Klattkes Bewerbungsgespräch

Kurzgeschichte zum Thema Alltag

von  Klattke

Anmerkung des Erzählers: Der Name des Unternehmens ist frei gewählt. Namensgleichheiten zu realen Personen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.


Klattke war nun schon mehrere Monate arbeitslos und er saß gelangweilt auf einer Parkbank. Ein obdachloser Mann durchstreifte mit einem Einkaufswagen, in denen er seine Habseligkeiten geladen hatte die Gegend, bettelte um Geld und schaute in den umliegenden Müllkästen nach Pfandflaschen. Bei dem Anblick lief Klattke ein kalter Schauer über den Rücken, so dass er schnell aufstand und den Platz verließ. Auf dem Rückweg zu seiner Wohnung kaufte er sich eine Zeitung mit Stellenmarkt. Nervös durchblätterte er die Annoncen und war im Gehen so vertieft beim Lesen, dass er fast eine Passantin umrannte. Passende Stellen als Buchhalter fand er nicht und so fixierte er sich auf eine besonders attraktiv klingende Stellenanzeige:

VERKAUFSTALENTE gesucht - attraktives Produkt – auch für Quereinsteiger –
bis zu 6000 € im Monat möglich!“

Naja, warum nich“ überlegte sich Klattke „Wat andere können kann ick schon lange“ und nach all den Jahren als Buchhalter am Schreibtisch schien es ihm eine willkommene Abwechslung und berufliche Veränderung zu sein. So griff er kurzentschlossen zum Telefonhörer und erreichte auch gleich die Firma. Eine sehr nett klingende Dame war am anderen Ende meldete sich mit INTERNATIONAL SKIN CARE TRADE COMPANY, und ihren Namen, begrüßte ihn sehr herzlich und wollte gleich eine Vorstellungstermin für den nächsten Tag vereinbaren. Dass das so schnell geht kam für Klattke sehr überraschend, er wurde etwas misstrauisch und wollte wissen, um welche Form von Ware es denn ginge. „Pflegeprodukte“ sagte die Dame, leider hatte er ihren Namen nicht richtig verstanden und war zu verlegen nachzufragen. „Sehr bekannte, qualitativ hochwertige Pflegeprodukte unter dem Dach der INTERNATIONAL SKIN CARE TRADE COMPANY, jeder kennt sie, jeder braucht sie“ und wollte noch weiter reden, doch Klattke ging dazwischen und sagte kurzentschlossen für den nächsten Tag zu. Mit Pflegeprodukten hatte er nun wirklich nicht gerechnet und war irritiert. Aber was sollte es?

Er war jetzt zu Hause und hatte den ganzen Tag Zeit. Was gab es schon zu verlieren, und beißen würde die Dame schon nicht.
So kleidete sich Klattke am nächsten Tag passend mit Anzug, frischen weißen Hemd und Krawatte an, steckte seine Bewerbungsmappe ein und ging rechtzeitig los, er wollte natürlich pünktlich sein. Dies war nun das erste Bewerbungsgespräch seit Jahren und entsprechend nervös und aufgeregt ging Klattke dem Termin entgegen. Zu seiner Verwunderung entpuppte sich die Firmenadresse als Privatwohnung in einem Seitenflügel eines Altbauhauses. Der Firmenname stand nur sehr klein auf dem Klingelschild. Dadurch war Klattke noch mehr verunsichert, fasste sich jedoch ein Herz und klingelte. Ein Hund begann zu kläffen und Schritte näherten sich. Die Dame von gestern, er erkannte sie an ihrer Stimme, öffnete mit einem „Herzlich Willkommenen“ bei der INTERNATIONAL SKIN CARE TRADE COMPANY. Sie war stark geschminkt, roch nach strengem Parfüm und trug ein langes, wallendes Kleid. Glücklicherweise stellte sie sich noch einmal mit Namen vor. „Maria Jankowski“ und reichte eine Visitenkarte. Da der Hund, es war ein kleiner weißer klassischer Schoßhund, nicht mit dem Bellen aufhörte, hob Frau Jankowski ihm auf den Arm und tätschelte seine Nase „Hach mein Prinzchen, was schimpfst du denn so, der Mann ist doch unser Freund“. Die beiden gaben ein originelles Paar ab. Hier die überfreundliche Dame, dort der nicht gerade gutgelaunte Minihund. Äußerlich ein harmonisches Bild, nur ihre Stimmungslage war offensichtlich völlig entgegen gesetzt.
Frau Jankowski voran gingen sie den langen Altbauflur entlang zu dem Zimmer wo das Gespräch stattfinden sollte. Der Korridor war mit dicken Teppichen ausgelegt und es stand eine lange alte Kommode mit einem ebenso alten Spiegel dort. Die Luft war leicht muffig und roch Parfüm geschwängert.

