Horaz: Vides ut alta

Ode

von  Fridolin

Du siehst Soracte weiß unter tiefem Schnee

da stehen; schwer sich mühende Wälder, kaum

die hohe Last ertragend; scharfer

Frost hat die Flüsse erstarren lassen.


Vertreib die Kälte, schiebe nur reichlich Holz

im Ofen nach, und hole noch eifriger

den Krug mit reinem Wein, vier Jahre

alt, Thaliarchos, den aus Sabinum.


Den Rest lass bei den Göttern, die eben auf

der rauhen See den Winden, die dort den Kampf

ausfochten, Halt gesagt. Die alten

Eschen, Zypressen, sie halten still nun.


Was morgen sein wird, musst Du nicht fragen. Nimm

nur immer jeden Tag, den das Schicksal gibt,

als Zugewinn. Verschmäh der Liebe

Reize nicht, Junge, auch nicht das Tanzen,


solang ob deiner Jugend ein leidig grau

geword'nes Haupt noch fern ist. Jetzt soll auch Platz

und Raum das Sinnen über zartes

Flüstern am nächtlichen Treffpunkt finden,


auch wie das frohe Lachen des Mädchens im

Versteck ganz tief Verborgenes dir enthüllt,

wie du ein Pfand erwarbst von kaum sich

wehrenden Fingerchen oder Armen.


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Anmerkung von Fridolin:

im Original:

Vides ut alta stet nive candidum
Soracte, nec iam sustineant onus
silvae laborantes, geluque
flumina constiterint acuto:


Dissolve frigus ligna super foco
large reponens, atque benignius
deprome quadrimum Sabina,
o Thaliarche, merum diota.


Permitte divis cetera: qui simul
stravere ventos aequore fervido
deproeliantes, nec cupressi
nec veteres agitantur orni.


Quid sit futurum cras fuge quaerere, et
quem fors dierum cumque dabit lucro
adpone, nec dulces amores
sperne puer neque tu choreas,


donec virenti canities abest
morosa. Nunc et campus et areae
lenesque sub noctem susurri
composita repetantur hora;


nunc et latentis proditor intimo
gratus puellae risus ab angulo,
pignusque dereptum lacertis
aut digito male pertinaci.

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (28.01.22, 20:29)
Das ist eine schöne Idee, uns den Horaz vorzustellen, und gut gelungen in der Umsetzung. Es würde beim Vortrag gut klingen!

 loslosch (28.01.22, 22:44)
Eduard Mörike in neuem gewand. geht doch.

 Willibald (29.01.22, 20:13)
Mörikes Übersetzung:

Du siehst, im Schneeglanz flimmert Soraktes Haupt;
und horch! der Wald ächzt, unter der schweren Last
erseufzen dumpf die Wipfel; Kälte
fesselt die Wasser mit scharfem Hauche.


Vertreib den Winter, reichlich den Herd mit Holz
versehn! Dann schenke, Freund Thaliarchus, uns
vierjähr’gen Weins, und ja genug, ein
aus dem sabinischen Henkelkruge.


Befiehl der Götter Sorge das Übrige!
sobald nach ihrem Wink von der Stürme Kampf
die Meeresbrandung ruht, so ruhn auch
alte Cypressen und Eschen wieder.


Was morgen sein wird, frage du nicht: Gewinn
sei jeder Tag dir, den das Geschick verleiht;
und nicht der Liebe Lust, o Knabe,
achte gering noch die Reigentänze,


so lang die Jugend grünet und ferne sind
des Alters Launen. Kampf und das Feld des Mars
und nachts der Liebe leises Flüstern
suche noch auf zur besprochnen Stunde;


Und jenes süsse Lächeln vom Winkel her,
wo das versteckte Mädchen sich selbst verrät
und du vom Arm und von dem spröd’ sich
stellenden Finger das Pfand ihr abziehst.




Fridolins Übersetzung:

Du siehst Soracte weiß unter tiefem Schnee
da stehen; schwer sich mühende Wälder, kaum

die hohe Last ertragend; scharfer

Frost hat die Flüsse erstarren lassen.


Vertreib die Kälte, schiebe nur reichlich Holz

im Ofen nach, und hole noch eifriger

den Krug mit reinem Wein, vier Jahre

alt, Thaliarchos, den aus Sabinum.


Den Rest lass bei den Göttern, die eben auf

der rauhen See den Winden, die dort den Kampf

ausfochten, Halt gesagt. Die alten

Eschen, Zypressen, sie halten still nun.


Was morgen sein wird, musst Du nicht fragen. Nimm

nur immer jeden Tag, den das Schicksal gibt,

als Zugewinn. Verschmäh der Liebe

Reize nicht, Junge, auch nicht das Tanzen,


solang ob deiner Jugend ein leidig grau

geword'nes Haupt noch fern ist. Jetzt soll auch Platz

und Raum das Sinnen über zartes

Flüstern am nächtlichen Treffpunkt finden,


auch wie das frohe Lachen des Mädchens im

Versteck ganz tief Verborgenes dir enthüllt,

wie du ein Pfand erwarbst von kaum sich
wehrenden Fingerchen oder Armen.




Alkäische Strophe im Deutschen
×—◡—× ‖ —◡◡—◡×

×—◡—× ‖ —◡◡—◡×

×—◡—×—◡—×
◡◡—◡◡—◡—×



—: betont/Hebung
◡: unbetont/Senkung
x:  beides möglich





 Fridolin meinte dazu am 30.01.22 um 01:33:
Schön, wie viel Anklang diese im Alter wiederholte "Jugendsünde" findet. Die Story dahinter ist folgende:
Ein Klassenkamerad, den ich 50 Jahre lang nicht mehr gesehen hatte, erinnerte sich, dass ich für den Lateinunterricht diese Ode zu seinem großen Erstaunen mit perfektem Versmaß übersetzt hätte. Ob ich davon noch eine Abschrift hätte? Ich musste verneinen, hatte große Mühe, mich überhaupt daran zu erinnern. Aber der Stachel saß, ob ich das wohl heute noch zustande brächte?
Der Dank gebührt also Leonhard Scherg.
Dank natürlich auch allen Empfehlern, und Willibald für seine hilfreichen Ergänzungen.
Palimpsest (37)
(08.02.22, 18:51)
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 Fridolin antwortete darauf am 09.02.22 um 05:40:
... ob ich das wohl richtig übersetzt habe?
Palimpsest (37) schrieb daraufhin am 09.02.22 um 13:57:
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 Fridolin äußerte darauf am 10.02.22 um 04:50:
niemand hindert Dich daran
Palimpsest (37) ergänzte dazu am 10.02.22 um 14:47:
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 Fridolin meinte dazu am 10.02.22 um 19:01:
Tut mir leid, das musst Du schon selbst tun.
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