Hallo. Was so viel heißen soll wie Herzlich Willkommen.
Wozu? Was wird geschehen?
Du erkennst mich nicht, oder? Hab ich mir fast gedacht, denn lang ist’s her. So lange, dass ich irgendwann aufgehört habe, die Jahre zu zählen.
Bitte, hilf mir auf die Sprünge.
Genau darum soll es gehen. Du hast jetzt die Möglichkeit, Dir etwas von der Seele zu reden. Nicht alles, für alles fehlt uns die Zeit, aber etwas ist ja auch schon etwas und auf jeden Fall mehr als nichts. Also, Du siehst, wenn Du nicht gleich loslegst, dann rede ich mich (um Kopf und Kragen) warm und um mich soll es doch aber gar nicht gehen.
Warum eigentlich nicht?
Naja, Du hast ja mich gerufen, nicht umgedreht.
Ich habe Dich nicht gerufen.
O je, ich hatte völlig vergessen, wie schwer Du zu knacken bist. Also schön – Dein Unterbewusstsein hat mich gerufen. Es gehe Dir nicht so gut, zumindest phasenweise.
Das hat es gesagt? Interessant… Was hat es noch gesagt?
Netter Versuch, aber so gut kenne ich dich dann doch, auf diese billigen Tricks falle ich nicht so leicht herein.
Also nochmal zum Mitschreiben. Mein Unterbewusstsein hat Dir gesagt, mir gehe es nicht so gut, phasenweise, und ich solle mir mal bei Dir etwas von der Seele reden. Aber ich kenne Dich doch gar nicht.
Hast Du mich wirklich ganz und gar vergessen? Ich war doch so viele Jahre Dein Begleiter. Ich weiß ja, dass Menschen erwachsen werden – was auch immer das heißt – aber dass sie so ganz und gar vergessen, zu wem sie sprachen in stillen Stunden, und in manchen lauten, brausenden auch, das ist doch wirklich traurig.
Ich weiß zwar nicht genau, was Du meinst, aber ja – das Erwachsenwerden hat seine Traurigkeiten, allerdings. Man wird, wenn man ehrlich ist, empfindsamer, muss aber, wenn man bestehen will, stark sein und groß. Zurück geht es nicht, ich weiß. Aber vielleicht könnte es andere Orte geben, wo man schon deswegen etwas mehr Kind wäre, weil man etwas weniger erwachsen sein muss. Davon träume ich manchmal, wenn es mir zu eng wird, zu Hause zwischen den Wänden, die nicht mehr so recht die eigenen vier Wände sind. Und mit den Aufgaben, die das Leben insgesamt an mich heranträgt, bin ich schnell beladen und habe doch aber nur zwei Hände, und die sind klein und zart, wenn sie nicht gerade mit den Saiten spielen. Schnell wird mir alles viel und viel muss wie alles erscheinen, und doch ist nie alles geschafft – und dann denke ich mir, ich habe doch (nach allem, was man weiß) nur dieses eine Leben und will mich derart entkräften nicht darin. Ich meine, das kleine Wenige, das mir Alles ist, ohne damit zu viel zu sein, reichte schon für hunderte Leben. Und ich will nicht, dass es verkümmert, aber ich fühle mich so allein, es zu schützen und zu pflegen. Sag mal –
Ob ich Dir helfen kann? Wenn ich es könnte, ich würde es tun. Aber es geht nicht, leider. Alles was ich kann, ist Hören und Vernehmen. Ich bin nur ein Raum, der leer ist, aber in den man gehen und in dem man ein bisschen flanieren oder wandern, suchen oder ruhen kann. Du kannst Dinge hierherstellen oder wegnehmen. Die Wände kannst Du bemalen – Du kannst das wirklich gerne tun, mich stört das nicht. Du kannst hier auch singen, manchmal macht die klare Luft einen ganz wundersamen Klang. Ich weiß von früher noch, dass Du gerne singst. Und Du bist es ja tatsächlich, das habe ich in Deinen Worten gehört. Ich hatte immer gehofft, Du zögst nicht ganz aus.
Aber wie denn! Warum hältst Du mich so gefangen? Was soll ich denn hier, wo es nichts gibt außer mich selbst? Ich will hier nicht sein, niemals mehr will ich mein eigenes Gesicht an den Wänden sehen, es nie mehr in schönen Farben malen, die es nicht hat. Ich will mich nicht satthören an meiner Stimme. Diese Stimme, die immer nur vertröstet, ohne wirklich Trost zu spenden. Du lügst! Hier ist keine klare Luft, es ist stickig darin. Und überhaupt – Du bist es doch, der allein ist, trübsinnig, einsam und ewig sich zermalmt, weil weder erwachsen noch Kind.
Tu das nicht, bitte, tu das nicht. Tu mir nicht so Weh. Ich habe Dir nichts getan, ich wollte Dir nur helfen, Dir zuhören so wie schon manches Mal. Ich hatte vergessen, dass das schmerzen kann. Nie habe ich Dir etwas versprochen, gib mir bitte nicht die Schuld für etwas, das andere Dir getan, oder gar Du Dir selbst. Für Deine Leiden kann ich nichts, ich wollte ja etwas dagegen sein. Besser, ich schließe.
Nein, warte, es tut mir Leid! Bitte, entschuldige, ich habe Dich verwechselt. O je, es tut mir Leid. Plötzlich hatte ich ganz große Angst, Du könntest nichts als mein drückender Schatten sein, dabei … dabei … bist Du mir doch ein Licht. Bitte, lass mich ein, ich will mich auch klein machen, und ganz sanft soll meine Stimme sein. Lass mich ein, bitte. Ich will Dir von mir erzählen.