Im Jahr 2028 wurde die Erde von einer völlig neuen, exotischen Tierart befallen, vermutlich durch einen als harmlos eingestuften Asteroiden aus dem Weltraum, dessen Überreste in der Wüste Gobi aufschlugen.
Die Bewohner der zunächst betroffenen Regionen fielen innerhalb von zwei Schlafperioden sämtlich den Invasoren zum Opfer. Bei den Fandangos, wie sie in der Sprache der Einheimischen genannt wurden, schien es sich um ca. 20 Zentimeter lange metamorphe Parasiten zu handeln, die sich fetten weißen Maden gleich an der Haut schlafender Menschen festsaugen und ihnen die Lebensenergie entziehen.
Durch dieses Auftankverfahren explodierte die Population des außerirdischen Parasiten, und die Zivilisation der Menschen ging unter.
20. Mai 2029
Wir haben hier einen Mann gefunden, der mit Fandangos Kontakt hatte. Er war halbtot, aber wir konnten ihn transportieren. Sehen Sie auf den Bildschirm, er bewegt sich bereits.
Verstehen Sie, Aristoteles. Er überlebt!
Vielleicht ist er immun gegen die Invasoren.
21.Mai 2029
Der Bursche hat sich erholt. Wir haben ihn verhört. Er nennt sich Quentin. Doch erinnert er sich nicht mehr, wie er in die Ruine kam. Offenbar hatten die Fandangos doch einen gewissen Erfolg.
Zur Zeit testen wir Qentins Widerstandskraft gegen die Fandangos am lebenden Exemplar.
Wir haben einen sedierten Fandango im Labor, der täglich mit Säugern gefüttert werden muss. Quentin, der sich als hartgesotten herausstellt, lässt sich widerwillig den Parasiten an den Hals setzen. Der Fandango schrumpft vor unseren Augen zusammen und fällt ab.
24.Mai 2029
Hören Sie zu, Quentin! Was ich Ihnen mitzuteilen habe, wird Ihnen nicht gefallen.
Sämtliche Erdkontinente sind mit Fandangos verseucht. Die letzten Menschen sind dem
Untergang geweiht. Die Fandangos haben ihren Ausgangspunkt in der Wüste Gobi, dort haben sie mit hoher
Wahrscheinlichkeit die Residenz ihrer Zentralmonströsität errichtet. Von hier aus programmiert das Reduplikationsmorph die Vorgehensweise der Invasoren.
Wachen Sie auf, Quentin! Sie haben noch einen langen Weg vor sich. Als einziger Mensch sind Sie nahezu immun gegen die teuflischen Biester.
Wir werden Sie mit allem nötigen ausstatten und Sie zu dieser außerirdischen Gebärmutter schicken, Quentin, und dann blasen Sie das Ding in Nanoteile!
Hören Sie schon auf. Die Piloten sind längst verreckt, die Maschinen verrottet.
Gehen Sie, Quentin. Viel Glück.
Der Fluss strömte ruhig dahin, das Gras der Böschung wog im Wind, es gab sogar eine Brücke. Dennoch zögerte der hagere Kerl, bevor er sich entschloss, den knarzenden Steg zu betreten und mit dem einsam schaukelnden Ruderboot überzusetzen.
Quentin sprang aus dem vollgelaufenen Kahn ans Ufer und bewegte sich behutsam über einen sanft ansteigenden Weg, der schließlich von Anhöhe zu Anhöhe führte.
Gegen Abend versank die Sonne hinter der Einöde. Talwärts führende Gesteinsformationen warfen beunruhigende Schatten.
In den letzten Tagen hatte Quentin kaum noch Schlaf gefunden. Fand er nach anstrengender Wanderung in der Nacht Zuflucht in einem Haus, einer Höhle, auf einem Baum, wachte er nach einer Stunde schweißgebadet auf, an Armen, Beinen, Brust saugende Fandangos, die selbst in ihrem zuckenden Todeskampf kaum abzuschütteln waren. Irgendetwas vertrugen die Parasiten nicht an seinem Wirtskörper, dachte Quentin. Vermutlich hatte er früher zu viel Plastikbier getrunken.
In entsetzlichen Gewaltmärschen hatte er Todeszonen durchquert und den Rand der Wüste Gobi erreicht. Nun war er ausgelaugt und todmüde. Noch einmal konnte er sich nicht in eine Höhle legen, um nach einer Stunde bedeckt von saugenden Würmern schreiend zu erwachen.
Quentin erinnerte sich nicht mehr an seine Vergangenheit. Aber er hatte eine untrügliche Ahnung, die ihn vorantrieb, beflügelt vom ständigen Anblick der nach allen Richtungen strebenden Fandango Replikanten, denen auszuweichen der genervte Todeskandidat laufend gezwungen war.
