Der Garten des Pan

Gedicht zum Thema Mythisch

von  Milta_Svartvis

Pan - oh, großer Pan!
Dein herrliches Flötenspiel lockte mich hierher, durch das Tor in deine jenseitige Welt.
Dort, wo die Priesterin im Sonnentempel die Arme empor streckt, den Invictus zu grüßen.
Wo Nymphen in Quellen sich an wärmenden Strahlen freuen und freche Knaben mit  Schlangen spielen.Goldenes Herbstlaub bedeckt den Pfad, der mich durch diese Anderswelt führt, fern vom Getöse und Lärm der großen Stadt, weit weg von Kummer und Sorgen der Gegenwart.


Hier kann ich rasten, hier find' ich Ruhe:
unter dem Schatten efeubekleideter Bäume,
zwischen den Säulen und Torbögen antiker Einsamkeit, welche von einstiger Pracht vergangener Reiche künden.


Hier erholt sich mein Auge an allgegenwärtiger Schönheit von der Hässlichkeit der Neuzeit und grüße ich ich fröhlich den lächelnden Satyr, während Kobolde miteinander spielen und Mädchen im Dunkeln Dämonen umarmen. Eine Schar Nymphen und Fischjungen tollt tobend und jubelnd im Brunnen, und praist mit erhobenen Armen die Schönheit der Venus, welche von kräftigen Nöcken auf der Muschel getragen wird. Teppiche aus dunklem Gras und lichtem Farn säumen die Wege, während Linden und Buchen wohltuende Schatten spenden.


Eine weiße Katze, unwirklich und traum-artig wie ein Irrlicht, spaziert neugierig herum, still, wachsam, aufmerksam. Gleich meinen Gedanken streift sie mal hierhin, mal dorthin;  verschwindet und taucht wieder auf, nur um erneut zu verschwinden. Ruht dann an der dicken Säule eines niedrigen Brückengeländers, um drei majestätische Flamingos auf einer Felsinsel im See zu betrachten, wie sie die langen Hälse nach  Fischen ausstrecken, während Enten auf der Wasseroberfläche gemächlich dahin gleiten, um dann und wann ein Quaken von sich zu geben.


Roh in den Fels gehauene Treppen führen mich tiefer in das Reich der Dryaden, vorbei an von Kiefern gekrönten Hügeln, welche die letzten Ruhestätten einst gerühmter, doch heute vergessener Könige sind. Steinerne Bänke laden ein zum verweilen, dort, am kreisrunden Becken, wo Sibyllen einst die Zukunft schauten, nur um sich schaudernd abzuwenden.


Reicht mir die Amphore, möchte ich rufen,
voll süßestem Wein aus Dionysus' Gärten!
Gesichter tauchen aus dem labyrinthenen  Dickicht verschlungener Efeu-Ranken auf und ziehen sich gleich wieder zurück, beobachtend, wissend, und vielsagend schweigend.

 
In großen Marmorschalen erinnern die Feuer des Vulcanus die Menschheit daran, dass die Götter allgegenwärtig sind, selbst wenn sie einst durch den unergründlichen Beschluss der Faten und die Hände feindseliger Bischöfe aus ihren eigenen Tempeln und Heiligtümern verbannt wurden, welche man zuvor so in Ehren gehalten hatte. Hier, an den Gestaden dieses Hains voll vorväterlicher Ehrerbietung kann ich meine Seele von der Erinnerung an das düstere Geschick und den Niedergang des Menschengeschlechts heilen als befände sich darin die Essenz des Nephentes. 

Furchtsam versuchen die Frevler sich vor dem Schein göttlicher Macht und Erhabenheit zu bergen indem sie sich in die Schatten zurück ziehen und die Gesichter bedecken - vergeblich; die Tyrannei ist schon allen sichtbar offenbart.


Einzigartig ist dieser Ort der Ruhe und  Abgeschiedenheit im Universum. Der Sage nach ruht dies alles hier auf der Hingabe der Dioskuren zur Morgenröte; ein Elysium, errichtet als Wahrzeichen und Monument, auf dass die Welt das größte aller Weltwunder bestaune: die Liebe.


