Prolog einer ungeschriebenen Geschichte.

Prolog zum Thema Depression

von  Gideon

Manche Tage fühlten sich entsetzlich einsam an. Blau, bleiern, eisig.
So falsch konnte ein Mensch gar nicht sein, und doch fühlte ich mich genau in dem Maße falsch, dass mein Dasein zeitlos, sinnlos erschien – so als hätte ich meinen Platz nie eingenommen – und als fiele es mir entsprechend leicht, etwas aufzugeben, das nie in meinem Besitz gewesen war. Ich fühlte mich fehlbar und verletzlich und unsichtbar und einfach entsetzlich. Entsetzlich einsam.
Ich lag in meinem Bett, der einzige Ort, dem ich an diesen Tagen standhielt. Ich sah etwas in den dünnen, gebrochenen Fensterscheiben – draußen war Nebel, leichte Dämmerung, so dass man nicht recht wusste, ob das Glas denn spiegelte oder doch einen Blick in die Außenwelt ermöglichte – einen Umriss, einen Schatten, der doch das ganze Ausmaß der Katastrophe erahnen ließ; wenn es eine war, wenn es überhaupt dort, in diesem Raum geschah, sich dort befand, und sich nicht doch nur aus einer Verzerrung der karg beleuchteten Straßen ergab. Ich ließ meinen Blick abgleiten, als wäre das Hier und Jetzt eine scharfe Kante, als hätte ich sämtliche Kontrolle aus Fahrlässigkeit, in Gedanken, voreilig auf dieser abgelegt und als flöge sie jetzt, in jahrhundertschweren Sekundenschlägen, davon. Meine Augen brannten vor Müdigkeit. Es schien nicht zu bewältigen, sie auch nur kurz auf einen Punkt zu richten. Mein Sichtfeld würde sich immer wieder verschieben, verschwimmen, verwischen, so dass meine Umgebung für diesen Augenblick einem grobgepinselten Ölgemälde glich. Doch ich wusste ja, wo alles war, und ich brauchte ohnehin nichts von alledem.
Alles stand still. Ich fühlte das Beben der Erde ersticken. Das Regenwasser versickern. Das letzte Aufbäumen meines Schädels gegen den unaufhaltsamen Tiefschlaf. Totenschlaf. Grabesstille.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(06.06.18)
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 Gideon meinte dazu am 06.06.18:
Vielen Dank! Dass die Fenster-Passage besonderen Anklang findet, freut mich.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 07.06.18:
Guten Morgen.
Bis auf "Jahrhundert schweren" ist handwerklich nichts auszusetzen, meine ich, aber inhaltlich gefällt mir der Text nicht. Es ist nur eine weitere der zahllosen Varianten einen typischen Depressionstexts, der weder fesselt noch Lust auf mehr macht, noch sonstwie interessant ist.

 Gideon schrieb daraufhin am 07.06.18:
Danke für deinen Kommentar! Der Text ist schon älter und ich erst neu hier - aber ich verstehe, was du meinst. Vielleicht folgen ja ein paar neue Texte, die dich mehr begeistern können.

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 07.06.18:
Ja, das wäre schön.

Schreib' doch mal was aus Deinem Studenten-Alltag! Was Handfestes meine ich, nicht so Emotionsgeblubber.
Ist nur ein Vorschlag.
Deek (43) ergänzte dazu am 07.06.18:
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 07.06.18:
Was ist "der eigentliche Sinn des Schreibens"?

P.S.: Ja, die Bez. "Emotionsgeblubber" klingt hart, aber ich wollte ehrlich sein und kein Blatt vor den Mund nehmen. War ja nur ein Vorschlag. Keineswegs fordere ich hier irgendjemanden auf, es einzig mir recht zu machen.
Deek (43) meinte dazu am 07.06.18:
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Graeculus (69) meinte dazu am 07.06.18:
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 Gideon meinte dazu am 07.06.18:
In jedem Fall freue ich mich über Kritik und Anregungen, denn deshalb möchte ich diese Plattform nutzen. Zum wiederholt zitierten "Emotionsgeblubber": Mir ging es hier primär um die Vermittlung eines Gefühls und eben nicht um eine konkrete Handlung mit Spannungsaufbau. Nichtsdestotrotz habe ich versucht, das ganze stilistisch aufzubereiten, in Bilder zu fassen, um eben nicht nur zu "blubbern". Und natürlich gefällt es auch so nicht jedem

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 08.06.18:
Und wenn jemand einen traurigen Text hier veröffentlicht, um sich etwas von der Seele zu reden, ist das unheimlich mutig und verdient Respekt.

Nichts für ungut, aber Gideon veröffentlicht hier auf KV anonym und ohne Nennungen von Namen und Orten. Da bitte ich um Verständnis, dass ich das nicht "unheimlich mutig" finden kann. Ja, es verdient Respekt, es aber "mutig" zu nennen, beschreibt die Situation wahrscheinlich nicht treffend. Zumal wir hier in einen Schreib- und nicht in einem Therapieforum sind, also auch mit reiner kreativer Fiktion gerechnet werden darf!

P.S.: Besserer Begriff für E.: "Gefühlstextung"?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 21.05.19:
Das musste mal gesagt werden.
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