Nachverfolgung

Cut-Up zum Thema Abgrenzung

von  Livia

Weißt du noch, als ich zu dir sagte, ich suche nach dem Vergessen? Es ist seltsam, jetzt zusammen mit diesen Erinnerungen im Sesselkreis zu sitzen und dass die Vorstellungsrunde mich tatsächlich neue Dinge hören lässt. Ich hatte vergessen. Hatte. Ausgeblendet und verschoben. Das war der Trick. Mein Kopf wünscht dem Vergangenen längst Frieden, aber meine Wut bäumt sich jedes Mal auf und erinnert mich wildschlagend an die Tage, die immer schon seltsam weit weg waren. Selbst als sie passierten. Das Leben traf die Wand. Drückte auf Lichtgeschwindigkeit – Zeitlupe – Dauerschleife. Ich kam nicht mehr mit. Mehr verdrängt als getrauert, mehr funktioniert als akzeptiert. Eingepackt und weggeschoben statt los- und zugelassen. Jeder Atemzug bleibt leer wie die Wände, auf denen sich Ränder von Bildern abzeichnen. Vorhanglose Fenster spielen unbehindert mit Licht, neben Erinnerungen in Zeitungspapier und Pappe. Ein alter Luster gaukelt Heimlichkeit vor und beleuchtet immer noch das Brandloch im Teppich. Es ist noch da. In der Spüle steht eine vergessene Kaffeetasse. Die braunen Ränder sind eingetrocknet. Kein Brief. Keine Nachricht. Du bist nicht hier. Du bist längst fort. Erzählten sie mir. Keine Besuche, kein Blumengießen. Aber das Ausmalen, neue Serviettenringe und die Mülldeponie. Klingt das nach mir oder bin ich die einzige, die sich fremd geworden ist?

Dennoch sitze ich wie jeden Abend am Fensterbrett und gebe den Sternen neue Namen – weil die alten nicht mehr passen. Längst sind sie neue Karten, haben neue Verzweigungen Richtung Äther. Längst haben sie aufgehört nach mir zu rufen, aber immer begleiten sie die dunklen Wolken, die durch mich streifen. Für das Licht, das sie spenden, werden sie fallen. Erinnerst du dich -  der dunkelblaue Abendhimmel. Ich habe mich in dieser Nacht in dir gespiegelt, gefunden besser gesagt. Und mit jeder Drehung verschwamm die Grenze zwischen uns ... Jetzt ist sie stärker denn je. Angst schafft Schranken. Ich. Du. Da ist die Grenze. Mit jedem Du, dass ich sage, nippe ich an dem Becher der Bitterkeit. Weil es nicht so sein müsste.

Aber - du hast entschieden:
Dein Innenausbruch, der dein ganzes Außen auf dich zentrierte. Wo du wandeltest, waren Spuren aus Asche.  Dein Untergang war das Schlüsselwort zu meinen Wurzeln. Aufstieg gab es nicht. Erneuerung unsere Strafe. Aber erinnerst du dich noch, wie es begann?

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (30.03.17)
Nachverfolgt von eindringlich geschilderten Erinnerungen.
LG
Ekki

 Livia meinte dazu am 30.03.17:
Nachdenken löst die Szenen vielleicht nicht auf, aber sie drehen sich dann nicht mehr so im Kreis.
Liebe Grüße, Livia

 TrekanBelluvitsh (30.03.17)
So etwas nennt man wohl Scheiterhaufen.

 Livia antwortete darauf am 30.03.17:

 TrekanBelluvitsh schrieb daraufhin am 30.03.17:
Na klar. Man lässt Weintrauben am Weinstock reifen, pflückt sie dann vorsichtig - und lässt sie dann liegen bis sie dann liegen bis sie schön schrumpelig sind. Das klingt dann wirklich nach Scheiterhaufen!

 Livia äußerte darauf am 31.03.17:
Der Staubzucker wird es schon retten ;)
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