Der nervöse Kater

Text

von  Saudade

Hin und her geht der Britisch Kurzhaar, sichtlich sauer, der voluminöse Schwanz zwischen die Hinterbeine geklemmt, maunzt kläglich. Schlussendlich steht ein voller Napf Trockenfutter, der sich für ihn als Frechheit anmutet, er will Naßfutter haben. Ich bleibe hart, er allerdings in seiner Leidensrolle ebenso. Nach einer Stunde Schauspiel frißt er drei Stückchen aus dem Napf, dreht sich dann demonstrativ um, blickt mich verächtlich an und geht endlich auf seinen Lieblingsplatz zurück, dreht sich weg und seufzt, ja, tatsächlich, seufzt. Das werden harte Zeiten, ganz bestimmt. Armer grauer Kater. 


Auf Sri Lanka waren alle Katzen so dünn, dass ihre Rippen zu sehen waren, aber nicht nur die, auch eine Kuh stand mitten auf der Straße, abgemagert. Das tat mir in der Seele weh, aber interessant war, dass die Besitzer ihre Tiere dennoch liebten, an Vollmonden Kuh, Katze und Hund schnappten und zum Tempel raufführten, diese segnen ließen. Sie überlassen Tiere sich selbst, bedeutet im natürlichen Zustand. Katzen jagen ihr Futter und Hunde erbetteln von den Touristen, waren daher ganz lieb. Aber die Tiere waren überall Willkommen, keiner jagte sie davon. Die Kinder schnappten sich Kitten und küssten sie, herzten diese und bauten in der Vegetation kleine Unterkünfte für ihren Puppenersatz, keines war in meinem Blickfeld grob.  Ein dürrer Mann teilte dann doch sein karges Essen mit einem Hund, tätschelte ihn auf den Kopf, während das Tier gierig fraß. 


In Kairo sah ich keine Hunde, aber zwischen den Millionen Menschen mindestens hunderttausend Katzen. Das war selbst mir zuviel. Diese waren genauso selbstverständlich wie die Pyramiden von Gizeh. Dort, übrigens, wohnten die Katzen zusammen mit Menschen auf einem Friedhof. Direkt bei den Pyramiden sah ich nur eine Katze, die fast schon mäjestetisch auf dem unteren Sockel einer Pyramide saß, neben ihr ein Soldat. Es wirkte, als ob er sie bewachen würde und beide waren ein beliebtes Objekt für die unzähligen Kameras. Sie waren allesamt hübsch, manche sehr gepflegt, andere struppig, wohl nicht nur herrenlos. Vor einem Teppichgeschäft saß ein Mann auf einem Teppich, neben ihm in einem Körbchen eine weiß-graue Perserkatze mit einem Halsband mit roten Glassteinen. Es sah aus wie Rubine, aber es wird schon Glas gewesen sein. Das Bild der beiden war ein ägyptisches Klischee. So ist's richtig, dachte ich, genau hier. 

Ich kaufte auf dem Basar eine Bastetfigur und eine Katze aus schwarzem Stein. Ich liebe sie sehr. 


In Thailand war ich in einem Bungalowresort, ein wenig pseudo-nobel, nur dort waren Kakerlaken in meinem Blickfeld, aber man bekam bereits ein Pad zum Gebrauch geliehen. Einer der Bungalows stand abends offen und ich vernahm klägliches Miauen, ich ging hin und erstarrte im Türrahmen. Ich sah unzählige kleine Käfige übereinander gestapelt, voll mit Rassekatzen, äußerst ungepflegt, hauptsächlich Main Coon und Perser bei der fiesen Hitze in dem Raum. Die rosa Zungen hingen heraus, die Pupillen waren rund voller Angst, es stank fürchterlich. Ich sagte entsetzt: "Was ist das?!" Eine Dame saß davor und lächelte, fragte auf Englisch, ob ich ein Kätzchen kaufen wolle? Beinahe stolperte ich rückwärts hinaus, als ob mich der Teufel persönlich angesprochen hätte. Ich gebe zu, das war so grauenhaft, dass ich fast den ganzen Abend weinte. 

Überhaupt, der Tierschutz ist dort zum Schämen, die Vögel sind in kleinsten Holzkäfigen, Tiger hinter Gittern auf Beton als Belustigungsobjekte, Katzen schnitt man den Schwanz ab, damit sie nicht überall hinaufhüpfen konnten, Affen an Halsketten um Touristen zu bespaßen und nicht zu letzt' diese Rassekatzen in Meerschweinchenkäfigen ohne Katzenkistchen, geduckt. Es war unerträglich und ich hörte noch nie jemanden über das Elend reden, nur "Der Urlaub war so paradiesisch!" Ja, die Inseln sind ein Traum, aber für Tiere ein Albtraum. 


Auf Korfu war ein Bauland, so groß wie ein Fußballfeld, alles voller Katzen. Ich fragte mich, ob alle leben würden, manche rührten sich nicht mehr. Aber auch dort durften die Katzen überall hin. Das war selbstverständlich. Ich sagte: "Ein Ort ohne Katzen ist unerträglich." 

Dennoch, das war fast zu viel. 


Aber, das Liebste war bei Villach. Ich schlief in einer kleinen Pension, es war für Oktober noch recht warm, öffnete die Balkontür in der Nacht und als ich in der Früh aufwachte, lag ein wunderschöner grauer Kater mit einem Halsband zu meinen Füßen. Ich lächelte, fragte: "Wer bist denn du?" Er blinzelte mich nur kurz an und schlief weiter. Es stellte sich heraus, dass er Maxerl hieß und der Eigentümerin gehörte. Er dürfte ausgebüchst sein und über das Vordach zu mir raufgesprungen sein. Ich fand das schön. 


Mein Kater, fett, faul und wenig philosophisch, grunzt vor sich hin, er macht Geräusche eines Schuldners im Schuldenturm, er ist wahrlich der Ärmste der Armen, wenn ich so nachdenke. 


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Kommentare zu diesem Text


 niemand (21.02.25, 19:50)
dein kater scheint mir, wie mancher mensch, wohlstandsgeschädigt zu sein.trotzdem ist er süß. der letzte abschnitt deines textes beschreibt ihn mit so viel liebevollem humor, das ich schmunzeln musste :D
lg irene

 Saudade meinte dazu am 21.02.25 um 20:02:
Vollkommen richtig. Er ist sehr verwöhnt und weiß gar nicht wie gut es ihm geht.
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