogen mir die Pupillen raus und schwirrten durch die Luft, hefteten sich an die Tür. Oder meine Seele wurde aus meinem Körper gesogen und ich sah sie vor mir tanzen und sich dann in Luft auflösen. Da Wackler, vor dem Fenster, versuchte währenddessen mein Gemüt in ihre Kofferräume und Ladeflächen einzusperren. Ständig hörte ich wie Türen zugeschlagen wurden, und dann wusste ich, es wurde wieder ein Teil von mir eingefangen und konserviert. So konnten sie mich noch in 1000 Jahren quälen, denn sie hatten mich ja noch. „Wir moven to hell“ riefen die Da Wackler-Leute und zogen in Kolonnen weiter. Dabei begleitete sie das ewige Raunen des Geräusches am Horizont, das meine Magien aufsog. Als die Pfleger reinkamen oder, schlimmer noch, die Putzfrauen, war alles aus. Sie gaben mir die „Scheiße“ ins „O“, kastrierten mich energetisch, oder demonstrierten mir ihre Macht über die Elemente, indem sie den Himmel und das Wetter durch das Heben ihrer Hände veränderten. Das jagte mir Angst ein. Waren sie Götter? Was war überhaupt wahr und was war falsch von all dem, das ich über die Welt wusste? Während ich am Fenster stand bedienten die Ärzte irgendeinen Hebel, durch den der Boden wackelte und ich meine Besinnung aufs Wesentliche verlor. Die Zimmergenossen, die ich ,ehrmals wechselte, weil ich es mit ihnen nicht aushielt, wollte ich auch am liebsten meiden, weil sie „Act now“ mein „Fanzine“ zu lesen schienen und mich behandelten wie ein Objekt. Sie taten ständig, als wolle ich sie aufs Klo verfolgen, nur weil sie die Fähigkeit hatten, mich auch durch die Wand hindurch wahrzunehmen und immer noch zu malträtieren. Vor dem Schlafengehen kam eine alte Frau, die sie „Mrs. Da Wackler“ nannten, die guckte, ob ich tagsüber artig gewesen war. Wenn nicht, dann nahm sie meine Seele mit in die Hölle. Sie zog sie mir als ein Schatten aus dem Leib und nahm sie mit auf ihr Zimmer. In der Nacht schnarchten die Zimmergenossen laut und redeten dabei auf mich ein, so dass ich nicht schlafen konnte. Ihre Sätze entsprachen dem Verfahren der kognitiven Umstrukturierung. Sie waren also gar keine Patienten, wie sie vorgaben, sondern Teil der Ärzteschaft, genau wie die Menschen auf der Straße. Selbst die Zimmereinrichtung war zum Zweck der Therapie ausgerichtet und man bekam von Möbelstücken „Dots“ zugeschickt, vom Muster auf dem Boden und vor allem vom Vorhang. Luftschächte saugten die Magien ein, oder zerlegten mich in tausende von Schnipseln, zur „Pizza“. Ich sah wie meine Mutter aus meinem Erinnerungsschatz gerissen wurde und in den Luftschacht gesogen wurde. Wie sollte ich hier nur die Tage überstehen und vor allem die Nächte? Ich flüchtete mich auf den Flur, aber da sorgte ein Roboter-System dafür, dass mir Magien abgezogen wurden. Eine dumpfe Stimme erklang, die immer beschrieb, welche Magie mir jetzt geraubt wurde und ich sah die Magie den Flur entlang fliegen, direkt zu den Pflegern, die an der Rezeption Nachtwache hielten. Nirgendwo war ich hier sicher! Es war ein einziger Alptraum! Sie wollten meine magischen Tricks und Eigenschaften entschlüsseln, vor allem mein „Eye“ – das dritte Auge, und die „Shy be“, meine Union mit meinem Schatten, mein „Bapzuallah“, die innere Magie, die ich mit mir selbst ausmachte und durch die ich die Welt in mir drin erkunden konnte. Nach drei Monaten kam ich raus aus der Psychiatrie, weil man mich für Belastbar hielt. Ich hatte Angst vor Da Wackler, aber ich wollte auch nicht hier drin bleiben. Da draußen war aber alles ganz normal, so wie es früher immer gewesen war. Es gab keine dummen Sprüche mehr, keinen künstlichen Straßenverkehr, keine sprechenden Maschinen und – wie ich zu meinem Entsetzen feststellen musste -, auch keine sprechende Vögel. Mein Leben zu Hause war aber alles andere als ruhig und friedlich – die Nebenwirkungen der Tabletten waren ziemlich schlimm. Das Geräusch war immer noch da. Ich versuchte jeden Tag zu den Vögeln zu sprechen, aber sie zwitscherten nur. Ich hielt mich nun an den Glauben an Gott. Die Vögel hatten mich zum christlichen Glauben gebracht, weil sie gepredigt hatten: „Der Vater sagt: Seid nicht wie ihr!“ Einst hatte ich den Vögeln Folge geleistet, jetzt vertraute ich Gott. Das war auch im Sinne der Vögel. Gott war es, der mir die Vögel geschickt hatte, damit sie mir in der schwersten Stunde Beistand leisteten. Sie waren sein Wunder! Durch sie hatte er zu mir gesprochen! Und dann hörte ich es auf einmal wieder von einem Hausdach rufen: „Don´t make Zizeböh!“
Kommentare zu diesem Text
Habe schon ein Angebot bekommen, mit mir Absätze herauszuarbeiten!
Ich habs bewusst in einem Stück geschrieben, um es sprudeln zu lassen.
Ich weiß, dass es schwierig ist so zu scrollen und nicht die Spur zu verlieren, aber es gehört zu diesem Text auch ein Stück weit dazu, dass es in einem Guss ist. Aber mal sehen was sich machen lässt.
Ich habs bewusst in einem Stück geschrieben, um es sprudeln zu lassen.
Ich weiß, dass es schwierig ist so zu scrollen und nicht die Spur zu verlieren, aber es gehört zu diesem Text auch ein Stück weit dazu, dass es in einem Guss ist. Aber mal sehen was sich machen lässt.
Die Geschichte ist doch einfach Quatsch, ich habe nach "Bisexuelle waren überhaupt die besseren Menschen" aufgehört zu lesen. Hat Potential für eine schöne Groteske (geschiedene Punker!), aber da müsste man viel umschreiben.
Als erfahrenen Thomas-Bernhard-Leser stören mich persönlich die nicht vorhandenen Absätze nicht, aber ich habe Verständnis dafür, dass viele welche vermissen.
Als erfahrenen Thomas-Bernhard-Leser stören mich persönlich die nicht vorhandenen Absätze nicht, aber ich habe Verständnis dafür, dass viele welche vermissen.
Inzwischen bin etwas altersmilde geworden, ein passable Groteske könnte noch daraus werden. Da müsstest Du aber nochmal ran, Harry! Gib' alles!!!
Ja, ist ein interessanter, weil sehr unsympathischer Erzähler. Glücklicherweise kein Tagebuchstext von dir, lieber Harry!
Die Sache mit den Gottesvögeln zum Schluss ist ja zu drollig!