An der Ampel

Text zum Thema Annäherung

von  Xenia

Dieser Text ist Teil der Serie  Lebensfreude
Die Ampel wird einfach nicht grün. Wahrscheinlich werde ich zu spät kommen. Das ist das Letzte, was ich gebrauchen kann. Neben mir steht eine junge Frau, die wohl auch über diese Straße muss, und tanzt. Ich schaue sie an und sie grinst mich richtig frech an. Jetzt steht sie wieder ganz still da, ihr Gesicht ist mir noch immer zugewandt. Sie beobachtet mich. Ihr Blick durchdringt mich, es ist mir unangenehm. "Was istn los mit Ihnen?", fragt sie, ihr Gesicht berührt jetzt fast meine Nase. Ich zucke zurück, und betrachte sie mit etwas Abstand genauer von unten bis oben.

Sie trägt ziemlich heruntergekommene Kleider, trägt keine Schuhe, hat eine seltsame Frisur (vorne rasiert, hinten ungepflegte Dreadlocks), Piercings im Gesicht und ein Lächeln, das über ihr ganzes Gesicht geht, wobei es einen fehlenden Zahn mittig links im Oberkiefer offenbart. "Schau mal", sagt sie, dann wackelt sie mit dem großen Zeh. Fast muss ich lachen, drehe mich aber demonstrativ weg von ihr, und warte, dass endlich die Ampel grün wird. Als es so weit ist, laufe ich über die Straße, so schnell es mir möglich ist. Schließlich habe ich heute noch was zu tun.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (19.01.20)
Könnte man auch ganz anders darstellen: Frau, die gerade aus ihrer Mittagspause kommt, trifft Junkie an der Ampel. Wahrscheinlich Berlin.

 Xenia meinte dazu am 19.01.20:
Amüsant, wie du dich hier selbst zum Klischee stilisierst. Danke dafür, made my day.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 19.01.20:
Könnten wir bitte mal diese persönliche Ebene außen vor lassen? Hier geht es nicht um mich. Ich wollte einfach nur eine andere Perspektive aufzeigen. Danke.

 Xenia schrieb daraufhin am 19.01.20:
Punkt 1: Die Frau ist auf dem Weg zur Arbeit, nicht in ihrer Mittagspause. Sie ist eine zuverlässige Mitarbeiterin, die es nicht leiden kann, zu spät zu kommen, was sie mit so ziemlich allen Menschen gemeinsam hat, die mir angenehm sind.

Punkt 2: Wenn sie davon ausgehen würde, dass die andere Frau ein Junkie ist, nur weil sie ist, wie sie ist, hätte sie Vorurteile, die ich ihr nicht zusprechen möchte. Warum sollte ich das tun? Es gäbe natürlich noch die Möglichkeit, einen Sprecher aus dem Off dazu zu benutzen, die junge Frau mit den Dreads als Junkie zu skizzieren. Die Frage ist, wofür das wichtig ist.

 Xenia äußerte darauf am 19.01.20:
Punkt 3: Die meisten deiner Kommentare sind so unnötig, dass der Schluss, es gehe sehr wohl um dich, naheliegend ist.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 19.01.20:
Ein weiterer, unnötiger Kommentar:
Die Stärke dieser kurzen Schilderung liegt in der Unterschiedlichkeit der beiden Menschen. Aber warum stellst Du den Junkie so positiv und die Mittagspausenfrau so negativ dar? Der Leser kann selbst entscheiden, Du solltest im Sinne eines besseren Texts nichts vorkauen.

 Xenia meinte dazu am 19.01.20:
Hase, das ist deine subjektive Ansicht meiner Schilderung. Vielleicht ist die Frau, die auf dem Weg zur Arbeit ist, auch lange arbeitslos gewesen und hat jetzt Angst, ihren neuen Job wieder zu verlieren. Ich frage mich eher, wie du von dem Aussehen der Tänzerin auf einen Junkie schließt. Hast du Vorurteile?


Achja, nur so nebenbei: Die gestresste Frau auf dem Weg zur Arbeit war übrigens ich.

Antwort geändert am 19.01.2020 um 13:45 Uhr

 Xenia meinte dazu am 11.12.23 um 09:05:
Und die andere Frau, das war auch ich :).

 juttavon (19.01.20)
Ein winziger Moment aus dem Alltag, der eine Fülle von Menschlichem entwirft. Der augenzwinkernde Zeh gefällt mir!
Schön.

HG Jutta

 eiskimo (11.02.20)
Gut wiedergegeben, diese "Beziehungskrise". Meist leben wir ja wie geschmiert aneinander vorbei. Aber manchmal hakt es auch, und dann wird einem das Theater bewusst.
lG
Eiskimo
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