Glasscherben im Herz
Text
von Alex
Ash trat die Kippe aus, obwohl er noch nicht fertig war, aber die Finger zitterten ihm, und das war ihm unangenehm. Er hatte einen fetten Kloß Tränen im Hals, ein flaues Gefühl im Bauch und Reue im Kopf. Es war eine beschissene Mischung.
Er wartete auf Sid. Wartete darauf, dass er kam, dass er dass er ihm in die Augen sah, ihm mitten ins verdammte Herz, Dass er ihm entweder eine reinhaute oder ihn küsste – oder beides. Scheißegal.
Denn Ash wusste genau, dass er wieder zu laut gewesen war, wieder zu viel geredet hatte, wieder zu wenig nachgedacht. Seine Emotionen waren zu oft wie ein Sturm in einem zu kleinen Glas. Und Sid – Sid war der, der zu oft versuchte, das Glas festzuhalten, bis es irgendwann zersprang.
Als Sid um die Ecke bog, hatte er die Schultern hochgezogen, die Hände tief in den Taschen. Sein Gesicht war schwer zu lesen. Vor allem sah er müde aus.
Ash wollte gleich loslegen, sich entschuldigen, sich selbst verfluchen, irgendwas sagen. Aber er wusste nicht, was. Es war immer derselbe Scheiß - Ash hatte ständig eine viel zu große Fresse, aber wenn es darauf ankam, wusste er nie, was er sagen sollte, und es blieben ihm die Worte weg, oder er ließ irgendeine unnötige, viel zu oft verletzende Scheiße vom Stapel.
„Hey“, sagte Sid.
„Hey“, antwortete Ash.
Sie standen sich gegenüber, während der Regen zwischen ihnen fiel, während irgendwo in der Ferne ein Auto zu schnell durch eine Pfütze raste.
Dann: „Ich bin ein Arschloch“, sagte Ash.
Sid schnaubte. „Ja.“
„Ich rede zu viel.“
„Mhm.“
„Ich hab’s kaputt gemacht.“
„Nicht ganz.“
Ash runzelte die Stirn. „Nicht?“
Sid zuckte mit den Schultern, zog eine Kippe aus der Jackentasche und zündete sie an. Er nahm einen tiefen Zug, blies den Rauch aus und sah ihn an.
„Du bist ein lauter, impulsiver Idiot, Ash“, sagte er dann. Seine Stimme war brüchig, leise, sanft, liebevoll. Es war mehr, als sich Ash zu erhoffen gewagt hatte. Sein Herz. Sein verdammtes Herz schlug bis zum Anschlag. Gleich würde es zerbersten, es sei denn..
„Du weißt, dass ich dich verdammt gern hab, oder?“ stieß Ash hervor, als könnte er es nicht mehr für sich behalten.
Sid nahm einen tiefen Zug, blies den Rauch aus, langsam. Sein Blick war schwer.
„Ja.“
Dann trat er die Kippe aus, ging einen Schritt auf Ash zu, packte sein Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn, rau und hungrig, als hätte er nicht genug Zeit auf dieser Welt. Weil es für manche Dinge nie genug Zeit gibt.
Und das, was wirklich zählt, sollte man nicht verschwenden.