Materialgedicht für ein plebejisches Trauerspiel

Monolog

von  Bergmann

                              Didi Costaire zugedacht

 

Bockwurst oder nicht Bockwurst, das ist die Frage: 

Obs edler im Gemüt, die feinen Schlingen

Der zähen Hülle zu erdulden oder sie

In stringenten Bissen, sich selber überwindend, 

Durch Kauen zu zermalmen? Beißen – schmecken –

 

Nichts weiter! Und zu wissen, daß ein einzger

Biss das Herzweh und die tausend Lüste findet,

Die unser eigen Fleisch begehrt: das ist ein Ziel,

Aufs innigste zu wünschen. Beißen – schmecken –

Beißen! Vielleicht auch träumen! Ja, das ist’s!

 

Was im Genuss für Träume kommen mögen,

Wenn wir den Widerstand der Pelle lösen,

Zwingt uns zum Innehalten – und das ist der Lohn

Der harten Arbeit unsrer geilen Zähne, 

Wenn sie des Saitlings Spott und Geißel zähmen.

 

Doch bleibt die Leere nach dem letzten Bissen,

Die unbekannte Sattheit, deren Grenze noch

Kein Bratwurstesser je erreichte, sie täuscht

Uns nur, dass wir an Völle, die wir haben, 

Lieber leiden als an Hungerschmerzen.

So macht die Bockwurst aus uns allen Süchtige. 



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (13.06.24, 07:23)
Immer wieder tauchen am Horizont der Poesie neue deutsche Gedichtformen auf, hier das "Materialgedicht."

Hab Dank für diese schöne Erweiterung, die mein Leben bereichern wird!

 Bergmann meinte dazu am 13.06.24 um 22:27:
Ich werd ganz rot ... (unpolitisch) ... mir fehlen die Worte

 AZU20 (13.06.24, 09:04)
Da kann ich nur zustimmen und in die Wurst kräftig reinbeißen. LG

 Bergmann antwortete darauf am 13.06.24 um 22:25:
:-) ... Bitte nicht so ungestüm, sondern mit komplexer Sensibilität!

 Soshura (16.06.24, 14:06)
Es gibt im Vogtland ein engmaschiges Netz allseits rauchender Tempel voller Schlangen bratwurstverschlingender Fleischmixfetischisten. Auch ich habe individuelle Wallfahrtsorte.

Vielen Dank! Köstlich!

 Bergmann schrieb daraufhin am 24.06.24 um 20:39:
Das freut mich sehr! 
(Ich stamme aus Halle an der Saale ...)
U.
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