Zu meiner Überraschung haben mich die Patienten immer verehrt und mir vertraut.
Frau Hamann, eine angesehene Dame, stammte aus der schönen Stadt Luzern. Sie hatte nur eine Tochter, die im Baselland in einer kleinen Stadt lebte.
Wegen beruflicher und familiärer Verpflichtungen konnte die Tochter ihre Mutter in Luzern nicht besuchen. Eines Tages brachte sie ihre Mutter auf die geriatrische Station, mit wenigen Kleidungsstücken und wenig Inventar: einem kleinen Tisch, einer Kommode und einem Stuhl.
Frau Hamann war traurig und beschuldigte ihre Tochter, sie von Luzern ins Baselland gebracht zu haben. Wir dachten, dass sie sich nach einiger Zeit an das Leben in der Geriatrie gewöhnen würde und sich beruhigen würde.
Ehrlich gesagt tat sie mir leid, denn ich konnte den Schmerz nachvollziehen, den es bedeutet, sich von der Heimat zu trennen. Sie war eine schöne Dame, ein wenig zerzaust, aber sehr gepflegt. Wann immer ich arbeitete, blieb ich in ihrer Nähe. Oft lachten wir und ich sagte ihr, dass wir beide hier Ausländer seien. Wir unterhielten uns über verschiedene Themen, sie erzählte mir viel aus ihrem Leben. Sie hatte eine Reiseagentur geführt.
Eines Tages, während wir sprachen, fragte sie mich, mit wem ich verheiratet sei.
„Mit einem Albaner“, sagte ich.
„Hmmm“, machte sie und fuhr fort:
„Hattest du nicht Besseres zu tun, als einen Albaner zu heiraten?“
Ich lachte und sagte ihr, dass ich auch eine Albanerin sei.
Sie begann zu lachen und sagte: „Albaner sind nicht schlecht. Sie arbeiten viel.“
Sie versuchte, das Gespräch zu korrigieren.
Nie wieder erwähnte sie nach diesem Tag die Arbeit der Albaner.
Nach drei, vier Monaten verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand.
Frau Hamann hoffte immer noch, dass sie nach Luzern zurückkehren würde. Die Beziehung zu ihrer Tochter verschlechterte sich und sie unterbrach den Kontakt, den sie anfangs gepflegt hatte.
An einem Sonntag, gegen 13:00 Uhr, rief sie mich.
Ich ging in ihr Zimmer. Sie war schön gekleidet. Sie umarmte mich und gab mir die Einladung zur Geburtstagsfeier.
Ich versprach, zu kommen.
Gegen 15:00 Uhr rief sie mich wieder. Sie sagte, sie hätte Schmerzen im Bereich der Rippen. Ich gab ihr ein Medikament, das ihr der Arzt für Notfälle verschrieben hatte.
Bevor sie das Medikament nahm, sah sie mir direkt in die Augen und sagte mit schwacher Stimme:
„Es ist Zeit, in den Himmel zu steigen.“
„Nein“, sagte ich, „wir denken nach und feiern erst einmal deinen Geburtstag. Danach besprechen wir es.“ Sie lachte, als ob ihre Hoffnung auf Leben zurückgekehrt wäre.
Dann verabschiedeten wir uns.
Ich informierte den zuständigen Arzt und berichtete im nächsten Schichtwechsel über ihren Gesundheitszustand.
Ermüdet ging ich nach Hause.
Ich schlief früh in dieser Nacht. Bevor ich aufwachte, träumte ich von Frau Hamann. Ich hatte ihr eine schöne Vase gekauft und sie ihr zum Geburtstag geschenkt...
Ich wachte auf.
Ich machte mich fertig und ging zur Arbeit.
Kaum war ich in der Geriatrie, musste ich durch den Raum gehen, in dem die verstorbenen Patienten aufbewahrt werden.
Mein Blick fiel auf das rote Metallplättchen, das immer dann hingelegt wurde, wenn jemand verstarb.
Vorsichtig öffnete ich die Tür.
Frau Hamann hatte nicht darauf gewartet, dass wir ihren 95. Geburtstag zusammen feiern würden...
Ich hielt ihr die Hand, war schon kalt, und ich weinte mit Tränen in den Augen...