Als er schon nicht mehr daran glaubte, erreichte Quentin die Überreste der chinesischen Mauer am Rande der Wüste.
Der Wind pfiff unaufhörlich durchs Land.
Quentin gönnte sich einen langen Schluck Wasser. Dann faltete er sorgsam den Minicopter auseinander, stabilisierte die Flugkonstruktion und aktivierte die Batterie.
Ihre durchschnittliche Betriebszeit reichte für eine halbstündige Stromversorgung.
Quentin schnallte sich mühsam das Fluggerät auf den Rücken. Dumpf erinnerte er sich an das kurze Training mit diesem Gerät und startete den Rotor. Allmählich hob sich der hagere Mann aus den Sandstaubwolken heraus und flog Kurs auf den Ursprung des Parasitenstroms aus den Tiefen des Wüstengebietes.
Trotz des stetig auf und ab schwellenden Windes vernahm Quentin ein sich allmählich steigerndes Wispern und Raunen aus der sich unter ihm öffnenden Ebene, bis zum dämmernden Horizont bedeckt mit strebsamen Fandangos. Zerstörte Siedlungen waren nicht mehr zu erkennen. Die Fandangos hatten die Landschaft nach ihren Bedürfnissen gestaltet.
Quentin überflog peripher einen Häutungskrater und geriet trotz eingeschränkter Sicht über die Vorstadtdämpfe der Fandangos hinweg auf dem Luftweg ins Zentrum der abgezirkelten Fandango-Residenz.
Keine fünfzig Meter unter seinen zerschlissenen Laufschuhen begannen die Invasoren, radikal ihre Richtung zu ändern und hastig ihrem Ursprung entgegen zu kriechen. Im bleichen Mondschein wirkte die Masse der sich windenden Wesen wie ein lebendiger Teppich, über den der hagere Mann am Minicopter seinen bizarren Schatten warf.
Quentin litt auf Grund der Pheromon-konzentration in der Atmosphäre an Atemnot und Wahrnehmungsstörungen, doch es gelang ihm, den einmal eingeschlagenen Kurs zu halten.
Aus der Ferne sah er durch Schwaden abgesonderter Duftmoleküle hindurch den Uterus der extraterrestrischen Entität.
Der plasmatisch schillernde Riesenkörper bedeckte die Fläche eines Einkaufszentrums und erhob sich gleich einem vernarbt gestalteten Dom über das verwitterte Land.
Quentin bekam starke Kopfschmerzen, je mehr er sich mit seiner Flugmaschine dem metamorphen Zentrum der rückwärts nach innen fließenden Biomasse näherte.
Das Fandango Morph reagierte instinktiv und versuchte, dem unverhofften Eindringling aus der Luft schneckengleich zu begegnen. Als Quentin über dem Plasmastrudel schwebte, der in Seifenblasenfarben schillerte, fühlte er sich einen Moment lang versucht, die Maschine abzuschalten.
Sein Kopf bestand aus pulsierendem Schmerz. Von fahrigen Händen ausgelöst, fiel die Kapsel
dem Schlund entgegen.
Ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen, beschleunigte Quentin sein Fluggerät und nahm Kurs auf den Fluss. Hinter ihm erklang eine Serie merkwürdiger Geräusche, die dem hartgesottenen Burschen zu einer langanhaltenden Gänsehaut verhalfen.
Schrille, interrupte Sirenenläufe wechselten sich mit hochfrequent gequältem Winseln zur Sinfonie des Wahnsinns.
Der Minicopter begann zu stottern und sank auf die zuckenden Leiber der Parasiten hinab.
Quentin landete weich und glitt noch etliche Meter über die verfärbten Parasiten dahin, bevor er sich mehrfach überschlagend einem Strudel glitschiger Saugwürmer hingab.
12. Juli
Endlich scheint die Sonne.
Leider bin ich verflucht, der Letzte zu sein.
Alle Gefährten hat es dahingerafft.
Im Moment trügerische Ruhe.
Ich sitze vor der Zieloptik im Zufluchtsbunker und bleibe wachsam.
Fresse Erdnüsse und saufe lauwarmes Wasser mit Aufputschmittel.
Da – Eine zerrissen wirkende Gestalt kraxelt wie ein stroboskopischer Schatten unter fremder Sonne in den Kamin.
Es muss eine weitere Ausgeburt dieser Hölle sein! Ich nehme die Gestalt ins Visier meiner Waffe und blicke in Quentins Gesicht.
An seinem Hals hängen Fandangos. Dessen ungeachtet winkt er mir zu.
Ich winke zurück, eine unsichtbare Geste.
Dann zünde ich die Batterie der Flammenwerfer und betrachte noch einen momentlang Quentins Rauchschwaden, die, zunächst zögernd, dem Zugang entgegen schweben, um dann in einem Luftzug zu entschwinden.