Genug
Text
von Alex
Mit 16 bin ich in die Szene gefallen. Laut, aufreizend, herausfordernd. Ich dachte, wenn ich mich attraktiv genug machte, begehrenswert genug, "abgefuckt, aber geil", dann würde mich jemand lieben. Ich wollte, dass mich jemand liebt, also ließ ich sie mich anfassen. Stattdessen nahmen sie mich. Immer wieder. Ich wollte die Wärme, die nach den Nächten blieb, für mich behalten, aber sie war nie für mich bestimmt.
Sie lachten, wenn ich wütend wurde. Nannten mich süß. Nannten mich „Mädchen“. Ich dachte so oft nein, doch hab es viel zu selten ausgesprochen. Meist, weil ich wusste, dass es eh überhört werden würde. Ich sagte, ich bin ein Typ. Sie widersprachen, weil sie mich benutzen konnten, ohne dass es Konsequenzen hatte.
Mit 24 ließ ich sie zahlen. Es war nicht nur ein Job. Es war mein Heiliger Pfad der Rache. Endlich hatte ich das Gefühl, die Kontrolle zu haben. Ich sagte mir, dass es mich unberührbar machte. Dass ich so endlich über ihnen stand. Dass ich frei war. Und am Anfang war es genau das. Sie kamen mit ihren Bedürfnissen und ich war derjenige, der entschied, was sie bekamen. Es war nicht Sex. Es war Kontrolle.
Dann kamst du. Und auf einmal kam all meine Scheiße hoch.
Ich wusste nicht, dass ich für einen Mann fühlen kann, ohne dabei zu verachten. Ich wusste nicht, wie weich ich sein kann. Und ich wusste nicht, dass ich so viel Schmerz in mir trage, bis du mir gezeigt hast, dass es einen Ort gibt, an dem ich ihn ablegen könnte. Ich wusste nicht, dass ich genau die Art Mann sein kann, die ich sein will, bis du deinen Kopf in meinen Schoß gelegt hast und ich dich halten durfte. Du hast mich angesehen, und ich hatte das Gefühl, dass du mich siehst.
Ich habe so viel geschrieben. So viel gefühlt. War anstrengend, weil ich nicht verstanden habe, warum du bleiben wolltest. Warum du mich in all meiner Makelhaftigkeit wolltest. Ich habe dich getestet, habe dich gestoßen, habe an dir gezerrt, um sicherzugehen, dass du es ernst meinst. Dass du mich willst, auch wenn ich hässlich bin in meiner Angst.
Und jetzt bist du weg.
Ich sitze hier und warte auf eine Nachricht, die vielleicht nie kommt. Nicht, weil du grausam bist. Sondern weil ich dich so sehr überfordert habe, dass du dachtest, könntest mir nicht geben, was ich brauche. Aber ich wollte alles, was du bist.
Ich vermisse dich. So sehr, dass es wehtut.
Aber ich bin dankbar. Für deine Hände, die nicht genommen, sondern gehalten haben. Für deine Stimme, die nicht gefordert, sondern gefragt hat. Für deine Wärme, die mich für einen Moment weich gemacht hat. Du hast mich gebrochen, auf die schönste Art. Du hast meine harte Schale zerbrochen und was drunter liegt, ist schön genug, dass es mir leichter fällt, mich selbst zu lieben.
Egal, wo du jetzt bist – ich hoffe, dass jemand dich so liebt, wie du es brauchst.