Stille

Tagebuch zum Thema Augenblick

von  Citronella

„Hörst du was?“, frage ich Achim.

„Was soll ich hören?“, erwidert er ein wenig irritiert.

„Na, nichts!"

Wir bleiben nach dem Abendessen auf der Terrasse sitzen und genießen die Stille. Und Stille ist hier absolut. Wenn die Nachbarn daheim sind, dringt ab und zu die schrille Lache der Frau Nachbarin durchs Viertel, heute sind sie nicht zu Hause. Also: Stille.

Sackgasse in Feldrandlage. Ab und zu hoppelt ein Hase über die Weide, die Kühe trotten ein letztes Mal am Tag vorbei. Manchmal vernimmt man ihr Rupfen an den satten Gräsern, die in diesem Sommer besonders saftig sein müssen. Ansonsten: Stille.

Wir überlegen, wo es an einem unserer Urlaubsorte jemals so ruhig war, und erinnern uns an keinen Ort. Aber uns fallen sofort wieder diverse kuriose Geschichten ein, wie z. B. les grenouilles auf Korsika, die in Massen in einem breiten Graben hinter unserem Bungalow ständig lautstark quakten. Und dabei hatten wir damals auf einen Bungalow zur Seeseite gehofft, mit Meeresrauschen. Na ja, der Urlaub war trotzdem sehr schön und erlebnisreich.

Oder die Geschichte in Naoussa, lange ist es her. Ich konnte abends nicht einschlafen, weil ich ständig ein Geräusch in der alten Kommode neben dem Bett hörte. „Blödsinn!“, meinte Achim. Als er dann eine Schublade aufzog und die vielen Löcher sah, bekannte er kleinlaut: „Holzwürmer!“.

Wir schenken uns nach.

In der Dämmerung flattern jetzt etliche Insekten durch die Luft. Zum Ende des Sommers sind sie doch noch aufgetaucht, anfangs gab es gar keine. Wahrscheinlich erst nach dem vielen Regen geschlüpft. Zwei Fledermäuse jagen wie jeden Abend hektisch durch den Garten. Lautlos.

Nur Grillen gibt es nicht mehr. Noch vor Jahren war es für meine empfindlichen Ohren kaum erträglich, abends draußen zu sitzen – das schrille Zirpen bereitete mir Schmerzen. Jetzt ist es still.

Die letzten Vögel sind längst zur Nachtruhe verschwunden. Auch die winzige Meise, die wir Emil nennen. Emil hat sich als Schlafplatz die schmale Spalte zwischen Markisenkasten und Dachuntersicht ausgesucht, seine winzigen Hinterlassenschaften verraten ihn am Morgen. Warum er nicht einen Baum oder Busch bevorzugt, bleibt sein Geheimnis. Aber dieser Platz ist ziemlich exklusiv.

Es frischt ein wenig auf. Wenn wir dem Wetterbericht Glauben schenken können, ist der Sommer in den nächsten Tagen endgültig zu Ende. Immerhin haben wir ja schon September.

Wir räumen langsam zusammen. Diese Ruhe entspannt und macht müde.

Im Nachbardorf wird um 22.00 Uhr ein Feuerwerk gezündet – wahrscheinlich eine Hochzeitsfeier im großen Gasthaus. Jedem das Seine. Danach herrscht wieder Stille.


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