Kastration als Vorspiel der Philosophie

Essay zum Thema Mythisch

von  LotharAtzert

"Auf die Hölle brauchen wir nicht zu warten, bis wir tot sind. Die tragen wir selbst in uns, ebenso wie den Himmel"
Kommentar von Janna

Uranos ist bei den Griechen das zeitlose Prinzip des Schöpferischen, mithin das Prinzip der Zeugung. In der entsprechenden Mythe heißt es, daß er permanent der Rhea, dem empfangenden Teil des Prinzips beiwohnte, so daß diese aus Zeitmangel keine Wesen gebären konnte, ja sogar in Gefahr stand,  daran zugrunde zu gehen. Deshalb ersuchte sie ihren Sohn Kronos, den Vater mit einer Sichel zu entmannen.

Bekannterweise entstand hieraus - aus dem Schaum oder Samen des ins Meer geworfenen Gliedes - die Aphrodite. Die aufgeschlosseneren Mythologen vermuten in der Entmannung den Beginn der Zeitrechnung, da die Zeit ja auch durch Zerstückelung des Ursprungs (Trennung von Ewig und Endlich) erst wahrnehmbar wird und Chronologie ermöglicht.

Rhea änderte nun ihren - modern gesprochen - Status und hieß fortan Gaja oder Gäa. Zum besseren Verständnis: Rhea heißt sie als universelles Prinzip des Empfangenden und Gäa als Austragungsort im Sinne unseres Planeten Erde. (Solches steht nicht in Büchern, aber zeigt sich " in uns" - im Empfinden, nicht im Fühlen.)
Das deutsche Wort "Erde" ist deshalb so interessant, weil durch Hinzufügung nur eines einzigen Buchstabens ihr Sinn zugleich zutage tritt: "Werde!" - Nicht zuletzt aus solchen Gründen ist unsere Muttersprache ein wahres Juwel.
Daß wir also sind und werden, was wir sind, verdanken wir der scheinbar grausamen Tat des Kronos, dem aktiven Reflex von Chronos, der Bestimmung des Schöpferischen.

Nun kommen natürlich ein paar Armleuchter und fragen, ob das wissenschaftlich bewiesen wäre. Dem läßt sich nur entgegnen, daß Bilder und Gefüge jenseits dieser menschlich verkleinernden An-Maßung des scheinbar "objektiven" Beweisens liegen. Bilder und Gefüge. - Es geht hier ums Prinzip, ohne Rücksicht auf vorübereilende Phänomene. Es wird ja auch nicht wissenschaftlicherseits die Raumpräsenz infrage gestellt, obwohl sie sich bis heute jedem meßbaren Zugriff entzog. Niemand sah jemals den Raum, niemand hat ihn je zu fassen bekommen - und doch wird ihn niemand aus der Reihe der vergänglichen Wolken leugnen können. Der Raum ist maßlos in seiner Unermesslichkeit. Begriffe wie "Wissenschaft" oder auch "Glaube" haben bei derartigen Bildmeditationen nichts zu suchen und nichts zu finden.

Die aus dem Samen des Schöpferischen geborene Göttin der Fruchtbarkeit ist nach Zeus die Mächtigste im Pantheon. Warum, das zeigen die Vorgänge um Troja: Die Frucht der Schönheit Aphrodites, in Helena verkörpert, weckt Begehrlichkeit bei Götter und Menschen gleichermaßen und bedingt bei allem Unvollkommenen den periodischen Untergang. (Einzelheiten zu den Mythen siehe in den entsprechenden Werken Kerenys, F.G. Jüngers u.a.) 

Daß zwischen dem Titanen Uranos und  der Göttin Aphrodite ein inniges Verhältnis besteht, ist unbestreitbar. Deshalb trägt sie auch manchmal seinen Namen, als Aphrodite-Urania und lehrt, Kronos sei dank, die schwingenden Rhythmen in den Hüftbewegungen des Alls.
Noch tiefer aber ist ihre Verbindung zum Meer. Dort wird beim Baden nach jeder Versündigung ihre Unschuld wieder hergestellt. ...

Da sitzen also, die Wissenschaftler, in Käfigen vor ihrem Monitor und beobachten die Bewegungen von Satelliten, weit weit im "Kosmos" da draußen, freuen sich über ein Signal ...
Aber die sind auch der perfekten (Wissenschafts-) Helena verfallen. Und das hölzerne Pferd  des Materialismus rumpelt in die Stadt und keiner hört auf Kassandra.

"Einer gilt mir zehntausend" heißt es bei einem der frühesten Philosophen, dem Einsiedler Heraklit - "wenn er der Beste ist."
Der Beste - man muß schon Verehrer sein, um den Sinn dieser vollkommenen Verehrung nicht im Sinne einer Selbst-Anmaßung mißzuverstehen. Freilich meinten die Worte nicht Eliteschüler, noch Harvardprofessoren. Das ist beim Einsiedler undenkbar, daß er noch  weltliches Streben von Titelträger protegierte. Sondern, um es mit den Worten eines weiteren Einsiedlers aus meiner persönlichen Bestenliste, Friedrich Hölderlins, zu verdeutlichen: "An das Göttliche glauben die allein, die es selber sind." 


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Kommentare zu diesem Text

BabetteDalüge (67)
(24.01.14)
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 LotharAtzert meinte dazu am 24.01.14:
Danke Babette.
Da Du es gewohnt ausführlich sagst, bleibt mir an dieser Stelle nur noch der Hinweis, daß die griechischen (Uranos) nicht immer vollständig mit den römischen Göttern (Uranus) übereinstimmen. Du kennst das ja - insbesondere von Poseidon-Neptun.
Ich schrieb hier aus griechischer Sicht.
Gruß
Lothar
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