Aber ach! Wie sehr mich der Aufenthalt hier auch beflügelt, so muss ich dies' Fanum der Einkehr und Erbauung nun verlassen. Denn ich bin nur ein einfacher Sterblicher und mein Vorrat an Stunden mit jedem Atemzug weniger. Spüre ich auch, wie sehr mein Geist von Unwillen und Wehmut ergriffen wird: mir ist nicht  beschieden, auf ewig hier zu verweilen. Schon lenke ich meine Schritte langsam und bedauernd durch die grauen Mauern und Ruinen, lasse Pan mir erneut den Verstand durch sein begnadetes Flötenspiel rauben und betrachte einen letzten, kurzen und bittersüßen Moment lang die Schatten, die die Macht des Helios von den Bäumen auf den Boden zwingt wie Ares, wenn er ganze Armeen in den Staub drückt.


Schon stehe ich am Portal, dass mich in eine laute, dekadente Welt entlässt, in welcher Narcissus mit zunehmender Macht zu beherrschen versteht und wo die Sirenen der Gier, Konsum- und Applaussucht auch das letzte Gefühl für Anstand und Gemeinwesen an ihren Klippen der Ignoranz zerschellen und untergehen lassen.
Profitsucht, Überfluss und Egoismus sind die vorherrschenden Gifte, welche die Gemüter und Geister der modernen Völker zersetzen und in ihnen eine Leere von titanischem Ausmaß erzeugen, so dass sie mit nichts mehr zufrieden sind. Diese Leere versuchen sie nun mit allerlei Prunk und Status zu füllen. Männer und Frauen prostituieren sich gleichermaßen und berauschen sich anschließend am Beifall der jubelnden Massen im Theater der Social Media Ära. 

Doch lässt sich der Verlust des inneren Lichtes nicht durch falschen Schein ersetzen. Der Applaus wankelmütiger, vergesslicher Massen soll sie erfüllen und glücklich machen und muss doch ununterbrochen durch diesen künstlichen Glanz genährt werden, der nichts ist als Gaukelei und Budenzauber. Als werfe man Zündhölzchen in einen finsteren Abgrund, der tiefer ist als der Ozean.

Der Ort, an die ich nur widerwillig zurückkehre, ist ein moderner Tartaros, dessen Insassen bereits tot sind, noch bevor sie ins Grab steigen, und gegen die sogar die Bewohner  des Hades lebendig erscheinen. Hier fristen der Sinn für Schönheit und die Liebe zur Schöpfung nur noch ein Schattendasein.  Das einzig tröstliche daran ist die Gewissheit, dass der Herr der Zeit uns alle verschlingen wird, so auch den modernen Tartaros mit all seinem Reichtum an Sklaven. Hier ist selbst manche Vestalin von der gewöhnlichen Dirne kaum noch zu unterscheiden und der Kaiser dem Lustknaben gleich.


Für einen kurzen Moment ergreift mich die Wut, ein furioser Zorn über den Zustand der Welt, welche wie ein faulender Apfel am Baum des Kosmos hängt. Dem Nero gleich möchte ich sie in Brand setzen und auf einer Harfe das Lied der Vernichtung anstimmen. Nur ein Augenblick - dann verraucht die Flamme des Zorns und ich besinne mich eines besseren. Ich kann nichts am Wahnsinn und der Verwirrung meiner Zeitgenossen ändern, sondern nur mit der ganzen Würde und Stärke eines Mannes den Beschluss der Parzen ertragen, als letztes Kind des goldenen Zeitalters in den Tagen des Verfalls gestrandet zu sein. Doch das, immerhin, kann ich selbst wählen.


So bleibt mir nur die Erinnerung an meine kurze Odyssee der Sinnesfreuden und die Hoffnung auf eine Rückkehr in den Garten des Pan, ein Wiedersehen - vielleicht.




Anmerkung von Milta_Svartvis:

Inspiriert von einem Besuch im Skulpturen Park "Thieles Garten" in Bremerhaven.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter Wal (24.11.23, 17:34)
Oha! :)
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