Schließlich erreichten sie eine dicke Zimmertür die halb offen stand. An der Tür prangte ein poliertes Messingschild mit dem Firmennamen INTERNATIONAL SKIN CARE TRADE COMPANY. Solch ein Schild hätte Klattke draußen am Haus erwartet und war verwundert, dass es hier hing. In der Stube stand ein schwerer dunkler Sekretär, daneben ein großer langer schmaler Tisch. Auf dem Tisch waren jede Menge Parfümflaschen, Pflegelotionen, Eau de Toilletes und After Shaves aufgebaut. Hübsch aneinandergereiht in durchaus Formschönen Flaschen mit unterschiedlichen Färbungen. Die Dame bot Klattke weder Platz noch den üblichen Kaffee an noch interessierte sie sich für seine Bewerbungsmappe. Sie hielt noch einen kurzen Vortrag über die INTERNATIONAL SKIN CARE TRADE COMPANY, den Namen sprach sie bewusst deutlich und etwas lauter aus und fing gleich an über die unterschiedlichen, „exklusiven“ Produkte für den modernen Mann von heute und der „besonderen Dame von Welt“ zu reden.

Sie führte Klattke in die verführerische Welt der Düfte wie Rosenblüte, Lavendel oder Moschus ein und besprühte ihn mit den unterschiedlichen Parfüms. Ein Ladung Herrenparfüm traf Klattke voll in das Gesicht und Frau Jankowski kommentierte mit tiefer Stimme „für den herben, erfolgreichen Mann“ und blickte ehrfurchtsvoll zum ihm auf. Hin und wieder bekam auch der Hund, den sie nach wie vor auf dem Arm trug, eine Ladung ab, was dieser dann mit schrillen gekläffe beantwortete. Nach wenigen Minuten roch Klattke nun fast ebenso wie Frau Jankowski streng nach Parfüm. Damit nicht genug fing sie noch an das Portfolio der INTERNATIONAL SKIN CARE TRADE COMPANY zum Thema Cremes und Lotionen zu erläutern. Gewandt öffnete sie Probedöschen und strich Klattkes Handfläche mit den unterschiedlichen Produkten zur Tages- oder Nachtpflege, für sensible, für die junge Haut oder die Haut für Ü50 ein. Klattke staunte was es so alles gab und konnte sich zumindest einen Moment lang vorstellen in. dem Unternehmen tätig zu werden.

Schließlich bot sie ihm dann doch einen Platz an und setzte sich direkt gegenüber. Zu seinem Erstaunen fragte sie auch nun nicht nach seinem Lebenslauf, sondern nach seinem Keller. Ob dieser trocken, lagerfähig und gut abschließbar wäre. „Ja, ist er“ gab er kurz zurück und kratzte sich verdutzt am Hinterkopf. „Sehr gut“, setzte Frau Jankowski an „ wir werde Ihnen dann eine Grundausstattung unserer exklusiven Pflegeprodukte frei Haus liefern, inklusive Werbematerialien wie Banner der INTERNATIONAL SKIN CARE TRADE COMPANY, Flyer, Visitenkarten und give aways. Natürlich sind auch Preislisten mit unverbindlichen Preisempfehlungen dabei. Die Preise sind so kalkuliert, im Schnitt mit 50 % Handelsspanne, dass sie problemlos auf die in unserer Annonce angekündigten 6000 Euro im Monat kommen werden. „Wie komme in an Kunden?“ fragte Klattke verdutzt nach. „Ich sagte ja bereits, Sie bekommen jede Menge Werbeflyer von uns angeliefert. Außerdem bewirbt die internationale Marketingabteilung der INTERNATIONAL SKIN CARE TRADE COMPANY die Produkte ständig in den verschiedenen Medien. Klattke wollte weiter forschen, doch Frau Jankowski ließ ihm nicht zu Wort kommen. Sie ging nun zu den Konditionen über. „Die erste Rate über 2500 Euro wird bei Lieferung fällig. Für die zweite Rate über 2500 Euro räumen wir Ihnen dann ein Zahlungsziel von 6 Wochen an. Aber bis dahin haben Sie einen Großteil der Produkte längst mit hoher Spanne verkauft. Wie ich bereits sagte kommen Sie im Monate auf mindestens 6000 Euro, das sind dann in 3 Monaten rund 18000 Euro. Von denen können Sie spielend unsere Rechnung begleichen und sofort neue Ware bestellen. Sie benötigen dann nur noch eine Gewerbeanmeld...“, doch weiter kam sie nicht. Klattke stand auf und sagte nur kurz „Ick werds mir übalejen.“ „Warten Sie ich bring Sie noch zur Tür“, Frau Jankowski sprang auf. Dabei rutschte der Schoßhund von ihren Ärmel und fing wieder zu kläffen an. „Nich nötich, ick find schon raus“ mit diesen Worten haste Klattke zur Zimmertür. Nun verfolgt von dem wütend kläffenden Schoßhund, der sich sogar in Klattkes Hose verbeißen wollte, nur mit einem leichten Stoß davon abzuhalten war und auch Frau Jankowski erwischte Klattke einmal kurz am Ärmel und wollte ihn festhalten. Verfolgt von dem schrill bellenden Prinzchen und der nun wild mit den Armen fuchtelnden Frau Jankowski erreichte er die Wohnungstür und öffnete diese ruckartig. Frau Jankowski rief ihm noch etwas hinterher. Dies verstand er nicht und war heilfroh auf dem Treppenflur zu stehen und sein erstes „Bewerbungsgespräch“ hinter sich gebracht zu haben.





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