Zinnsoldaten

Text zum Thema Angst

von  Xenia

Dieser Text ist Teil der Serie  Mutter
Das Mädchen hatte keine Freunde als Kind, aber sie hatte die Erlaubnis, mit Omas alten Zinnsoldaten zu spielen. Diese waren zwar schon alt und hatten ein bisschen Patina angesetzt, aber das machte sie eher noch ein wenig interessanter für das Kind. Das Mädchen konnte stundenlang mit ihren Soldaten spielen und ihr wurde dabei niemals langweilig. Jedoch war die Art und Weise, in der es  mit den Figuren spielte, etwas anders als es zu erwarten wäre. Das Wesen des Kindes war zu friedlich, um Kriegsspiele zu mögen, weshalb die Soldaten allesamt ungewöhnlich friedlich waren. Sie waren keine Krieger, sondern bauten Häuser und retteten Menschen vor Hochwasser und ähnlichen Unanehmlichkeiten.

Das Mädchen konnte sich in diesen Spielen regelrecht verlieren. Es war schön, vor nichts Angst haben zu müssen. Es genoss die Nachmittage auf der Terrasse der Großmutter jedes Mal, als gäbe es kein nächstes Mal. Wenn es Zeit war, zu gehen, stellte das Kind die Zinnsoldaten alle in Reih und Glied ordnungsgemäß auf, damit keiner sie für ihre Unordnung tadeln konnte. Das Mädchen hatte sehr viel Angst davor, ihre Mutter nicht zufrieden zu stellen. Aber die Soldaten aufzuräumen, war einfach. Man konnte gar nichts falsch machen. Auch das war ein Grund, warum das Mädchen die Zinnsoldaten so gerne hatte. Sie versprachen ihr eine Form von Sicherheit, die ihr im späteren Leben nur Zahlencodes geben sollten.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (24.06.18)
"...aber sie hatte die Erlaubnis, mit Omas alten Zimmer zu spielen."

Spannend!!! Wie muss ich mir das vorstellen? Kommen dann noch Knuffi, die IKEA-2-ZKB und Protzo, das Manufactum-Badezimmer dazu und sie würfen um die Fließenlegermeisterschaft? Ich bin so was von neugierig!
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