Schlusspunkte revisited

Text zum Thema Sterben

von  Jack

Dieser Text ist Teil der Serie  Zhuang Jack

Am besten lässt sich das Leben mit einem Zustand vergleichen, in dem du müde bist, aber nicht schlafen kannst. Dass der Todeswunsch als krankhafte Suizidalität betrachtet wird oder ein Sich-Davonstehlen des Individuums von der Gemeinschaft, zeigt, wie weit sich die (kollektive) Wahrnehmung des Lebens von dessen Unmittelbarkeit entfremdet hat: einem Müden wird sein Schlaf nicht gegönnt, dabei ist doch der Wunsch, endlich zu schlafen, der natürlichste überhaupt.


So ist das Leben im Zustand völliger emotionaler Erschöpfung. Der Suizid erscheint als einziger Ausweg. Es ist aber möglich, sich vom Zustand der totalen Erschöpfung zu erholen.



Unerfüllbare Wünsche müssen nicht zum Wahn führen, Hoffnungen in eine ausgedachte allmächtige Vaterfigur zu setzen. Es gilt einfach zu bedenken: ist es zu unerträglich, etwas zu wünschen, und es nicht zu haben, und ist es unmöglich, diesen Wunsch aufzugeben, setzt der Freitod der Selbsterniedrigung durch den Wahn Grenzen. Wer tot ist, begehrt nicht. Wer gestorben und nicht ins Paradies gekommen ist, weiß nicht, dass er nicht ins Paradies gekommen ist.

Dieser Leidensdruck ist im Zustand völliger Erschöpfung unerträglich. Im "normalen" Vitalitätszustand ist es die conditio humana des Solaristen, dessen Leben eine hohe Vitalspannung aufweist.


Eine Welt zu sehen, in welcher das Ideal des Schönen vollkommen verwirklicht ist, ist wünschenswert, hängt aber letztlich nur davon ab, ob diese wirklich existiert, und nicht von unseren Bemühungen, sie zu erreichen. Nach 40 Jahren in einer Welt der sinnlosen Leiden und enttäuschten Hoffnungen, der Verstellung, Verlogenheit, der Lüge und des Betrugs sage ich: auch das Nichts ist mir gut genug.

Dem Erschöpften ist auch das Nichts gut genug. Aber eigentlich spielt das Alter keine Rolle. Auch mit 85 gestorben, werde ich im Wunschalter bzw. im wahren ästhetischen Alter im Paradies zu Hause aufwachen und mit meinen Miezen kuscheln.


Nur das Schöne kann mir "das Leben retten". Alles andere kann nur versuchen, mich zu manipulieren, am Leben zu bleiben.


Das Schöne hat mein nulltes Leben gerettet und mir gezeigt, dass meine Existenz einen Sinn hat (Gewissheit des Heils im Schönen).


Ohne das Schöne ist das Leben wie pathologische Schlaflosigkeit. Es ist das Selbstverständlichste überhaupt, in diesem Fall die Schlaftablette zu nehmen.


Ist das Schöne nur Phantasie, gibt es keine lebenswerte Realität.


Ich habe das Schöne als unmittelbare Realität erfahren.



Auf keine moralisch-mechanische Art lässt sich die Eintrittskarte in die Welt des Schönen erarbeiten. Religionen, die solchen Unsinn behaupten, sind für Idioten. Das Schöne gehört nicht irgendeinem Gott, der sie dem, der seine Gebote erfüllt hat, im Paradies hinwerfen wird, wie dem Hund einen Knochen. Jede Seele, die in die Welt des Schönen kommt, war von Anfang an in höchster Liebe mit dem Schönen vereint, und nur durch die Kontingenz dieser Welt, in der auch Ekelhaftes vorkommt, vom Schönen getrennt.


Ich war nie in dieser Welt zuhause, meine Seele war immer mit dem Schönen verbunden. Mein Avatar (Körper und Psyche) wird nach meinem Tod restlos vernichtet, ich werde in der Welt des Schönen REIN wiederauferstehen. Ein Suizid als etwaiges Reinigungsritual ist dazu nicht notwendig.


Wer kein Heimweh nach dem Schönen hat, wird nie die Welt des reinen Schönen sehen.


Das Schöne hat sich unmissverständlich als die Heimat meiner Seele gezeigt.



Das Schöne ist der absolute Selbstzweck. Das Leben als Selbstzweck zu betrachten, ist hässlich.


