Ist bestimmt nicht schwer, das Abdrücken

Skizze

von  kalira

Du hast die Winter in meine Welt gebracht. Morgens hält sich Nebel wie Frost an meinen Fenstern fest. Morgens sitzen die Krähen wie schwarze Löcher in den Kahlgeästen der frostgeschädigten Bäume. Morgens stehe ich nackt vor den beleuchteten Fenstern und schaffe es nicht, die Winter der letzten Jahre zu vertreiben.

Ich sehe dich Dinge horten, ganze Wände erbauen während du in der Wohnung kaum mehr zu finden bist. Dreimal war ich heute einkaufen, sagst du, und leuchtest mich aus deinen Augen an, als könnte ich auch nur für einen Wimpernschlag zurückleuchten. Du stapelst Wasserkisten, du stapelst Zwieback, du stapelst Nudelpackungen, du stapelst Eins um das Andere, sodass von der Wohnung mit zwei Zimmern, nur noch eine Ecke geblieben ist. Eine Ecke, wie für einen Hund, eine Ecke, in der ich ausharre und dem Wintern um mich herum zuschaue.

Zum Schluss, sagst du, besorge ich uns noch eine Waffe, und ich stelle mir vor, wie du mit deiner Waffe in der Hand auf der Lauer liegen, wie du dein Wasser, dein Zwieback, deine Nudeln verteidigen, wie du die Waffe im Anschlag halten und dann einfach abdrücken wirst.

P E N G !

Weil ich es vielleicht gewagt haben werde, wie ein Hund, aus meiner Ecke heraus und zu deinem Zwieback zu lugen. Das wird gut sein, sage ich, mach das, das ist bestimmt nicht schwer. Das Abdrücken, meine ich.

Ich gehe nochmal los, sagst du und ich lasse dich gehen. Ich weiß, du kommst zurück, wie du immer zurückkommst, weil du einfach nie wirklich gegangen bist, weil du nicht gehen wirst können. So richtig weg, meine ich. Weg von mir, kommst du nicht, weil ich dich halte, weil ich deine Winter in mir warm und für mich als Vorrat halte. Frag mich einer warum. Als stellte ich mir diese Frage nicht. Fortwährend frage ich mich. Und dann schaue ich dir weiter beim Stapeln zu. So schön kannst du stapeln, sage ich und verharre in der Ecke, die kleiner und kleiner zu werden droht. Aber in dieser kleinen Ecke, vielleicht mit der Waffe in der Hand, fühle ich mich sicher. Auch morgens.



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Kommentare zu diesem Text


 miljan (16.03.22, 10:38)
Ich bin froh über neue Texte von dir benachrichtigt zu werden. Sonst wäre dieser hier, der mir sehr gut gefällt, vielleicht entgangen, zumindest für eine ganze Weile, so selten wie ich nur noch hier bin. Du hast eine der schönsten Sprachen hier bei KeinVerlag und ich würde mich nach wie vor sehr freuen, einmal ein Buch von dir lesen zu dürfen. Über eine Kleinigkeit bin ich gestolpert: "weil du nicht gehen wirst können." Nicht lieber "weil du nicht wirst gehen können"?

Liebe Grüße!

 Dieter_Rotmund (16.03.22, 12:19)
Das Thema "Preppern" finde ich spannend, ist hier aber mit diesem pastoralen, leicht überheblich wirkenden Ton des Erzählers nicht gut umgesetzt. Erst zum Schluss wird es etwas besser, als sich der Erzähler einbezieht. Aber dieser Metaphernwust am Anfang, der ist nicht gelungen, finde ich.

 AchterZwerg (16.03.22, 17:38)
Morgens stehe ich nackt vor den beleuchteten Fenstern
Deswegen ist Drafi Deutscher mal verurteilt worden! Ich meinjanur. :D 

Den Text finde ich sehr gelungen und passend. Auch in meiner Nachbarschaft geht das Horten wieder los: Fernbeheizte kaufen Holz, Gourmets Konserven und Feinde des Alkohols Weinbrand. - Wenn wohl auch aus anderen Gründen als dein Ich-Erzähler.

Liebe Grüße
der8.
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