Der Fremdenlegionär

Kurzgeschichte

von  Beislschmidt

Der Fremdenlegionär

Langsam setzte sich Jean Claude auf das Bett. Vor ihm stand sein abgewetzter Koffer und eine alte Tasche. Er bückte sich und ächzte ein wenig, als er die Tasche öffnete und ein paar Erinnerungsstücke neben sich auf das Bett legte. Das kleine Bilderrähmchen mit dem alten Foto stellte er neben sich auf das Nachtkästchen. Das Tablett mit dem abgedeckten Frühstück darauf war noch ausgezogen.

"Ich dachte, ich lass es noch stehen", sagte die Schwester, die in der Tür stand.
"Um 12 Uhr gibt's Essen unten im Speisesaal", dann schloss sie die Tür.

Jean Claude schaute aus dem Fenster und betrachtete die Dächer der Blumenstraße. Nach vielen Jahren war er wieder in seine alte Heimat Saarbrücken zurückgekehrt. Das Nachbarbett war nicht belegt aber er sollte bald einen Zimmergenossen bekommen, wie die Pflegedienstleitung ihm mitgeteilt hatte.
Sein Blick streifte das alte Foto seiner Kameraden, die etwas steif aufgereiht standen, alle mit der rechten Hand auf der Brust. Sein Vorgänger hatte Gott sei Dank einen Nagel in der Wand gelassen und Jean Claude hängte bedächtig sein anderes Heiligtum an den Nagel. Mit dem goldenen Rähmchen sah es fast zu edel aus in dem kargen Raum. Immerhin konnte man die Tricolore noch gut erkennen. Langsam öffnete er die Lippen und sagte leise, "legio patria nostra".

Ein paar Tage waren so vergangen, Jean Claude hatte seinen Rhythmus an das Heim angepasst. Essen, schlafen und ein bißchen spazieren gehen. Mit der Reinigungsfrau aus dem benachbarten Lothringen sprach er manchmal auf französisch übers Wetter und ihre Enkel.  Er lächelte, wenn sie ihn mit, "a vos ordres, mon capitaine" ansprach. Dazwischen saß er draußen auf seinem Rollator neben der Eingangstür und rauchte. Manchmal nickten ihm die Leute zu,  die dort an der Bushaltestelle warteten.

***


"So, Herr Schneider, ich möchte ihnen ihren neuen Mitbewohnner vorstellen, Herr Ngyuen", sagte die Schwester und winkte ein kleines Männchen herein.

Nachdem die Schwester gegangen war,  sagte das Männchen,
"Gute Tag ich bin Thran Hung".

" Xin chào", sagte Jean Claude und versuchte freundlich zu lächeln.

"Xin chào, bạn có nói được tiếng Việt không?", fragte das Männchen.

"Một chút nhưng chúng tôi chắc", sagte Jean Claude etwas unbeholfen.

"Ja, sprechen wi besser deutsch, abe wo haben sie vietnamesisch gelernt?" fragte das Männchen erstaunt.

"Im Krieg", sagte Jean Claude, "nach der Schlacht um Điện Biên Phủ war ich bis 1957 in Gefangenschaft".

Das Männchen streckte ihm die Hand entgegen und sagte, "sagen sie bitte Hung zu mir, ich habe auch in Điện Biên Phủ gekämpft, viele Tote".

Jean Claude schüttelt seine Hand und sagte, "Ich bin Jean Claude".

"Aber du bist doch deutsch, wieso Krieg gegen die Viet Ming?" fragte Hung.

"Ich habe hier Scheiße gebaut und musste abhauen und in der Legion hat niemand danach gefragt" sagte Jean Claude und schaute zum Fenster hinaus.

"Fast alle sind gestorben" sagte Hung.

"Ja, über 3000 Kameraden und der Rest kam ins Lager, das war die Hölle", Jean Claude schaute in Hungs Augen, als erwartete er eine Reaktion.

"Ich war auch in dem Lager", sagte Hung und schaute zu Boden "Ich musste dort für die Soldaten Klavier spielen".

"Du warst das? Wir haben uns immer an dem Bambusgitter gedrängt, um dir zuzuhören. Du hast immer die Elise gespielt".

"Ja, die Elise", sagte Hung und lächelte", unten im Speisesaal steht ein Klavier. Morgen spiel ich es, wenn du willst".

"Ja, das wäre schön. Jetzt sind wir alt, keine Kanonen mehr".

Nach zwei Jahren, in denen sich Jean  Claude um Hung gekümmert hatte,  weil er nach dem Schlaganfall nicht mehr laufen könnte, besorgte er seine Medikamente und manchmal schob er Hung mit dem Rollstuhl durch das Nauwieser Viertel. Als Jean Claude seinem Freund die Augen schloss, flüsterte er "legio patria nostra".

***


( eine wahre Geschichte)


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Kommentare zu diesem Text


 uwesch (25.05.23, 17:09)
Sehr berührende Erzählung. LG Uwe

 Beislschmidt meinte dazu am 25.05.23 um 19:04:
Hey Uwech, es gibt Zufälle, die kann nur das wahre Leben schreiben. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Vietkong Kämpfer und ein deutscher Legionär zig Jahre später in einem Altenheim treffen? 
Beislgrüße

 AlmaMarieSchneider (25.05.23, 17:57)
legio patria nostra
"Gesetzlich unser Heimatland" oder "Die Legion ist unser Heimatland"

Die Legion ist immer noch ein besonderer "Haufen" Sie sterben für ein fremdes Land.

Sehr berührender Text.

