Zusammen Einkaufen

Sozialdrama

von  Redux


ZUSAMMEN EINKAUFEN

 

 

"Schau`mal, Schatz, das ganze Bio-Gemüse ist angefault!"

“Dafür ist es doppelt so teuer“.

Es war Freitag. Später Nachmittag. 17 Uhr 50. Die halbe Stadt durchströmte die Supermärkte.
Der kollektive Alptraum des finalen Ausverkaufs geisterte in allen Hirnen wie eine drohende Supernova.
Die allwöchentlich wiederkehrenden Szenen überfüllter Parkplätze, nicht enden wollender Schlangen vor Einkaufskassen, zeternder Kinder, gestresster Menschen, beherrschten die Orte des sinnlosen Gewimmels.

Und wir zwei, meine Frau und ich, waren mittendrin mit blank liegenden Nerven.

" Die glänzenden Paprika schreien doch nur so vor Chemie und Konservierungsstoffen!"

" Natürlich, mein Schatz,. Jetzt leg` schön die letzten drei verschrumpelten Bio-Paprika in den Einkaufswagen. Gestern gab es ja den neuen Lohn. Wir können es uns ja leisten!"

Das war wie ein zentrierter Blattschuss in die libellenflügelleicht-empfindliche Ökoseele meiner biologisch kontrollierten Frau.!

Sie zeigte auf das „ normale“ Obst und Gemüse und konterte:
" Was glaubst du eigentlich, was da alles an Chemie drinsteckt?"

Ihre Stimme erreichte Dezibel-Bereiche, die gerade noch so tief waren, das kein allgemeines Aufsehen heraufbeschworen wurde.

" Komm, schmeiße den Wagen voll faules Obst. Wir entsorgen es dann Morgen oder Übermorgen. Und demnächst werde ich ne größere Biotonne bestellen.!"

Sie begann auszurasten. Schon im Anfangsstadium ihrer eigenen Explosion bereute ich meinen letzten sarkastischen Satz.

"Du bist unmöglich! Ich informiere mich wenigstens. Und du plapperst nur dummes Zeug nach, dass du in jedem blöden Mc-Donald-Werbespot wiederfindest!"

Wutentbrannt nahm sie eine Tomate.( Vom normalen Gemüsestand) und wuchtete sie auf den Boden.

Klatsch!!!

" Hey, Schatz, stellst du jetzt selber Ökogemüse her? Von der Konsistenz und vom äußeren Eindruck passt die jetzt hervorragend in die Ökonische!"

Das war`s!
Vorläufig!

Ihr wutverzerrtes Gesicht passte so überhaupt nicht mehr zum schläfrigen „ Make- Love- Not- War- Antlitz“. Das Rot in ihrem Gesicht dunkelte in unheilvolle Bereiche hinein.
Sie stieß den Einkaufswagen vehement von sich. Dieser landete in den Stand mit den Apfelkisten, der wie ein Kartenhaus zusammenbrach.

" Super!!! Kommt Leute“, rief ich,“ latscht alle schnell mal rüber und in zehn Minuten könnt ihr Apfelmus vom Boden abkratzen.
Von euren Schuhen kontrolliert biologisch hergestellt!"

" Du bist ein riesengroßes A….loch! Musst du dich hier dermaßen lustig machen? Reicht das nicht schon?"

Die ersten Wuttränen kullerten.

Eigentlich wollte ich schon einlenken, aber es saß mir noch ein kleiner Sarkasmusteufel im Nacken. Und kaum dass sie " Reicht das nicht schon?" gefragt hatte, entschlüpfte die leise Gegenfrage:

" Apfelmusmenge oder Apfelmuskonsistenz?"

Alle Dämme brachen.

Sie riss die Kisten mit den Haselnüssen runter. Mit den Walnüssen. Und die mit dem Dörrobst. Und die mit den Pistazien.
Kartoffeln und Zwiebeln, Knoblauch und Staudensellerie flogen durch die Gänge.
Dann folgten Orangen, Zitronen, Mandarinen, Mangos, Birnen und Ananas…

Währenddessen brüllte sie jene dunklen Punkte hinaus, die mich zu dem machten, der ich nun einmal war. Anschließend war allseits bekannt, dass ich
a) mir ganz selten die Zehennägel schnitt
b) diese auf dem Badezimmerboden liegen ließ, wenn ich sie denn mal schnitt
c) gerne mal ohne Taschentuch popelte
d) ein xx cm langes Körperteil mein eigen nannte.

Diese Leute wussten aber dann auch, dass meine liebe Frau
a) jeden Mülleimer überquellen ließ
b) xx Kilogramm zuviel auf die Waage brachte
c) im ganzen Haus gebrauchte Taschentücher deponierte
d) bei jeder noch so dämlichen TV-Soap Rotz und Wasser heulte


Dann stand sie da und heulte.
Ich ging auf sie zu und nahm sie in den Arm.

" Es tut mir leid",flüsterte ich.
" Mir auch ",schluchzte sie und vergrub ihr Gesicht in meiner Jacke.

Es war still geworden.
Der Supermarkt mit seinen Kunden, seinen Verkäufern und Verkäuferinnen, mit seinen Einkaufswagen und seinen surrenden Kassen war für einen Moment zu einem Stillleben erstarrt. Und wir standen mittendrin. Wie in einem Gemälde für die Ewigkeit.
Alles stand still. Keine Sonderangebote oder " 08 an 34 bitte an Kasse 7 " waren mehr über Lautsprecher zu hören.

Wir standen da im Freitagabend in unserem Wahnsinn und trösteten uns.

Kurz vor Ladenschluss war alles in bester Ordnung.
Der Filialleiter war ein Schatz; die Endrechnung ungefähr so hoch, dass ein solcher davon hätte bezahlt werden können.

Während der Heimfahrt sagten wir lange nichts.

"Ich liebe dich!"

" Ich dich auch!"

" So geht es nicht weiter!"

" Doch. Es geht immer weiter!"

" Ach ja. Richtig. Da hat jetzt im Süden ein neuer Laden aufgemacht. Da haben wir noch kein Hausverbot!"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

















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Kommentare zu diesem Text


 Aron Manfeld (13.09.24, 16:48)
Wenn ich soweit bin, lieber Herbert, gehe ich ohne meine Frau zum Einkaufen.

 Graeculus (13.09.24, 17:20)
Der Schluß erinnert - wie das Ende so manchen Ehedramas - an "Warten auf Godot".

 Aron Manfeld meinte dazu am 13.09.24 um 17:25:
Sprichst Du in Deinem Alltag auch nur in Zitaten, lieber Grace?
Sophia (66)
(14.09.24, 13:35)
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