Unser Autor hat sicher eine erklägliche Anzahl von Schwächen, die hier aber nicht unser Thema sein sollen. Eine Sache gibt es, die unser Autor nicht lassen kann: über das Schreiben zu lesen - anstelle es zu tun. So las er in jüngster Zeit ein Büchlein aus dem So-schreibt-man-richtig-Verlag mit dem Ziel, sein Schreiben und seine Disziplin dabei zu verbessern. Schon die ersten dreißig Seiten, verfasst von einem der maßgeblichen Autoren der Gegenwartsliteratur und Professor für kreatives Schreiben an einer amerikanischen Hochschule, waren für unseren Schriftsteller erleuchtend. Um seine Stimme zu finden, so der Professor, sei das richtige Arbeitswerkzeug unerlässlich. Und er nannte zum Beweis eine Reihe der ganz Großen, der Titanen der Literatur. Womit die geschrieben hatten? Mit Kreide, Asche, Farbe, Wachs und Tinte; der große Lyriker Ephtichios habe sogar die Haut seiner Sklaven für seine Notizen genutzt. Unser Autor schreckte beim Lesen dieser Zeilen angewidert zurück. Ephtichios habe, so überlieferte Platon, immer einen seiner Sklaven in der Nähe gehabt, auf dessen Rücken er seine Lyrik verfasste. Unser Autor unterbrach seine Lektüre kurz um den verstörenden Eindruck abzuschütteln, den diese Zeilen ausgelöst hatten. Dann endlich verließ der Professor die griechische Antike, den Urgrund aller humanistischen Bildung, und wandte sich der Neuzeit zu. Wilson McKanzie habe sein gesamtes Werk (50.000 Seiten Tagebuch, das bis 2058 vollständig herausgegeben werde) mit einem Bleistift der Marke Schreibt-gut verfasst. Diese wenigen Beispiele zeigten, wie entscheidend es für den Kreativen sei, sein Handwerkszeug nicht nur in den Worten, sondern auch in den Mitteln zu sehen, die er benötigte, um seiner Stimme einen angemessenen Ausdruck zu verleihen.
Mit Energie klappte unser Autor das Büchlein zu. Er wird die Empfehlungen des Meisters stante pede umsetzen.
In den nächsten Wochen trafen täglich Päckchen, sogar Pakete für unseren Autor ein. Auch die Kosten für eine elektrische Schreibmaschine hatte er nicht gescheut. Allein durch das neue Handwerkszeug inspiriert, schrieb unser Autor Tagebuch („ein Steinbuch von Ideen“ ), Notizen, Anfänge, Schlussszenen, Beobachtungen, Figurencharaktere, Plots. Seine Mäzena sah es mit Freude, merkte dann aber doch an, eine elektrische Schreibmaschine könne er nicht mit zu seinem Lieblingsschreibort nehmen - auf dem Friedhof gebe es keinen Strom. Kurz überlegte er, ob eine Solarpaneele vielleicht die Lösung sei. Aber ohne Fahrzeug würde es schwierig, alles zu transportieren.
Die Maschine ging zurück.
Nach drei Wochen kam unser Autor wieder zu Sinnen: versehen mit dem an der Spitze zerkauten Kugelschreiber, einem Stapel Papier und einem Klemmbrett fand er seine eigene Stimme wieder bei herrlichem Wetter auf dem Friedhof seiner kleinen Stadt.