Liebe Grüße
Alma Marie

 Beislschmidt antwortete darauf am 25.05.23 um 19:08:
Liebe Alma Marie, in der Nachkriegszeit gab es mal 60% Deutsche in der Legion. Rosenthal, Scholl Latour usw auch viele aus der Wehrmacht und SS. Heute ist das anders aber man kann nach wie vor nach dem Dienst eine neue Identität bekommen. 
Beislgrüße 
.
In Korsika hat uns die Legion bergauf immer überholt.

 Dieter_Rotmund (26.05.23, 09:40)
Rund und geschmeidig erzählt, aber insgesamt zu hastig. Solche Figuren und ihre Handlungen, das muss sich langsamer entwickeln.

 Beislschmidt schrieb daraufhin am 26.05.23 um 15:40:
Mein lieber Dieter 
Eine Novelle dazu ist geplant. Das Shorty werde ich im Juni an Hugo Balls Grab in Montagnola verlesen.
Danke für Reinlesen.
Beislgrüße

 Beislschmidt äußerte darauf am 26.05.23 um 15:51:
Die "Kaserne" des 2. Regiments auf Korsika. Hab ich noch gefunden in meinem Archiv (mit dem Mooed nach Korsika)
.


Antwort geändert am 26.05.2023 um 15:53 Uhr
Agnete (66)
(31.05.23, 19:24)
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 AngelWings ergänzte dazu am 31.05.23 um 19:32:
Du muss gucken, welch Landes wo die Soldaten herkommen. Manchen Ländern wirst gar gezwungen, Soldaten werden. Deutschland haben Auswahl, ob sie dem Dienst antreten, oder in  Sozialendienst machen. Und nicht jeder ist gleich ein Mörder. Was machen plötzlich in Terroristen vor Dir steht deine ganz Familie bedroht, lass deine Familie sterben, und lasst die Terroristen Leben.
Agnete (66) meinte dazu am 31.05.23 um 19:35:
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 AngelWings meinte dazu am 31.05.23 um 19:46:
Also willst ganz alleine  gegen Terroristen kämpfen? 

Dann mach mal? 🤨

 Beislschmidt meinte dazu am 31.05.23 um 23:19:
Die Geschichte hab ich aufgeschrieben, weil sie genauso passiert ist. Da ist nichts Heldenhaftes dabei, wenn sich zwei alte Feinde im Altersheim wieder begegnen. Im Gegenteil, es ist auch ein Verzeihen und Respekt vor dem anderen. 
Beislgrüße
Agnete (66) meinte dazu am 01.06.23 um 18:32:
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Agnete (66) meinte dazu am 01.06.23 um 18:36:
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 Beislschmidt meinte dazu am 01.06.23 um 19:41:
@Agnete
Du scheinst was zu verwechseln.
Es ging bei der Schlacht um Vietnam vs Frankreich.
Es war die Schlacht bei Dien Bien Phu 1954 .... siehe Text.
Französische Legion Etranger hat nie für die USA gekämpft. 
Die USA kamen erst viel später.
*** hier noch die Links...
Beislgrüße 


****
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_um_%C4%90i%E1%BB%87n_Bi%C3%AAn_Ph%E1%BB%A7
*****
https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A9gion_%C3%A9trang%C3%A8re

 AngelWings meinte dazu am 02.06.23 um 00:46:
Bleischmidt, sie stellt alle Soldat als Mörder hin. Es ist nicht so! Früher würden Soldaten (gezwungen) Herrschaft zudienen, sonst würde,du Weg gesperrte. Auch in Vietnam würden dazu zwungen denken du warum viel,Psychisch erkrankten., ein Kriegtrauma hatten.Sie würden gar mit Drogen, voll gepumpt, dass Dienst erlegen müssen. Sieht tatsache das die Soldaten aus benutzen werden von Regierung, egal welch Landes.

 Beislschmidt meinte dazu am 02.06.23 um 13:00:
Drogen und Krieg liegen nah beieinander Angel. Aktuell gelten Kriegsdienstverweiger als Staatsfeinde - In der U genauso wie in R. Aber es ging eigentlich um Frankreichs Legion und die ist freiwillig.
Beislgrüße

 AngelWings meinte dazu am 02.07.23 um 18:36:
Es sind die Soldaten schuld, die anderen töten. Was ist wenn dein Familie in Gefahr ist. Wer töte zu erst!

 lugarex (22.06.23, 06:13)

Ich hatte einen entfernten Verwandten der war unter den Überlebenden bei Điện Biên Phủ!
Bis heute erinnere ich mich mit Gewissensbissen an ihn! Warum zum Teufel habe ich seine Lebensgeschichte nicht akribisch notiert? Wir verbrachten einige wunderschöne Stunden bei fantastischem Essen, das seine französische - die “Ehefrauen” von Vietnam kannte ich nur vom Foto und seiner Erzählung - Frau stundenlang bereitete und tranken seine selbst gemachten Calvados und Weinbrand.

Als er starb, erfuhr ich es zufällig aus einem Fetzen alter Zeitung, wo alle seine Auszeichnungen genannt worden sind. Er war ein hochdekorierter Offizier der Legion, davon verriet er mir kein Wort. Ich komme mir sehr schäbig vor und empfinde Scham, Schuld und Gefühl grosser verlorener Verlust. Schade…

elgé luga



 Beislschmidt meinte dazu am 02.07.23 um 17:23:
@lugarex
Das ist wieder einmal ein Beispiel, wo ich mit der Software hier hadere. Erst heute sehe ich zufällig deinen Kommentar.
Du hast einen Zeitzeugen von damals gekannt? Das ist ja interessant, sicher war er auch ein Schweizer. Seine Lebensgeschichte aufzuschreiben, wäre sicher ein tolles literarisches Projekt gewesen.
Beislgrüße

 lugarex meinte dazu am 02.07.23 um 18:20:
leider ist es schon zu spät, vorbei! Einem kommen die besten Ideen meistens zu spät! 

elgö luga
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