Vorstoß 2

Erzählung

von  minze

Marc erinnert mich an Ju, das ist aber nicht alles, er ist auch der Einzige, der deutsch spricht. Er macht's nicht immer, aber genau so regelmäßig, wie wir französisch sprechen. Sobald er dahin wechselt, ist es nur an uns beide adressiert, ein bisschen kommt vielleicht seine Frau mit, deutlich weniger aber, wenn ich antworte. Mir scheint es, als amüsiere ihn dieser Raum, der nur uns einnimmt, es wird mir jetzt bewusster, weil ich ihn nicht gezielt öffne. So, als würde ich mich fast dieser Möglichkeit entziehen, dabei sehe ich mich mehr in der Initative, in der Art und Weise, wie ich ihn ansehe oder anspreche, wenn er suchend übers Buffet schaut und nach Papptellern fragt.


Ich will ihm eine leere Platte reichen, die wie ein Teller genutzt werden kann, der Größe nach. Er lacht irgendwo hin, nicht als direkte Antwort oder Zustimmung, vielleicht meint er es in der Annahme einer lustigen Idee meinerseits. Daraus wird kein Gespräch, ich gehe zurück an den Tisch mit der Familie und beobachte ihn am Buffet. Er nimmt den großen, geblümten Teller nicht. Weiterhin zögert er, was macht er so lange am Buffet, wenn er sich nicht bedient oder nimmt er sich auch Dinge direkt in den Mund, wie ich am Anfang der Feier? Er kommt fragend an unseren Tisch und die Tante zeigt ihm den Papptellerstapel. Ich bin baff über den fallen gelassenen Zusammenhang zu unserem Treffen am Essen.


Die Intimität kommt aber auch durch mich. Wenn ich manches mit den Kindern bespreche, wenn er dabei ist und er es mitbekommt: er teilt mein Vorgehen, meine Aufbereitung der Situationen vor den Kindern, was bisher im Geheimen vor allen anderen passiert ist und ich bin mir sicher, dass er zuhört.


Wir streifen aneinander vorbei und er ist überall, als Gastgeber der großen Feier, als Musiker. Es ist beiläufig, wenn wir kurz in Kontakt sind, ich schau ihm hinterher und geh in den Konnex mit Ju, in eine ganz alte Möglichkeit, eine schon so lange abgestreifte Möglichkeit, ein anderes Leben gehabt zu haben.





All das begleitet mich in einer angenehmen Nervosität, die mich aufmerksam macht für die Stimmung des Ortes, der vielen unbekannten Menschen. Der Großteil des Festes bin ich in der Familie, doch wir campen als wenige und gegen Mitternacht, als unsere Kinder schlafen, gehen alle, die ich gut kenne und ich orientiere mich an die Bar, pendle zwischen Punsch und Bier. Eine Gruppe Jungs aus Brest kommt dazu, sie bekommen nur Schaum aus dem Zapfhahn und ich eröffne die erste große Flasche Bier von einigen. Während wir über die Wahl des Bieres sprechen, gehen immer mehr Gäste nach Hause, einer der Brestois erzählt, dass er mitten im Umzug ist und deswegen seine Katze nicht sehen kann. Die Geschichte ist etwas komplizierter.


Er wird sie morgen wieder sehen, zwischen drin, als Zwischenmieter musste er sie an einen Freund geben. Seit fast dreizehn Jahren schläft er mit ihr in einem Bett. Er will nicht so lange feiern, damit er sie bald besuchen kann. Das wird er nicht einhalten. Seine Frau wirft ihm die enge Liebe vor, in seiner Gebundenheit zur Katze ist die Familie manchmal wie Möbiliar, wir können das alles so austreten, weil wir schon etwas betrunken sind, es wirkt aber schlüssig, die Katze war zuerst da und auch wenn der Umzug eine richtige Entscheidung war, schmerzt die Trennung zu ihr zu doll. Er heißt, glaube ich, Quentin. Yoann singt Lieder, der dritte hat eine derbe, leidenschaftliche Stimme. Ich mag es, wie er übertreibt und deutlich lauter ist als ich. Wenn wir lachen, ist es gleich dreckig, aber ich hab außer Zwischenrufen wenig beizutragen.


All das wischt die Anstrengung weg, die die letzten Tage da war. Ich sing nur einmal was auf Deutsch, die Jungs stimmen ein. Der, der mir gegenübersitzt und Quentin fragen Yann und mich noch etwas Diffuses, sie sind sicher länger betrunken. Eine Silikonform, die wie ein Haufen oder ein großer Butt-Plug aussieht, liegt auf dem Tisch, ich kann den Kontext der Frage gleich bestimmen, weil ich dieselben Assoziationen habe, das reicht schon aus für weitere Entspannung, Lachen. Neben dem Rätsel, was das Teil wirklich ist, es kann keine Vase sein, weil zwar eine Öffnung, ein Tunnel drin ist, aber dieser zu schmal, zu klein ist und durchgängig: das heißt, es ist kein Gefäß – daneben haben die Jungs sich abgesprochen, was sie am Morgen eher nähmen, den Plug oder eine Tasse Kaffee. Und sie wollen unser Statement, Yann lacht. Ich befühle das Teil, erst ablehnend, weil es nicht nachgibt, aber je gezielter ich's drücke, desto eher wirkt es doch flexibel, ich verbalisiere das. Mein Gegenüber ist stumm und aufmerksam. Wieder singt Yoann und wir sprechen über die Katze, wir lesen asynchron das Etikett von La Goudale, er schaut immer wieder, versenkt in Stille. Eine ganze Weile meine ich, er ist gelangweilt, zurückhaltend, er zögert, ob der Abend noch so viel hergibt. Aber er reagiert stark, sein Lachen ist offen und seine Augen drehen in einzelnen Momenten lebhaft ab.


Er moduliert seinen Blick, fixiert und haut dann ab. Ich stocke in meiner Aufmerksamkeit für das große Ganze, als ich's merke und will's antesten, indem ich auch hinschau. Seine Direktheit ist so, dass ich es nicht kann, nur kaum kann, sie geht direkt in mich und zeigt vor allem dieses Reingehen. Zeigt kein Zögern oder Abwägen, keine Fragen, sein Blick ist vielleicht verblüfft aber ganz drauf.



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (06.09.23, 11:42)
Der Text hat kein Zentrum, mäandert so vor sich hin.
Kann man so machen, ist aber nicht nach meinem Geschmack, ich bevorzuge ein dem Leser zugewandten Stil.

P.S.:  SoKOMMA als 

 minze meinte dazu am 06.09.23 um 21:02:
KOMMA KLAR!
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