tastsinne fallen mir ein

Gedicht

von  W-M

ein wenig Musik zum Abschied wäre trotzdem nett
                                                                  (Nancy Hünger)


werden begleitet heute von oboen die wörter
fadenscheine in der nacht zwischen straßenbahnschienen
stolpert einer über das kopfsteinpflaster
gucken aus den häusern fenster
aus den fenstern leute
welche leute

haben abgestellt um die hausecken einsamkeit
ein zwei einsamkeiten für jeden
holt sie am morgen vor der ersten dämmerung
im regen die städtische müllabfuhr

lauschst du den klängen der wörter und oboen
die durch die straßen wehen
sich ausruhen in hauseingängen
warten sie auf das ende der nacht

wir tragen eine glut in uns
ein flammendes feuer aus quecksilber
das uns sein lässt
murmelnde nomaden

[tastsinne fallen mir ein
wenn ich mich bewege als schuppentier]


Anmerkung von W-M:

.

veröffentlicht im Netz bei   fixpoetry.com als Gedicht des Tages am 05.10.2019

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Kommentare zu diesem Text


 juttavon (07.10.19)
Ein spannender Gesang von einer poetischen Stimmung in regnerischer Nacht.

Er spielt mit Einsamkeit und gemeinsamem "feuer", kann die Musikalität von Wörtern spüren und lässt vage an Berührung denken: "tastsinne fallen mir ein". Ob sich das Lyr.Ich aus seinem Schutzpanzer ("schuppentier") bewegt, bleibt offen.
Im Bild "das uns sein lässt / murmelnde nomaden" wird Freiheit angedeutet.

Ein zart-erotisches Gebilde vor dem rauen Hintergrund einer Innenstadt.

Gefällt mir. HG Jutta

 W-M meinte dazu am 07.10.19:
Immer wieder: BOAH! das "zart-erotisch" gefällt mir. Und ja, wir sind fast alle großstadt-nomaden (zumindest diejenigen, die in einer größeren stadt leben) und dort einsam und noch nicht ganz erloschen, auch wenn das feuer "giftig" ist (quecksilber) ... und irgendwie wohnt dem gedicht auch ein abschied inne, vielleicht für immer (angelehnt an das zitat)? Danke sehr für die profunde analyse und die zustimmung, HG, werner

 FrankReich (12.10.19)
Hallo W-M,

ein gelungenes Stück Poesie, bis auf das Schuppentier, das sich meiner Meinung nach vom Begriff her nicht wirklich in das Gedicht einfügt. Vielleicht wäre hier ein konventioneller Schluss auch der pointiertere, wie etwa: [...] wenn ich mich bewege aus der nacht]?

Ciao, Frank

 W-M antwortete darauf am 22.10.19:
danke für Deine zustimmung Frank. ja, das schuppentier, dieses seltsame wesen, will vielleicht nicht so ganz recht passen?! oder doch?! vielleicht am ehesten zu den tastsinnen ...

 Mullenlulle (25.12.19)
Bei Dir lese ich Poesie auf einer anderen Ebene. Ich glaube, ein größeres Kompliment hab ich länger nicht gemacht, aber verlang von mir bitte keine Erklärung.
Beste Grüße

Mull

 W-M schrieb daraufhin am 25.12.19:
ich sage mal danke sehr für die große zustimmung! und, dichtung, gedichte muss man nicht erklären, sie sprechen für sich selbst. bei diesem hier hatte ich ja geradezu eine steilvorlage als quelle der inspiration.
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