Auch dieses Leben lebe ich um des Schönen willen weiter, denn dass ich mich überhaupt für das Sein und gegen das Nichts entscheide, ist ein Gottesdienst am Schönen.



Jedes "wir", das nicht im absolut Schönen durch reine, unendliche Liebe zustande kommt, ist (nur) ein (sinnloses) Gesellschaftsspiel. Alle Beziehungen, die dieses Niveau nicht erreichen, sind Trostpreise für Loser, für erbärmliche Zauderer, die zu schwach für den Tod sind. Alle Verhältnisse sind dem Ich äußerlich. Es gibt keine Mitmenschen und keine Gesellschaft. Es gibt nur die unsterblich Geliebte und den Tod.

Ich will nichts (mehr) persönlich mit jemandem zu tun haben, der mir nicht alles bedeutet. Ich will nichts (mehr) mit jemandem zu tun haben, dem ich nicht alles bedeute. Ich spreche nicht von einer Zweisamkeit: auch 8 wären denkbar, oder 116+1.


Wir sind 9, die 8 Miezen, die den 8 unschuldigen Archetypen entsprechen, und ich. Ich bin die Hülle, sie sind der Kern einer einzigen unsterblichen Monade. 


Optimismus: Mein Leben war nicht sinnlos (vorausgesetzt, meine spekulative Metaphysik stimmt).


Davon gehe ich aus.


Pessimismus: Mein Leben war sinnlos. Doch sobald ich tot bin, wird das egal sein.


Solange es Hoffnung gibt, dass dem nicht so ist, ist der Suizid ein Scheitern, ein Aufgeben, und meine Aufgabe, nicht aufzugeben.


Realismus: Ich habe so oder so ein paar Tage, einen Sommer (gönnt, ihr Gewaltigen!) oder noch Jahre zufrieden-entspannter glücklich-wohlverdienter Heiterkeit vor mir.


Die Gewaltigen haben mir einen Sommer gegönnt.




Anmerkung von Jack:

7.2.2025

Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Moppel und AndreasGüntherThieme.

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Kommentare zu diesem Text


 Teichhüpfer (07.02.25, 05:12)
Ist die Gemeinschaft der Auslöser, war das vorsätzlicher Mord.

Teichi

 Jack meinte dazu am 07.02.25 um 05:14:
Wegen versuchten Mordes an mir könnte ich die ultradekadente Gesellschaft der Beerdé anklagen, wenn ich ein Erbsenzähler wäre.

 Teichhüpfer antwortete darauf am 07.02.25 um 06:08:
Es geht da, um dich und dein Umfeld. Da können alle Deutsche nicht über einen Kamm geschert werden.

Teichi

 Jack schrieb daraufhin am 07.02.25 um 21:40:
Erbsenzähler würden scheren.

 Aron Manfeld (07.02.25, 06:22)
Aber wäre das unendliche Sein im Paradies nicht auch eine Spielart der Hölle, Jack?

 Jack äußerte darauf am 07.02.25 um 21:41:
Im Christenparadies durchaus.

 FRP (07.02.25, 10:24)
Was wir "das Leben" nennen, ist schon post mortem, und "die Erde" ist in Wahrheit die Hölle. "Das Schöne" fungiert als ein Anspruch, den man im Leben hätte erreichen sollen. Im Tod-Sein besinnen wir uns auf nichts, wir oszillieren wie Geister durch ein sinnloses Wirrwarr in einem Spiegelkabinett.

 Jack ergänzte dazu am 07.02.25 um 21:42:
Klingt manichäisch

 LotharAtzert meinte dazu am 07.02.25 um 21:55:
„Das Leben geht immer an seinem Prinzip zugrunde.“

W. Döbereiner

"Das Schöne" fungiert als ein Anspruch, den man im Leben hätte erreichen sollen" - statt "sollen" vielleicht "können"? - klänge zumindest aphroditischer. Wo ich "soll", werd ich bockig.

 Jack meinte dazu am 08.02.25 um 06:03:
Niemand muss müssen. Keiner soll sollen.

 Augustus (07.02.25, 10:56)
Auch dieses Leben lebe ich um des Schönen willen weiter, denn dass ich mich überhaupt für das Sein und gegen das Nichts entscheide, ist ein Gottesdienst am Schönen.
Schön formuliert und hat etwas zeitlos gültiges.

 Jack meinte dazu am 07.02.25 um 21:42:
Und ist urwahr
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