Der Prellbock

Text zum Thema Erinnerung

von  Oggy

Es trug sich während meiner Grundschulzeit zu. Von Anfang an war ich als ein sehr ruhiger Schüler bekannt, was mir aber in der Penne keineswegs zum Vorteil gereichte, denn manche Lehrer fanden es vernünftig, besonders hyperaktive, vorlaute oder gar schwer erziehbare Elemente des Öfteren neben mich zu setzen, um ihrerseits ihre Ruhe vor ihnen zu haben. So auch im Fall des Mike ("Migge"). Er machte mir das Leben von der ersten Sekunde an zur Hölle. Er war wohl mindestens 2 Jahre älter als ich (Sitzenbleiber), hatte enormes Übergewicht (ich selbst Bohnenstange), schwitzte ständig, besaß eklige, viel zu dicke Wurstfinger und haßte mich abgrundtief. Der Grund dafür ist mir bis heute ein Rätsel, hatten wir doch vorher keinerlei Kontakt zueinander. Anscheinend besaß ich Eigenschaften, die ihm fremd waren und auf die er neidisch war.

Migges Lieblingsbeschäftigung war es, wenn wir etwas aufzuschreiben hatten, mit den Beinen den Tisch anzuheben und damit zu wackeln, so daß ich nicht richtig schreiben konnte. Immer wenn ich unterbrochen hatte - weil er so stark mit dem Tisch wackelte, daß Schreiben unmöglich war - und wieder ansetzte, begann das Wackeln erneut. Er amüsierte sich dabei köstlich. Das ging ein ganzes Schuljahr so und in "Schrift" kam ich von meiner einzigen schlechten Note "4/ausreichend" nicht mehr runter.

Der Typ drohte mir auch ständig, daß er mich nach oder gar vor der Schule verprügeln würde und mir (schnell und wendig gegen plump und behäbig) blieb nichts anderes übrig, als ihm immer wieder auszuweichen. Zu meinem Leidwesen wohnte er auch in der Nähe und wir hatten denselben langen Schulweg. Wenn er mich von weitem sah, rannte er los, um seine Drohung wahrzumachen, und ich floh, was mit dem viel zu schweren Ranzen eine Tortur war. Es ging ihm zwar immer als Erstes die Puste aus, aber als Resultat konnte ich mich keinen Meter sicher fühlen. Wenn er nach Luft japsend stehen blieb, stieß er von weitem lautstark Verwünschungen und sich steigernde Drohungen gegen mich aus, bis er sich wieder soweit gesammelt hatte, daß das Ganze von vorne begann. Auch hierbei amüsierte er sich prächtig.

Ich begriff und begreife ein solches Fehlverhalten damals wie heute als reinen Terror, aber eines muß man Migge echt zugutehalten:

Immerhin hat er sich mir nie in den Weg geklebt.



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (21.02.24, 12:23)
Nicht schlecht, könnte gerne länger sein, aber den Titel finde ich unpassend. Ein Prellbock ist ein Ding, dass Unfälle verhindert, man spricht in der Eisenbahnerwelt von sog. Flankenschutz.

 Gabyi meinte dazu am 22.02.24 um 16:51:
Der Prellbock für etwas/jemanden sein gibt es im übertagenen Sinne durchaus  In der Bedeutung von Prügelknabe oder Sündenbock.

Antwort geändert am 22.02.2024 um 18:23 Uhr

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 23.02.24 um 16:05:
Das finde ich nicht, zumal bei einer Konfrontation der Zug mit erheblich größeren Schäden rechnen muss als der einfache und solide Prellbock.

 Oggy schrieb daraufhin am 23.02.24 um 17:21:
@Gabyi
Genauso empfand ich es.

Übrigens war das ein Einzel- und Extremfall. Die beiden anderen schweren Jungs, neben die man mich viel später im Gymnasium setzte, verhielten sich vollkommen friedlich und normal mir gegenüber.
Im Gegensatz dazu war der Streber ätzend, neben den ich wegen meiner verhältnismäßig guten Noten gesetzt wurde, damit ein schwächerer Schüler nicht von ihm abschreiben kann. Aber auch würde ich mich zu verallgemeinern hüten...

LG und danke für die Empfehlung,
Oggy

Antwort geändert am 23.02.2024 um 17:22 Uhr

Antwort geändert am 23.02.2024 um 17:22 Uhr

 Gabyi äußerte darauf am 24.02.24 um 10:14:

Wiktionary:
[2]  umgangssprachlich,  übertragen: jemand, der bei Konflikten (anderer) die Verärgerung  abfedern muss oder der die Konsequenzen fremden Handelns zu tragen hat

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 24.02.24 um 12:02:
Ist nur ein Vorschlag, den Titel ansprechender zu gestalten, zumal das Ding im Text nicht vorkommt...
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