Noch ein paar Gedanken in der Adventszeit

Anordnung

von  Quoth

Es gibt einen Geruch, der mich sofort zurückversetzt in die traulich behütete Welt meiner Kindheit, etwas fettig und nach Minze: Es ist der Geruch von Ballistol.

Gleichberechtigung: Als Mann habe ich das Recht, die wichtigen Fragen zu entscheiden, über die unwichtigen entscheidet die Frau. Aber die Frau entscheidet auch darüber, welche Fragen wichtig und welche unwichtig sind – sie hat die Kompetenz-Kompetenz.

Mit MeToo haben die Frauen sich aus der bloßen Objektrolle befreit. Aber für viele Männer haben sie dadurch an Attraktivität verloren.

Die Pandemie hat zu einer Renaissance der Halbmaske geführt – wie im venezianischen Karneval.

Ich hatte einen Klassenkameraden, unter dessen Diktate schrieb die Lehrerin die Anzahl der richtigen Wörter. Er roch nach Karbid.

Eine neue Mitschülerin stellte sich uns im 4. Schuljahr vor und schlug lachend ein Rad. Sie starb nach unglücklich verlaufener Ehe durch Suizid.

Misteln wachsen wie Geschwüre in Bäumen und entziehen ihnen einen Teil ihrer Kraft. Deshalb müssen sie gegen Krebs wirksam sein: Similia similibus curentur.

Hat Gott gelogen, als er bei der Geburt Jesu durch seinen Engel „Frieden auf Erden“ versprach? Nein, er versprach einen Frieden nicht von dieser Welt.

„Katten knuffelen met Geerd Wilders“. Unter anderem dies Video hat ihm den Wahlsieg gebracht. Rechtsradikale stellen sich gern als liebenswerte und harmlose Herrchen und Frauchen von Haustieren dar. Auch Marine Le Pen und Javier Milei. Sie wissen, warum.

Dona nobis pacem. Seit anderthalb Jahrtausenden eine immer aktuelle und unerhörte Bitte. Sie gemeinsam in einem Chor singend auszusprechen, macht Mut.

On the road. Dieses Pathos der gesuchten Verlorenheit, Heimatlosigkeit im Buch Kerouacs. Ich habe es nie gemocht. Es hat eine Alkoholfahne.


Immer, wenn ich die Alpaka-Socken anziehe, denke ich an meine Tochter, die in 4000 m Höhe in den Anden beim Besuch von Quinoa anbauenden Bergbauern ohnmächtig wurde.

Sie sei eine kulturmarxistische grüne Kampflesbe, heißt es von einer Philosophin. So ein tolles Weib würde ich gern mal kennenlernen.

Als mir vor 20 Jahren der erste Backenzahn gezogen wurde, tröstete mich der Zahnarzt: „Sie kommen jetzt in das Alter, wo man Abschied nehmen lernen muss.“ Das habe ich bei den Zähnen hinter mir, bei den Haaren dauert es noch an.

Die Dialyse eines Freundes hat mich gelehrt, meinen Nieren zutiefst dankbar zu sein.

Meinen Schwiegervater verschlug es als Truppenarzt nach Kampen in den Niederlanden. Dort bot ihm ein einheimischer Arzt erfolglos an, ihn in seinem Keller zu verstecken, der Krieg sei für Deutschland eh verloren. Er zeigte ihm den Keller, in dem eine drehbare Trommel stand. Name des Arztes: Willem Kolff. „Er hat 13 Ehrendoktortitel für diese Erfindung bekommen“, setzte mein Schwiegervater immer andächtig hinzu. "Und ein Asteroid wurde nach ihm benannt."




Anmerkung von Quoth:

Mein Vater hatte wohl ein Herz, aber sein Herz war keine Heimstatt.
Jules Renard (1897)

Übersetzung aus dem Französischen: Liselotte Ronte

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Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (14.12.23, 11:01)
Eine neue Mitschülerin stellte sich uns im 4. Schuljahr vor und schlug lachend ein Rad.
- da dachte ich spontan, das nimmt kein gutes Ende. Und so kam's dann ja auch. ...


Die Pandemie hat zu einer Renaissance der Halbmaske geführt – wie im venezianischen Karneval.
Interessanter Vergleich.


Den Kerouac mochte ich auch nicht wirklich gern. Zu oberflächlich, zu amerikanisch.

Die Dialyse des Freundes - eigentlich ist alles des Kommentierens wert. Auch bei den Zähnen und Haaren gibt es Übereinstimmung haha. Schöne Gedanken.

 Quoth meinte dazu am 14.12.23 um 16:44:
eigentlich ist alles des Kommentierens wert.
Schade, dass Du es nicht getan hast! Aber auch für die fünf Kommentare samt Empfehlung herzlichen Dank!

 Graeculus (14.12.23, 11:25)
Es gefällt mir fast alles, aber das ist mir zu hoch:

Hat Gott gelogen, als er bei der Geburt Jesu durch seinen Engel „Frieden auf Erden“ versprach? Nein, er versprach einen Frieden nicht von dieser Welt.

 Quoth antwortete darauf am 14.12.23 um 16:42:
Hat er halt gelogen!  :) Vielen Dank für die Empfehlung mit Kommentar!

 Beislschmidt schrieb daraufhin am 14.12.23 um 16:48:
Man könnte zu allem etwas schreiben ...

Die Pandemie hat zu einer Renaissance der Halbmaske geführt – wie im venezianischen Karneval
Das erscheint mir clownesk genug, um es hervorzuheben.

Beislgrüße

 Quoth äußerte darauf am 16.12.23 um 10:52:
Vielen Dank für Empfehlung mit Kommentar!

 TassoTuwas (15.12.23, 20:14)
Das Vergnügliche an den meisten dieser, ich nenn sie mal, Zweisatzgeschichten ist, hast du den ersten Satz gelesen, kommt im zweiten was ganz anderes!

LG TT

 Quoth ergänzte dazu am 16.12.23 um 10:57:
Manchmal gelingt es, manchmal nicht oder nicht ganz! Vielen Dank für Empfehlung mit Kommentar!
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