DIE NACHTRABEN!

Text zum Thema Märchen

von  rhebs

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Der Kindergarten liegt schon zwei Jahre in der Vergangenheit. Man glaubt nicht mehr alles, was einem so Mitte der 50er Jahre in der Familie so erzählt wurde an Märchen und Sagen. Trotzdem macht die Mutter einem manchmal mit einem Märchen oder mit einer Sage fast jeden Tag Angst. So ruft sie hinterher, wenn man am späten Nachmittag Spielen geht. "Du musst sofort nach Hause kommen, wenn  es dunkel wird! Kommst du nicht pünktlich nach Hause, holen dich die Nachtraben! Das sind  ganz böse Viecher die springen den Kindern in den Nacken, krallen die Kinder in den Kragen und fliegen mit den Kindern davon. Und die Kinder können nie wieder nach Hause kommen, weil sie so weit weg getragen werden zu  sehr fremden Leuten. Dort werden sie  dortbehalten zum Kartoffel hacken und Gänse rupfen!

Und einen weiteren finsteren, gefährlichen Vogel gibt es auch in Kaltenborn, Wildprechtroda und sogar am Schanzbaum. Am späten Nachmittag bei Dämmerung  fliegt er Flügel klatschend durch die Gegend und der Vogel heißt HIRNPICKER. Der HIRNPICKER fliegt dann auf den Kopf und pickt mit seinen dicken, großen, festen Schnabel in das Gehirn rein und frisst das Gehirn auf  und dann stirbt man.

"Wie kann ich mir dann helfen? Ist die große Frage! "Ganz einfach, du musst einfach deinen Rock über den Kopf werfen und dann kommt der HIRNPICKER nicht an dein Kopf rann, sagen die Leute. Dann hat der Vogel Pech gehabt dann fliegt er weiter zum nächsten Kopf in der Gegend."
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Das erzählten sich untereinander die Mägde und Knechte in Bayern, Oberfranken und Thüringen in den Spinnstuben bis ins 19.Jh.

Eines Tages in der Thüringer Gegend um 1870. Sagt ein Knecht zur Magd:
"Ban ma der Hirnpicker kimmt. Maache, deu musst diiien Rooock übern Koopf schmisss! Da kimmt der Hirnpecker nit in dinn Koopf neii!
Als die Heidi dann mal mit Tischler Schwabs Horscht sinn  Sohn Horscht Junior im ungeheuren Grund nach Wilfertroh naus Kattoffel hacke war, da sinse in de Luft  gewaast - de schwarz Viecher, de Hirnpickers.  Tischler Schwabs Horscht rief dreimal: "De Hirnpicker! De Hirnpicker! De Hirnpicker!" Und zog sich seine Jacke über den Kopf. Die Heidi warf sich auch ihre vielen Röcke über den Kopf und  Schwabs Horscht  machte sich an ihrem Hinterteil zu schaffen, nachdem er sich die Hose aufgeknöpft hatte. Da rief die Heidi ganz freudig und verjuckt: "Picknur, pick nur, bis zum Hirn kommst du Luder gar nie!
Neun Monate später schwur sie Stein und Bein, das Kind wäre vom Hirnpicker!

"Noch in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts (Anm.: um 1895) soll eine alte Bauersfrau aus Bayern den Vogel in ihre Abendandacht eingeschlossen haben, indem sie zum Schluss ihres Gebetes zu sagen pflegte: „Du Glühsteert, Rabe, schwarzes Tier, schütz uns in Jesu Namen vor rohem Sinn und Feindes Gier! Das bitt’ ich und sag’: Amen!"

Die Hirnpicker und Nachtraben Geschichten gibt es in der Bäuerlichen Literatur in bunter Vielfalt: "Der Nachtrabe von Merxhausen", von Klaus A.E. Weber;  KARL-HEINZ HUMMEL LIEBESSAGEN AUS DEM ALPENRAUM :
"Vom Hirnpecker". Die Schnurren des Rochus Mang: "Der Hirnpecker"
https://www.projekt-gutenberg.org/queri/rochus/rochus31.html;
"Das Bayrische Dekameron", von Oskar Maria Graf: "Der Hirnpecker"

Wucke hat die sogenannten "nicht stubenreinen Schnurren" weitgehends weg gelassen. Bei ihm gab es nur die Aufhocker, wie den Pummpälz oder das Trollding bei Roßdorf. Mir wurde die Geschichte in der Selterwasserfabrik Reich am Friedhof erzählt. Man hatte dort aber ca. 10 Flaschen Köstritzer Schwarzbier intus. Das gab es bei Reich&Sohn auch!





Anmerkung von rhebs:

Über Bad Salzungen habe ich schon viele Texte geschrieben, die bei Facebook in zwei Foren herum dümpeln. Denke die verschwinden langsam im dortigem Content Nirwana. Fange nun an, das hierher zu verschieben.
Unterhaltungsliteratur:
"SALZINGE II- KOMISCHE THÜRINGER GESCHICHTEN"

Hier geht es zu  SALZINGE KURZGESCHICHTEN I

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